drei Streifen Wundpflaster, eine lose Mullbinde, eine kleine rote Verbandsschere und eine Pflasterrolle auf einem roten Abroller© thodonal / iStock / Getty Images Plus
So ganz ohne Verpackung wird das natürlich nichts! Ab sofort müssen Apotheken Medizinprodukte stichprobenartig daraufhin überprüfen, ob sie der europäischen MDR entsprechen.

Medical Device Regulation

NEUE MEDIZINPRODUKTE-PFLICHTEN FÜR APOTHEKEN

Die Übergangsfristen laufen aus: Medizinprodukte fallen mehr und mehr unter EU-Recht. Auf Vor-Ort-Apotheken kommen damit weitere Aufgaben zu – und es gibt einiges vorzubereiten.

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Die Medical Device Regulation (MDR) ist so etwas wie die Medizinprodukte-Verordnung, aber auf Ebene der Europäischen Union (EU). Sie soll für mehr Sicherheit im Umgang mit Medizinprodukten sorgen, indem sie deren Qualität strenger überwacht. Manche Produkte gelten nun als Medizinprodukte, die vorher keine waren. Andere werden jetzt in eine höhere Risikoklasse eingestuft.

Eigentlich gilt die MDR schon seit 2017, es gab jedoch verschiedene Übergangsfristen, die dann auch noch pandemiebedingt verschoben wurden. Seit diesem Mai müssen sich Medizinprodukte-Hersteller aber nach ihr richten.

Aufwand für Hersteller und Apotheken

Die meisten Neuerungen treffen die Hersteller, die ihre Produkte jetzt aufwändiger zulassen, genauer kennzeichnen und mit neuen Produktnummern versehen müssen. Neu ist, dass Apotheken als Händler gelten. Sie müssen bestimmte Anforderungen erfüllen, zum Beispiel entsprechende Produkte regelmäßig prüfen und melden. Außerdem müssen sie die technischen Voraussetzungen erfüllen, um die neuen Produktnummern auslesen zu können.

Medizinprodukte der Risikoklasse I (Verbandmittel beispielsweise, aber auch Gehhilfen) müssen ab sofort entsprechend der MDR in Verkehr gebracht werden. Produkte der höheren Risikoklassen (Kontaktlinsen oder Kondome etwa) dürfen noch nach alter Gesetzgebung in den Verkehr gebracht werden, bis ihr Zertifikat ausläuft ­– sofern sich am Produkt bis dahin nichts Wesentliches ändert. Ob ein Produkt bereits MDR-konform ist, erkennen Sie auf der Packung: an den Buchstaben „MD“ in einem Kasten.

Einmalige Produktnummer für Medizinprodukte

Außerdem müssen Medizinprodukte eine Unique Device Identification (UDI) tragen, also eine Nummer, mit der sie eindeutig identifizierbar sind, von der Produktion bis zur Abgabe. So wie im securPharm-System für Arzneimittel. Für Risikoklasse III und Implantate ist die UDI schon seit letztem Jahr verpflichtend, für Klasse IIa und IIb müssen Hersteller sie ab Mai 2023 vergeben. Für Klasse I ist sie ab Mai 2025 erforderlich, alle anderen Regelungen gelten für Klasse I aber bereits. Ganz praktisch kann es deshalb sein, dass Sie Prüfformulare vorerst nur unvollständig ausfüllen können.

UDI und EUDAMED
Die einmalige Produktnummer UDI besteht aus Device Identifier (Produktkennung, DI) und Production Identifier (PI). Der PI gibt Aufschluss über Seriennummer, Charge und Verfallsdatum. Jede Verpackung trägt die UDI als Zahlenkombination, Strichcode und Data-Matrix-Code. Alle UDI werden in der European Database on Medical Devices (EUDAMED) hinterlegt und sollen künftig auch den Verbrauchern zugänglich sein. Außerdem ist EUDAMED mit dem Deutschen Medizinprodukte-Informations- und Datenbanksystem verbunden, steht da aber nur Mitarbeitenden aus dem Gesundheitswesen zur Verfügung.

Neue Aufgaben für Apotheken

Zu den neuen Aufgaben für Apotheken gehört ein Probenahmeverfahren ­– Stichprobenprüfungen also, ganz ähnlich wie die Medizinprodukteprüfung nach Apothekenbetriebsordnung. Auf diese Merkmale müssen Sie dabei achten:

  • Liegt eine EU-Konformitätserklärung vor?
  • Trägt das Produkt eine UDI?
  • Liegt eine deutsche Gebrauchsanweisung bei?
  • Bei Importen: Sind Name und Adresse des Importeurs angegeben?

Risikogruppe und Bekanntheitsgrad des Produkts bestimmen neben weiteren Faktoren darüber, wie oft ein Produkt getestet werden sollte. Thomas Ertner, Diplom-Ingenieur und Qualitätsmanager, gibt als Faustregel ein Produkt pro Woche an und rechnet dafür fünf bis zehn Minuten ein.

Was, wenn die Medizinprodukte-Prüfung eine Auffälligkeit ergibt?

Wenn Kunden oder Dritte, beispielsweise Pflegepersonal, Ihnen über Mängel an Medizinprodukten berichten oder wenn Ihnen bei der Prüfung ein solcher auffällt, dürfen Sie es nicht abgeben. Das ist der Fall, wenn das Produkt

  • beschädigt,
  • falsch oder unvollständig beschriftet oder gekennzeichnet ist oder
  • wenn es technisch veraltet ist.

In diesem Fall müssen Sie außerdem den Hersteller, bei Importen den Importeur, informieren.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verständigen Sie bei einem sogenannten „schwerwiegenden Vorkommnis“, wenn der Mangel also den Gesundheitszustand des Kunden beeinträchtigen würde. Einfache Fehlfunktionen gelten nur als „Vorkommnis“.

Zusammenarbeit gefordert

Die MDR sieht vor, dass die verschiedenen Institutionen, die an Medizinprodukten beteiligt sind, sich stärker vernetzen und zusammenarbeiten. Dazu zählt zum einen, dass Sie eben genannte Mängel melden. Das heißt aber auch, dass Behörden von der Apotheke alle Dokumente und zusätzlich Proben von einem Produkt anfordern und Kontrollen durchführen können.

Händler und Hersteller beziehungsweise Importeure müssen gemeinsam nachweisen, wer ein Medizinprodukt wann an wen abgegeben hat. Diese Dokumentation bewahrt der Hersteller 10, bei Implantaten 15 Jahre lang auf. Damit der Hersteller diese Daten hat, müssen die Händler sie ihm übermitteln – Apotheken müssen die Dokumentation entsprechend genauso lange aufbewahren. Ertner geht davon aus, dass die Hersteller dies künftig in Ihre Lieferverträge aufnehmen und empfiehlt, eine Gegenleistung auszuhandeln.

Achtung: So leicht wird man vom Händler zum Hersteller

Wenn Sie in Ihrer Apotheke ein Medizinprodukt umverpacken (richtig kennzeichnen nicht vergessen!) oder, wenn Sie die übersetzte Gebrauchsanweisung beilegen, gilt das noch nicht als Eingriff in den Originalzustand. Wenn Sie das Produkt jedoch unter Ihrem Namen anbieten, es verändern oder es zu einem anderen Zweck als vorgesehen anbieten, müssen Sie die Herstellerpflichten erfüllen. Qualitätsmanager Ertner rät Apotheken deshalb davon ab, Medizinprodukte auszueinzeln, sie mit dem Apothekennamen zu versehen oder Sets selbst zusammenzustellen.

Engpässe erwartet

Künftig benötigen Hersteller für die Zertifizierung ihres Produkts eine klinische Bewertung. Außerdem müssen sie eine lebenslange Nachbeobachtung sicherstellen. Aber nicht nur, dass die Zertifizierung komplizierter wird – Ertner rechnet damit, dass jeder zehnte Hersteller vom Markt geht. Zusätzlich gibt es auch weniger Benannte Stellen, die zertifizieren dürften. Statt früher 56 sind es aktuell nur noch 30 Benannte Stellen in der EU, da einige (darunter die größte) durch den Brexit entfallen. Die Folge könnten Lieferengpässe sein.

Was gibt es noch zu beachten?

Apotheken müssen Medizinprodukte nach den Herstellervorgaben transportieren und lagern. Das heißt, Lagerbedingungen und -orte müssen ins Warenwirtschaftssystem aufgenommen werden. Die Warenwirtschaft sollte außerdem die UPI der Medizinprodukte vollständig erfassen können – das können Sie bei Ihrem Softwarehaus erfragen.

Beide Punkte gehören außerdem ins Qualitätsmanagement-System (QMS), genauso wie die neuen Prüfprotokolle, Beschwerde- und Reklamations-Formblätter. Die Apothekenleitung muss festlegen, wie oft Stichproben geprüft werden, die Mitarbeiter*innen darin schulen und festlegen, wie die Abläufe bei Qualitätsmängeln aussehen – ob es etwa einen Quarantänebereich gibt wie bei Rezeptur-Ausgangsstoffen.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/diese-neuen-medizinprodukte-regeln-betreffen-die-apotheken-133729/ 
https://www.medcert.de/ce-kennzeichnung/risikoklassen/ 
https://www.medical-device-regulation.eu/wp-content/uploads/2019/05/CELEX_32017R0745_DE_TXT.pdf 
https://medizin-und-technik.industrie.de/recht/mdr-was-sich-wegen-des-coronavirus-verschiebt-und-was-nicht/ 

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