Eine Frau liegt mit verzogenem Gesicht auf der Couch und hält eine Wärmflasche auf ihren Bauch.© nensuria / iStock / Getty Images Plus
Viele Beschwerden des Magen-Darm-Trakts verursachen auch Schmerzen. Hier gilt es, die Ursache zu behandeln.

Verdauungssystem

MAGEN UND DARM IN DER SELBSTMEDIKATION

Unser Verdauungstrakt ist ein komplexes, fein abgestimmtes System. Läuft etwas schief, macht sich das unangenehm bemerkbar. Hier ist schnelle Hilfe gefragt. Welche Beschwerden gibt es, wo kommen sie her und was empfehlen Sie am besten dagegen? Wann ist ein Arztbesuch nötig? Eine Zusammenfassung.

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Der Verdauungstrakt beginnt mit der Mundhöhle, in der die Nahrung zerkleinert, mit Speichel und Enzymen vermischt und heruntergeschluckt wird. Die Kohlenhydratverdauung beginnt bereits hier. Von der Mundhöhle geht es in die Speiseröhre, an deren oberem und unterem Ende feste Muskeln dicht abschließen.

Die Muskeln am oberen Teil der Speiseröhre kann das Gehirn bewusst steuern, im Rest des Verdauungstraktes regelt das vegetative Nervensystem die Kontraktionen, die den Speisebrei weiterbefördern und durchmischen. Willentlich können wir diese sogenannte Peristaltik nicht beeinflussen.

Vom Mund in den Magen

Der gesamte Magen-Darm-Trakt ist mit Schleimhaut ausgekleidet. Wenn der Speisebrei in den Magen gelangt, passiert er den unteren Ösophagussphinkter. Dieser Muskel verhindert normalerweise den Rückfluss von Mageninhalt in die Speiseröhre.

Die im Magen besonders dicke, kräftige Schleimhaut besitzt viele Drüsen. So bilden die Belegzellen Salzsäure, die zur Verdauung und zur Abwehr gegen Krankheitserreger dient und den Magen auf einen pH-Wert von 2 bis 3 einstellt. Damit die Schleimhaut sich nicht selbst verdaut, sondern Becherzellen Schleim ab, der eine Schutzschicht vor der Säure bildet. Die Nebenzellen geben Pepsin ab, ein Enzym, das Eiweiße spaltet. Kohlenhydrate und Fett passieren den Magen weitgehend unverändert.

Vom Magen in den Dünndarm

Der Nahrungsbrei wandert in kleinen Portionen durch den Pförtnermuskel in den Dünndarm, in dessen oberem Bereich die Gänge von Gallenblase und Bauchspeicheldrüse münden. Die dort freigesetzten Gallensalze brauchen wir, um Fette zu verdauen. Sie dienen als Emulgator, um die wasserlöslichen Enzyme an die Fette heranzulassen.

Insgesamt ist der Dünndarm etwa fünf Meter lang und stark gewunden. Im Inneren kleidet ihn eine Schleimhaut aus, die vielfach gefaltet und mit etwa vier Millionen Darmzotten besetzt ist. Beides vergrößert die Oberfläche der Schleimhaut und dient dazu, Nährstoffe und Wasser aus der Nahrung aufzunehmen. In den Darmzotten liegen Blutgefäße, die die Nahrungsbestandteile aufnehmen und in den Körper weiterleiten.

Eine wichtige Aufgabe des Dünndarms neben der Aufnahme von Nährstoffen ist die Rückresorption von Wasser, das zum Großteil aus den Verdauungssekreten stammt. In der Dünndarmschleimhaut sitzen außerdem viele Drüsen, die Hormone freisetzen. Ein Beispiel ist Serotonin, das die Beweglichkeit der Darmmuskulatur steigert. Andere Botenstoffe wirken auf umliegende Organe wie die Bauchspeicheldrüse, den Magen und die Gallenblase.

Eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Viren, Bakterien und schädlichen Fremdstoffen spielt das sogenannte darmassoziierte lymphatische Gewebe, das aus zahlreichen einzelnen Lymphknoten in der Schleimhaut besteht.

Weiter in den Dickdarm

Der nun folgende Dickdarm entzieht dem Speisebrei weiter Wasser. Außerdem ist er Lebensraum von vielen Bakterien- und Pilzarten sowie anderen Einzellern und auch Viren, die wir auch als Darmflora oder besser als Darmmikrobiota oder Darmmikrobiom bezeichnen. Diese Mikroorganismen helfen unter anderem bei der Verdauung und unterstützen uns bei der Abwehr von Infektionen.

Flora oder Mikrobiota?
Der Begriff Darmflora stammt aus einer Zeit, als man nur zwischen Pflanzen- und Tierreich unterschied. Er ist also überholt. Die Begriffe Mikrobiota und Mikrobiom berücksichtigen auch andere Einzeller, Viren und Pilze.

Der unterste Teil des Dickdarms, der Mastdarm, dient zur Speicherung von Kot und wird durch den After verschlossen.

Beschwerden des Magen-Darm-Trakts

Hier finden Sie einen Überblick über typische Beschwerden des Magen-Darm-Trakts und ihre leitliniengerechte Therapie.

Sodbrennen und Reflux

Ein häufig in der Apotheke vorkommendes Problem ist Sodbrennen. Die Beschwerden entstehen durch den Rückfluss von saurem Mageninhalt in die Speiseröhre, weil der Ösophagussphinkter nicht ganz dicht schließt. Man bezeichnet das auch als Reflux. Oft tritt ein Reflux nach fettem, reichhaltigem oder scharf gewürztem Essen, nach dem Konsum von süßen Speisen, Alkohol oder Kaffee auf. Er kann sich auch durch

  • Völlegefühl,
  • saures Aufstoßen,
  • Hustenreiz oder
  • Magendruck

bemerkbar machen.

Man kann ihn in der Selbstmedikation gut behandeln. Mittel der ersten Wahl stellen hier die Antazida dar. Sie bestehen aus Stoffen, die die überschüssige Magensäure binden oder abpuffern und schnell, aber nur kurz wirken.

Das früher häufig eingesetzte Natriumhydrogencarbonat gilt heute als veraltet. Es führt zwar zu einer schnellen Neutralisation der Magenäure, löst aber als Folge eine vermehrte Sekretion neuer Magensäure (Säure-Rebound) aus. Moderne Schichtgitterantazida, wie Magaldrat oder Hydrotalcid, binden ebenfalls die Säure, verhindern jedoch, dass der pH-Wert zu sehr nach oben schnellt und sollen daher keinen Säure-Rebound bewirken.

Antazida werden als Kautablette oder Suspension angeboten. Wichtig ist in jedem Fall die große Oberfläche, sodass der Wirkstoff die Magen- und Speiseröhrenwand gut auskleidet.

Bei häufigeren Beschwerden kann ein Protonenpumpenhemmer empfohlen werden. Die Wirkstoffe Omeprazol und Pantoprazol sind für eine Kurzzeitanwendung ohne Rezept erhältlich. Sie hemmen in den Belegzellen des Magens die Salzsäureausschüttung.

Bei Sodbrennen gilt: Wenn die Beschwerden sich nicht bessern oder wiederholt auftreten, ist ein Arztbesuch ratsam. Unbehandelt kann Sodbrennen die Speiseröhre schädigen, was das Risiko für Speiseröhrenkrebs erhöht. Es muss unbedingt therapiert werden.

Magenschleimhautentzündung und Magengeschwür

Zu viel Magensäure kann zu einer Entzündung der Magenschleimhaut führen, einer sogenannten Gastritis. Diese äußert sich in Magenschmerzen, Übelkeit und Appetitlosigkeit. Dahinter steckt ein Ungleichgewicht zwischen Säure und Säureschutzmechanismen im Magen.

Eine akute Gastritis kann ausgelöst werden durch

  • Arzneistoffe wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), aber auch durch
  • Alkohol,
  • Kaffee oder
  • Nikotin.
  • Bakterien und Viren kommen ebenfalls als Ursachen in Betracht.

Helfen können hier Antazida oder Protonenpumpenhemmer, die den Säuregehalt kurzfristig absenken und die Entzündung rasch abklingen lassen. Auch pflanzliche Arzneimittel, beispielsweise

  • die Kombination der Extrakte aus Bitterer Schleifenblume, Kamillenblüten, Angelikawurzel, Kümmelfrüchten, Mariendistelfrüchten, Melissen- und Pfefferminzblättern sowie Süßholzwurzel
  • oder die Kombination der Extrakte aus Angelikawurzel, Benediktenkraut und Pfefferminzblättern,
  • aber auch die Kombination von Pfefferminz- und Kümmelöl können empfohlen werden.

Sie wirken krampflösend und entspannend auf die Muskulatur. Am besten unterstützt man den Magen mit leicht verdaulicher Schonkost in kleinen Portionen und verzichtet auf zu viel Fett, Zucker und auch auf Rohkost. Meist heilen die Beschwerden folgenlos ab. Tun sie das nicht innerhalb von wenigen Tagen, sollte der Kunde zum Arzt gehen.

Eine chronische Gastritis ist deshalb tückisch, weil sie nicht immer eindeutige Beschwerden verursacht. Sie kann die Schleimhaut schädigen und wird oft ausgelöst durch ein Bakterium namens Helicobacter pylori. Dieser Keim kann zu offenen Geschwüren führen, die bluten und sogar den Magen durchbrechen können. Außerdem steigt das Krebsrisiko.

Die Infektion muss vom Arzt behandelt werden, und zwar mit einer sogenannten Eradikationstherapie. Während die alte Leitlinie die Tripeltherapie aus drei Arzneistoffen (einem hochdosierten PPI sowie zwei der drei Antibiotika Clarithromycin, Metronidazol und Amoxicillin) vorsah, bevorzugt die im Jahr 2022 überarbeitete Leitlinie die Bismut-Quadrupel-Therapie. Sie besteht aus der Gabe eines PPI (Omeprazol), einem Tetrazyklin, Metronidazol und Bismut.

Übelkeit und Erbrechen

Sie können verschiedene Ursachen haben. Oft steckt eine Magenschleimhautentzündung dahinter, aber auch Infekte sind häufig. Das Antihistaminikum Dimenhydrinat wirkt zuverlässig, indem es das Brechzentrum im Gehirn beeinflusst. Die Substanz kann als Zäpfchen, Saft oder Tabletten nach Körpergewicht dosiert werden.

Aufpassen sollte man bei Babys und Kleinkindern, hier lieber einen Kinderarzt befragen. Erbrechen kann starken Salz- und Wasserverlust verursachen, die Kleinen und auch ältere Menschen trocknen schnell aus. Elektrolytmischungen, die in Wasser aufgelöst werden  können das verhindern. Bei Fieber oder einer Dauer der Beschwerden über mehrere Tage sollte auch bei Erwachsenen ein Arzt aufgesucht werden.

Durchfall

Das Auftreten von mehr als drei dünnflüssigen Stühlen pro Tag entsteht, wenn die Dünndarmschleimhaut gereizt wird. Die Darmbewegungen sind gesteigert, Wasser kann nicht mehr rückresorbiert werden und wird als dünnflüssiger Stuhl ausgeschieden. Krampfartige Bauchschmerzen können auftreten.

Die häufigste Ursache sind Viren oder Bakterien, deren Giftstoffe die Schleimhaut angreifen. Krampfartige Schmerzen lassen sich gut mit Butylscopolamin behandeln, auch Wärme kann helfen.

Die häufig nachgefragte Substanz Loperamid lähmt die Muskulatur des Darms und sorgt so für längere Verweildauer des Inhaltes, was die Rückresorption von Wasser verbessert. Die Beschwerden lassen rasch nach. Bei Fieber oder Blut im Stuhl sollte man den Wirkstoff nicht einsetzen, denn durch die verminderte Ausscheidung könnten sich Keime breitmachen und zu schweren Infektionen führen.

Der Wirkstoff Racecadotril ist für Erwachsene ab 18 Jahre für die Selbstmedikation bei Durchfall zugelassen. Racecadotril ist ein Prodrug. Sein aktiver Metabolit Thiorphan hemmt die Wasser- und Elektrolytausscheidung, ohne die Darmperistaltik einzuschränken.

Auch bei Durchfall nach Antibiotika-Einnahme ist Vorsicht geboten: Ein Keim namens Clostridium difficile nutzt das durch das Antibiotikum geschwächte Darmmikrobiom aus und siedelt sich an. Solche Fälle gehören immer in ärztliche Behandlung! Auch Babys und Kleinkinder sollte man dem Arzt vorstellen wegen der Austrocknungsgefahr. Elektrolytmischungen sind bei Durchfall immer empfehlenswert.

Bessert sich ein Durchfall nicht innerhalb von zwei Tagen oder kommt Fieber oder Blut im Stuhl dazu, ist ein Arztbesuch nötig. Manche Keime erfordern eine Antibiotikatherapie.

Chronische Durchfälle können auftreten bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa. Beide gehören unbedingt in ärztliche Behandlung.

Verstopfung

Sie ist meist eher lästig als gefährlich. Fachleute sprechen dann von einer chronischen Verstopfung, wenn weniger als drei Stühle in der Woche abgesetzt werden beziehungsweise starke Beschwerden wie Schmerzen oder unvollständige Entleerung auftreten.

Mittel der Wahl ist Macrogol, eine Substanz, die Wasser im Darm bindet und so die Stuhlkonsistenz verbessert. Auch Lactulose hat eine ähnliche Wirkung. Beide Substanzen können und sollen dauerhaft angewendet werden. Flohsamenschalen, in Wasser suspendiert oder in Speisen gestreut, enthalten viele Ballaststoffe, die aufquellen und die Stuhlmenge erhöhen.

Hilft das alles nicht oder tritt die Verstopfung nur kurzfristig auf, sind Mikroklistiere oder Zäpfchen eine Option, die den Stuhl im Mastdarm aufweichen und zudem mechanisch einen Defäkationsreiz auslösen.

Auch chemische Substanzen wie Bisacodyl fördern die Bewegung des Darms und wirken innerhalb einiger Stunden abführend. Sennesblätter oder Rizinusöl dagegen haben eine schlecht berechenbare, drastische Wirkung und eignen sich weniger.

Treten starke Bauchschmerzen, Fieber oder Erbrechen auf, kann ein Darmverschluss vorliegen. Dies ist ein medizinischer Notfall!

Bauchschmerzenund Blähungen

Diese beiden unangenehmen Erscheinungen sind häufig ein Begleitsymptom anderer Erkrankungen. Krampflösende Stoffe wie Butylscopolamin oder die oben genannten pflanzlichen Kombinationen sind hier gut geeignet.

Akute, plötzlich auftretende Bauchschmerzen, die rasch stärker werden oder den ganzen Bauchraum betreffen, sind ein Notfall!
Möglicherweise kann eine Blinddarmentzündung dahinterstecken. Aber auch ein Leistenbruch, eine Bauchspeicheldrüsenentzündung, innere Blutungen oder Bauchfellentzündungen, sogar Herzinfarkte können starke Bauchschmerzen auslösen.

Blähungen sind gelegentlich auch ein Grund für Bauchschmerzen, aber meistens harmlos. Sie entstehen durch Luft im Bauch. Manche Speisen wie Kohl, Zwiebeln oder Hülsenfrüchte können die Ursache sein, aber auch Unverträglichkeiten wie Lactose- oder Fructoseintoleranz. Meist hilft ein Entschäumer wie Simethicon, der die Gasbläschen zerstört und so die Beschwerden lindert. Säuglingen hilft oft eine Massage des Bäuchleins oder Zäpfchen mit Kümmelöl, um die durch den Aufbau des Darmmikrobioms entstehenden Dreimonatskoliken zu lindern.

Reizdarmsyndrom

Als Reizdarm bezeichnet man länger als drei Wochen andauernde Beschwerden wie Durchfall, Blähungen und Bauchschmerzen, bei denen der Arzt keine organische Ursache feststellen kann. Auch Verstopfung kann auftreten. Betroffene leiden oft stark unter den Einschränkungen im Alltag.

Studien zeigen, dass Störungen des Darmmikrobioms bei Reizdarmsyndrom häufig sind. Neben der Behandlung der jeweiligen Symptome kann ein Aufbau mit Probiotika sinnvoll sein. Auch niedrig dosierte Antidepressiva haben in Studien gute Ergebnisse erzielt, was nicht verwundert. Denn bei der Erkrankung spielt die Psyche eine große Rolle, die Beschwerden verstärken sich oft bei Kummer, Stress oder Angst.

Auch beim Reizmagen, der hier der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt sei, handelt es sich um eine Ausschlussdiagnose. Die Symptome wie Magenschmerzen und Übelkeit werden nach Ausschluss organischer Ursachen gezielt behandelt. Hier vermuten Forscher als Ursache eine erhöhte Reizempfindlichkeit des vegetativen Nervensystems.

Selbstmedikation oder Arzt?

Generell gilt: Bei Säuglingen oder Kleinkindern sowie bei Beschwerden, die über mehrere Tage anhalten, bei Fieber, Blut im Stuhl oder starken Schmerzen sollte immer ein Arzt zu Rate gezogen werden. Die meisten leichteren Beschwerden lassen sich gut in der Selbstmedikation behandeln. Sie können sehr lästig sein und die Kunden wünschen sich schnelle Hilfe. Denn wie schon Oma sagte: Verdauung ist am besten, wenn man sie nicht merkt.

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