Ein Mann mit Übergewicht blickt direkt in die Kamera. Sein Gesichtsausdruck ist genervt.© Grigorev_Vladimir/iStock/Getty Images Plus
Ein unsensibles Gespräch über eine Gewichtsreduktion verärgert oder verletzt Ihre Kund*innen nur – Sie helfen ihnen damit nicht.

Adipositas

GEWICHTSREDUKTION: SO KLAPPT DIE KOMMUNIKATION IN DER APOTHEKE

Von Adipositas Betroffene empfinden Gespräche über eine Gewichtsreduktion oft als übergriffig. Wie können Sie in der Apotheke dennoch konstruktiv beraten? Respekt und Verständnis sind die Schlüssel zur sensiblen Kommunikation, zeigt eine aktuelle Studie. Wie das konkret gelingt.

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Studien zeigen, dass sowohl Heilberufler*innen als auch Betroffene Adipositas und eine Gewichtsreduktion vor allem im Kontext anderer medizinischer Fragen ansprechen. Verursacht es keine Beschwerden, kommt ein hohes Gewicht selten zur Sprache. Es ist also nicht selbstverständlich, dass Kund*innen es von sich aus thematisieren. Sie als PTA belohnen den Mut derjenigen, die das doch tun, indem sie das Gespräch sensibel und frei von Vorurteilen führen.

Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass respektvolle und positive Formulierungen eher angenommen werden. Wie sieht ein solches Gespräch über eine Gewichtsreduktion praktisch aus?

Studie zur Kommunikation über eine Gewichtsreduktion

Ein Team der Universität Oxford hat sich damit beschäftigt, wie die Kommunikation über eine Gewichtsreduktion zwischen Betroffenen und Heilberufler*innen funktionieren kann. Die Forschenden um die medizinische Anthropologin Dr. Charlotte Albury werteten dazu fast 240 Gespräche aus.

Sie fanden heraus: Das Gespräch sollte man sanft beginnen, damit es positiv aufgefasst wird. Die Kommunikation sollte respektvoll und empathisch sein. Dazu ist es wichtig, sich daran zu erinnern, dass die Betroffenen keine Schuld an ihrer Erkrankung haben. Adipositas und ihre Ursachen sind komplex. Nur, wer sich das bewusst macht, kann wertfrei beraten.

Richtig in das Gespräch über die Gewichtsreduktion einsteigen

Empfehlenswert ist, dass Sie ruhig und langsam sprechen. Ein guter Einstieg in ein Gespräch über eine Gewichtsreduktion ist es, das Thema anzukündigen und gleichzeitig Verständnis zu suggerieren. Etwa „Ich weiß, dass das Thema unangenehm sein kann“ oder „Das Gespräch könnte etwas unangenehm werden“.

Nehmen Sie es hin, wenn Ihre Kund*innen in diesem Moment kein Gespräch über eine Gewichtsreduktion führen möchten. Wenn Sie versuchen, Adipositas-Betroffene dazu zu überreden, frustrieren, verärgern oder verletzen Sie sie bloß.

Je persönlicher Sie Ihre Kommunikation auf Ihre Kund*innen zuschneiden, umso eher können Sie über eine Gewichtsreduktion sprechen. Ein guter Einstieg ins Gespräch ist es daher auch, sich auf bereits erwähnte Beschwerden zu beziehen. Das können Sie beispielsweise formulieren als „Wir haben gerade über Ihre Knieprobleme gesprochen. Auch eine Gewichtsreduktion könnte Ihre Schmerzen lindern“.

Positive und konkrete Tipps bei Adipositas geben

Sie stoßen mit Belohnungen eher auf offene Ohren als mit Warnungen. In Ihrer Kommunikation sollte es also um die positiven Effekte einer Gewichtsreduktion gehen, nicht um drohende Folgeerkrankungen, etwa „Schon zwei oder drei Kilo weniger reduzieren den Druck auf den Magen enorm.“ Ein ermutigender statt tadelnder Tonfall ist dabei entscheidend.

Wenn Sie Ihren Kund*innen zur Gewichtsreduktion unspezifisch empfehlen, sich zuckerarm zu ernähren und mehr zu bewegen, bringt sie das nicht weiter. Diese allgemeinen Ratschläge sind hinlänglich bekannt – Sie unterstellen damit bloß eine schlechte Bildung. Eine solche Kommunikation berücksichtigt auch nicht, was die Betroffenen eventuell schon selbst unternommen haben und ob sie damit Erfolg hatten.

Besser: konkrete Therapieoptionen zur Gewichtsreduktion vorschlagen. Empfehlen Sie ein bestimmtes Behandlungsprogramm oder raten Sie dazu, eine*n Diabetolog*in auf ein Arzneimittel anzusprechen. Betonen Sie die Vorteile dieser Maßnahmen gegenüber einer eigenständigen Gewichtsreduktion. Achten Sie auch hierbei auf eine positive Kommunikation.

Gesprächsstil motiviert zur Gewichtsreduktion

Forschende der Universität Göttingen haben bereits 2018 und 2019 Personen befragt, die am Programm zur Gewichtsreduktion einer Adipositas-Ambulanz teilnahmen. Dabei zeigte sich:

  • Am stärksten erwünscht sind konkrete Empfehlungen und die Motivation zur Eigeninitiative.
  • Am meisten erhalten hatten die Proband*innen jedoch allgemeine Empfehlungen, die ihnen nicht weiterhalfen.
  • Schlecht weg kamen auch hierbei Warnungen vor negativen Konsequenzen des hohen Gewichts, außerdem kumpelhafte Ansprachen und Umschreibungen, also das vorsichtige Verpacken in indirekte Aussagen.
  • Wichtig war generell, dass die Ärzt*innen nicht von oben herab mit ihren Patient*innen sprachen.

Um den Vorstellungen der Adipositas-Betroffenen von einer guten Kommunikation entgegenzukommen, empfehlen die Studienautor*innen eine Technik der Kommunikation namens Motivational Interviewing. Sie ist bereits in der Tabakentwöhnung etabliert.

Motivational Interviewing

Dieser Gesprächsstil arbeitet vorhandene Motivationen heraus und stärkt diese. Grob gesagt stellt man dazu Fragen, hört den Antworten aktiv zu und formuliert dann konkretisierende Rückfragen. Das hilft auch, Barrieren zu entdecken, die einer Gewichtsreduktion im Weg stehen. Welche Ideen hat Ihr Gegenüber selbst, um diese Hürden zu überwinden? Welche Unterstützung ist dabei nötig?

Am Ende des Motivational Interviews steht ein persönliches Ziel (konkreter als allgemein die Gewichtsreduktion). Das kann sehr individuell sein, beispielsweise bestimmte Unternehmungen mit den Kindern oder Enkeln oder Achterbahn fahren zu können.

Die richtige Wortwahl

Auch eine angemessene Wortwahl ist im Gespräch über eine Gewichtsreduktion wichtig. Gerade weil Vorurteile so weit verbreitet sind, spiegeln sie sich auch im Sprachgebrauch. Was wir im Alltag sagen, in den Medien lesen oder auch einige medizinische Fachbegriffe wirken auf viele von Adipositas Betroffene abschreckend. Das kann einer konstruktiven Kommunikation im Weg stehen. Die Deutsche Adipositas Gesellschaft empfiehlt unter anderem:

(Eher) angemessen (Eher) unangemessen
Adipositas, Übergewicht, hohes/viel Gewicht, XXL-Gewicht, Plus Size Fettsucht, morbides Übergewicht
Adipositas/Übergewicht haben, einen erhöhten BMI haben, von Adipositas betroffen sein adipös/übergewichtig/schwergewichtig/fettleibig sein, an Adipositas leiden
(zu) hohes/viel Gewicht haben, dick sein pummelig/mollig/kurvig/vollschlank/stark gebaut sein
essen, zu sich nehmen, verzehren, konsumieren, aufnehmen, sich ernähren fressen
körperlich inaktiv, mangelnde Bewegung, untrainiert, bewegungsungewohnt faul, bequem

Wenn Sie sich im Gespräch über eine Gewichtsreduktion unsicher sind, können Sie sich immer hinterfragen: Würde ich so auch über eine Erkrankung wie Asthma oder Typ-1-Diabetes sprechen, bei der mir ja bewusst ist, dass sie nicht selbstverschuldet ist?

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Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/bitte-kein-fauxpas-in-der-adipositas-beratung-153066/
Albury C, Tremblett M, Aveyard P.: “Patient-Clinician Communication About Weight Loss”, JAMA, 3. Februar 2025. https://doi.org/10.1001/jama.2024.27850   https://jamanetwork.com/journals/jama/article-abstract/2829853
Hansen, S.L., Bammel, H., Lübeck, N. et al.: „Kommunikationspräfenzen im Kontext von Adipositas“, Springer Nature Prävention und Gesundheitsförderung, 17. April 2020. https://doi.org/10.1007/s11553-020-00774-0
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Puhl RM, Himmelstein MS: „Adolescent preferences for weight terminology used by health care providers”, Pediatric Obesity, 24. März 2018. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/ijpo.12275
“People-First Language for Obesity”, Obesity Action Coalition
Volger S, Vetter ML, Dougherty M, Panigrahi E, Egner R, Webb V, Thomas JG, Sarwer DB, Wadden TA: “Patients' preferred terms for describing their excess weight: discussing obesity in clinical practice”, Obesity (Silver Spring), 14. Juli 2011, https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21760637/
„Medienleitfaden Adipositas”, Deutsche Adipositas Gesellschaft, Universitätsmedizin Leipzig

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