verschiedene Tröpfchengrößen auf grünem Hintergrund© Moussa81 / iStock / Getty Images Plus
Öl in Wasser Emulsion: Öltröpfchen in der äußeren Wasserphase dispergiert.

Rezeptur – Mischen possible

EMULSIONEN - RÜHREN BIS ES KNACKT

Eine der besten Erfindungen in der Rezeptur sind wohl, neben der elektronischen Analysen- und Feinwaage, die voll- oder halbautomatischen Rührsysteme wie Topitec® oder Unguator®-Flügelrührer. Sie nehmen viel Arbeit ab und das Endprodukt ist perfekt, vorausgesetzt die Vorarbeit war sorgfältig (Plausibilitätsprüfung!).

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Wir sehen bei diesen geschlossenen Systemen nicht mehr was passiert und wir hören auch nichts außer dem Gerätegeräusch. Aus diesem Grund ist es nicht schlecht, ab und zu das „alte Handwerkzeug“, zu bemühen: Fantaschale und Pistill. Bei den erwähnten „geschlossenen Systemen“ werden Salbengrundlage und Wirkstoffe im sogenannten „Sandwich-Verfahren“ eingewogen. Dies bedeutet: In entsprechende Gefäße, die dann direkt als Abgabegefäße dienen, werden abwechselnd Salbengrundlage und Wirkstoffe eingewogen, mit entsprechendem Aufsatz versehen und in das Rührsystem eingesetzt. Dadurch ist kein Beobachten der Zubereitung während des Verarbeitungsprozesses möglich. Erst nach Beendigen des Programmes kann die Kruke geöffnet und das Endprodukt eingesehen werden. 

Es gibt viele Rezepturen, bei denen emulgiert wird, sei es die Einarbeitung einer Wasserphase in eine ölige Grundlage, oder andersherum, oder die Kombination zweier Grundlagen. Ist ausreichend emulgiert, haben sich also die beiden Phasen optimal mit einander verbunden, gibt es ein ganz charakteristisches Knacken beim Rühren. Dieses hört man aber eben nur, wenn die Rezeptur manuell gerührt wird. Bis dieses Optimum erreicht ist, kann es durchaus ein paar Minuten dauern und man stellt fest: Das ist Arbeit.
 

Praktikantenarbeit

Ein gutes Beispiel hierfür ist folgende Rezeptur, die wir auch gerne mal von Praktikanten zubereiten lassen, denn sie eignet sich gut zum Beobachten.
Die Zusammensetzung ist wie folgt:

  • Zitronensäure, wasserfreie 0,075 Gramm (g)
  • Wasser, gereinigtes 14,925g
  • Glycerin 85 % 7,5g
  • Unguentum Cordes® zu 50,0g

Die Herstellung

Zu Beginn wird die Zitronensäure in ein tariertes Becherglas eingewogen und das leicht erwärmte Wasser zugeführt. Unter Rühren wird die Zitronensäure gelöst. 

In eine tarierte Fantaschale mit Pistill wird Glycerin 85 Prozent eingewogen und der Inhalt des Becherglases zugegeben. Nun wird so lange gerührt, bis eine wässrige Lösung vorliegt, auf deren Oberseite kleine Glycerin-Tröpfchen sichtbar sind.  Anteilig wird nun die fettige Salbe zugeführt. Auffällig ist, dass sich scheinbar erst das Glycerin mit der Grundlage verbindet und die Salbe in einem kleinen wässrigen „See“ zu schwimmen scheint. 
 

Kneten und Rühren

Jetzt beginnt der eigentliche Prozess des Emulgierens. Man kann nun wild in der Fantaschale herumrühren, mit der Gefahr, dass Wasser herausspritzt, oder man „knetet“ es ein. Dafür wird die Salbe mehr in das Wasser gedrückt als gerührt. Immer von der Mitte nach außen und allmählich stellt man eine Veränderung fest: Die ehemals transparente Salbe beginnt milchig-opak zu werden, das Wasser lagert sich in die Struktur der Salbe ein. 

Nach einer gewissen Zeit ist auf diese Weise die wässrige Phase eingearbeitet, aber man darf jetzt nicht aufhören. Ab diesem Zeitpunkt muss gerührt werden, bis eben jenes Knacken zu hören ist, das sogenannte Emulsions-Knacken.  Zusätzlich findet noch eine optische Veränderung statt: Hat sich die Oberfläche von einem matt-weiß-opaken zu einem glänzend-weiß-opaken Aussehen verändert, kann abgefüllt werden. Das Ganze hat tatsächlich gute 20 Minuten gedauert. Der Topitec® schafft das in drei Minuten dreißig Sekunden (Rührparameter für weiche Creme 50g).
 

Wo ist der Emulgator?

Aber warum ist das Ganze jetzt stabil, wird für so etwas nicht der Zusatz eines Emulgators gebraucht? Schließlich liegen hier doch zwei Phasen vor, die nicht mischbar sind und doch sind sie nun stabil. Nein, das Glycerol ist kein Emulgator. Es ist ein dreiwertiger Alkohol, der an jedem seiner drei Kohlenstoffatome eine OH-Gruppe trägt. Das macht ihn sehr hydrophil. Vielleicht denken Sie jetzt an Mono- und Diglyceride, die aber doch Emulgator-Eigenschaften haben. Richtig! Bei ihnen sind eine oder zwei der OH-Gruppen mit jeweils einer Fettsäure verestert, sodass sie auch einen lipophilen Teil haben. Sie sind amphi- oder ambiphil und können sich an der Grenzfläche zwischen Öl und Wasser anlagern, mit dem hydrophilen Teil, also den freien OH-Gruppen in die Wasserphase eindringen und mit dem lipophilen Teil, also den Fettsäureresten in die Ölphase eindringen. So werden die beiden Phasen stabilisiert. Später mehr! 

Hier haben wir es aber nur mit Glycerin zu tun. Der eigentliche Hauptakteur ist die Grundlage selbst, denn hier sind Emulgatoren enthalten. Unguentum Cordes® ist eine ambiphile, emulgierende Salbengrundlage. Sie hat eine pH-Wert von circa pH 6 und kann sowohl zur Herstellung eine O/W-wie auch W/O- Emulsion verwendet werden.
Das Geheimnis liegt in ihrer Zusammensetzung:

  • Weißes Vaselin
  • Dickflüssiges Paraffin
  • Macrogolstearat 400
  • Glycerolmonostearat 40-55
  • Sorbitolmonostearat

Emulgator oder Tensid - nur einer hält

Aber was ist jetzt genau ein Emulgator, welche gibt es und welche davon benutzen wir in der Rezeptur? Greifbarer wird es mit dem Begriff „Tensid“, das kennen wir. Mit Sicherheit denken jetzt viele an Seife und das ist auch richtig, denn auch sie emulgiert. Der lipophile Schmutz wird von der Haut oder den Textilien gelöst und kann vom Wasser wegtransportiert werden. Im täglichen Leben begegnen uns auch sonst andauernd Emulsionen, die bekanntesten sind vielleicht Mayonnaise und Milch.

Man kann sagen, ein Emulgator/Tensid ist ein Mediator, ein Vermittler zwischen einer öligen und einer wässrigen Phase. Tensid wird automatisch mit waschaktiver Substanz gleichgesetzt, es soll sauber machen; ein Emulgator soll verbinden
 

Funktionsweise

Je feiner verteilt die innere Phase vorliegt, umso größer ist ihre Oberfläche. Da sich aber Öl und Wasser nicht freiwillig miteinander mischen, muss man entweder Energie hineinstecken, um die Oberflächenspannung herabzusetzen oder einen Emulgator einsetzen. Energie hineinstecken kann man durch Rühren oder Schütteln oder beim Händewaschen durch das Reiben der Hände aneinander. Schüttelt man eine Wasser-Öl-Mischung, dass bildet sich eine Emulsion. Stabil ist sie aber ohne Emulgator dauerhaft nicht, schon nach kurzer Zeit rahmt sie auf. Das heißt, die Phasen trennen sich und die ölige Phase schwimmt obenauf. 

Optisch werden Emulgatoren häufig wie ein Streichholz dargestellt: ein kleines rundes Köpfchen, meistens blau und ein Stiel, meistens gelb eingefärbt. Dies soll helfen anzuzeigen, in welcher Phase sich der jeweilige Teil des Emulgators löst: Gelb ist der lipophile (fettliebende) und blau der hydrophile (wasserliebende) Teil. 

Mischt man nun Öl, Wasser und Emulgator, dann lagert sich der Emulgator an der Grenzfläche so an, dass, wie oben beschrieben, der lipophile Teil in die Ölphase ragt und der hydrophile Teil in die Wasserphase. Was nun entsteht, eine O/W- oder eine W/O-Emulsion, hängt in erster Linie vom verwendeten Emulgator ab. Ionische Emulgatoren bilden immer O/-Emulsionen. Für nichtionische Emulgatoren kann man generell sagen, dass die Größe des lipophilen beziehungsweise hydrophilen Teils des Emulgatormoleküls entscheidend ist. Der größere Teil findet nämlich nur in der äußeren Phase ausreichend Platz. Das Mengenverhältnis der beiden Phasen und die Herstellungstechnik spielen nur eine untergeordnete Rolle. 
 

Die zwei Großen

Die Emulgatoren, die in der Rezeptur genutzt werden, lassen sich in zwei Gruppen eingeteilt: anionische und nichtionische. Aber nicht alle sind noch relevant. Es gibt auch kationische Emulgatoren, die finden wir aber eher als Konservierungsmittel.  Die Emulgatoren in der Rezeptur haben unterschiedliche Aggregatzustände, die einen sind bei Raumtemperatur flüssig bis ölig, andere liegen als Pulver oder Schuppen vor und wieder andere werden in Plätzchen geliefert (nicht zum Essen, natürlich).

Anionische Emulgatoren

  • Emulgierender Cetylstearylalkohol Typ A (O/W), auch Lanette® N genannt; und Typ B (O/W)
  • Emulgierendes Glycerolmonostearat (O/W)
  • Natriumcetylstearylsulfat (O/W), auch Lanette® E genannt
  • Natriumlaurylsulfat (O/W)
  • Natriumlaurylsulfonat (O/W)
  • Natriumpalmitat (O/W)
  • Natriumstearat (O/W)

Die Liste der nichtionischen Emulgatoren ist deutlich länger und wahrscheinlich etwas bekannter:

  • Cetylalkohol (W/O)
  • Cetylstearylalkohol (W/O)
  • Cholesterol (W/O)
  • Glycerolmonostearat (W/O)
  • Glycerolmonostearat 40-50 und -60 (W/O)
  • Macrogol-20-glycerolhydroxystearat (O/W)
  • Macrogol-40-glycerolmonosterat (O/W)
  • Macrogollaurylether (O/W), synonym für Polidocanol
  • Macrogolstearat (O/W)
  • Nichtionische emulgierende Alkohole (O/W)
  • Poloxamer (O/W)
  • Macrogolsorbitanfettsäureester (O/W), oder auch Polysorbate beziehungsweise Tween® genannt (Tween® 20 wird zur Herstellung erythromycinhaltiger Cremes verwendet)
  • Sorbitanmonolaurat (W/O)
  • Sorbitanmonooleat (W/O)
  • Triglyceroldiisostearat (W/O)
  • Wollwachs (W/O)
  • Wollwachsalkohole (W/O)

 

Nicht immer müssen Emulgatoren Rezepturen extra beigefügt werden, meistens sind sie schon in den jeweiligen Salbengrundlagen enthalten, zum Beispiel in der Wollwachsalkoholcreme oder -salbe, der hydrophilen Salbe DAB oder auch in der anionischen hydrophilen Creme DAB. 
Die meisten Emulgatoren werden erst dann wieder interessant, wenn wir Salbengrundlagen selbst herstellen, weil sie aus irgendwelchen Gründen nicht über den Großhandel zu beziehen sind. Ob wir sonst der großen Menge an Rezepturen Herr werden würden? Dies ist wohl zu bezweifeln, hoffentlich kommt es nicht auch hier irgendwann zu länger andauernden Lieferengpässen.

Quellen:
​​​​​​​https://apothekenwiki.com/enzyklopaedie/unguentum-cordes/
https://www.wisch-star.de/Was-sind-Tenside
https://flexikon.doccheck.com/de/Emulgierender_Cetylstearylalkohol
https://de.wikipedia.org/wiki/Cetylstearylalkohol
https://flexikon.doccheck.com/de/Polidocanol
https://www.chemie.schule/WP/wp02-Haut-Koerperpflege/wp02-tex/wirkung_emulgator.htm#:~:text=In%20der%20Struktur%20des%20Glycerins,sogar%20nur%20eine%20Fetts%C3%A4ure%20binden!
Plausibilitäts-Check Rezeptur gemäß §7 ApBetrO, Andreas S. Ziegler
 

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