Jemand verarbeitet ein tiefrotes Pulver mit Mörser und Pistill und trägt dabei Schutzhandschuhe. Neben dem Mörser stehen mehrere Gefäße mit homogenen Pulvern in unterschiedlichen Rosatönen sowie ein Gefäß mit Kapseln, die mit rosa Pulver gefüllt sind.© venusphoto/iStock/Getty Images Plus
Bei farbigen Rezepturbestandteilen bekommt man auch optisch einen Eindruck, ob ein Pulver homogen gemischt ist.

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HERSTELLUNG VON PULVERN IN DER APOTHEKE: VERFAHREN, VORTEILE, BESONDERHEITEN

Präzision ist gefragt. Pulver und Puder sind fester Bestandteil der Rezeptur, doch ihre Herstellung birgt Tücken. Wie lassen sich Partikelgröße und Dosierung bei der Herstellung in der Apotheke exakt steuern? Welche Siebe sind nach DAC/NRF vorgeschrieben? Und welche Fehler können fatale Folgen haben?

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Die Herstellung von Pulvern in der Apotheke ist ein essenzieller Bestandteil der pharmazeutischen Rezeptur. Pulver und Puder sind feste, trockene Arzneiformen, die sowohl zur oralen Einnahme als auch zur äußerlichen Anwendung genutzt werden. Diese pharmazeutischen Pulver bieten eine hohe Stabilität, ermöglichen eine individuelle Dosierung und sind für viele Kundengruppen geeignet.

Doch wie genau erfolgt die Pulverherstellung in der Apotheke? Welche Siebverfahren für Pulver sind notwendig, und welche Probleme können auftreten? Dieser Artikel gibt Ihnen eine detaillierte Anleitung zu den wichtigsten Herstellungsschritten, zur Auswahl der richtigen Siebmethoden und zur Optimierung der Rezeptur.

Vorteile der pharmazeutischen Pulverherstellung

Die Pulverherstellung in der Apotheke hat mehrere Vorteile gegenüber flüssigen Zubereitungen:

  • Stabilität: Pulver zur Einnahme enthalten kein Wasser und sind daher länger haltbar als Lösungen oder Suspensionen. Sie eignen sich daher auch besonders gut zur Mitnahme in den Urlaub.
  • Individuelle Dosierung: Besonders für Kinder oder Menschen mit Schluckbeschwerden sind Pulver eine Alternative zu Tabletten. Oft werden sie in Hartgelatinekapseln gefüllt, die geöffnet werden, um den Inhalt in Flüssigkeiten oder Brei eingerührt einzunehmen.
  • Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten: Pulver können oral eingenommen oder bei oberflächlichen Dermatitiden auf die Haut aufgebracht werden.
  • Keine Konservierungsmittel: Da kein Wasser enthalten ist, sind Konservierungsstoffe überflüssig – ein klarer Vorteil bei Unverträglichkeiten und auch aus ökologischen Gesichtspunkten.

Arten von Pulvern in der Apotheke

Neben dem Anwendungsort, also oral oder dermal, unterteilen wir Pulver auch in abgeteilt und nicht abgeteilt.

Nicht abgeteilte Pulver – Mehrdosenbehältnisse für eine flexible Dosierung

Nicht abgeteilte Pulver werden in Mehrdosenbehältnissen wie Schraubdeckeldosen abgefüllt und mithilfe eines Dosierlöffels oder -bechers verabreicht. Diese Form eignet sich für Arzneimittel mit einer großen therapeutischen Breite, wie Lactose- oder Ascorbinsäurepulver. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Fließfähigkeit sowie die Volumeneinstellung bei Pulvern, um eine präzise Dosierung zu gewährleisten.

Abgeteilte Pulver – Einzeldosisbehältnisse für exakte Dosierungen

Abgeteilte Pulver werden in Einzeldosisbehältnisse abgefüllt, zum Beispiel in Pulverbriefchen oder Hartkapseln. Diese Darreichungsform garantiert eine präzise Dosierung und ist besonders für stark wirksame Medikamente mit geringer therapeutischer Breite geeignet. Sie werden häufig für pädiatrische Rezepturen genutzt oder für Personen mit Schluckbeschwerden angeboten.

Hier konzentrieren wir uns vorerst auf Pulver in Mehrdosenbehältnissen sowie Pulverbriefchen.

Herstellungsverfahren für Pulver – Von der Vermahlung bis zur Dosierung

Die Herstellung von Pulvern in der Apotheke erfolgt in mehreren Schritten.

1. Vermahlung und Verreibung – Einfluss auf Löslichkeit und Dosierung

Die Partikelgröße eines Pulvers beeinflusst die Löslichkeit und Dosiergenauigkeit. Um eine gleichmäßige Korngröße zu erzielen, wird eine Reibschale aus Porzellan mit Pistill verwendet. Dabei sollte die Reibschale beim Mahlvorgang nur zu etwa fünf Prozent ihres Nennvolumens befüllt werden. Nach der Vermahlung wird das Pulver durch ein Sieb mit definierter Maschenweite gegeben, um eine einheitliche Partikelverteilung zu gewährleisten.

2. Mischung und Homogenisierung – Methoden für gleichmäßige Pulvermischungen

Für eine homogene Mischung bei der Herstellung von Pulvern stehen verschiedene Methoden zur Verfügung:

  • Verreibungsmethode: Wirkstoffe und Hilfsstoffe werden in einer Reibschale intensiv miteinander verrieben.
  • Aufschaukelmethode: Kleinere Mengen eines Wirkstoffs werden schrittweise mit Hilfsstoffen vermischt.
  • Pulvermischdose: Eine runde Metalldose mit Kugeln, die das Pulver durch Bewegung homogenisiert, ohne es weiter zu zerkleinern.

3. Volumeneinstellung und Dosierung – Präzision in der Pulverherstellung

Pulver verändern ihr Volumen durch Lagerung und Transport. Daher erfolgt die Volumeneinstellung in Apotheken durch Verreibung und anschließende Messung mit einer Dosiervorrichtung.

Dabei wird nach der Pulverherstellung zunächst eine bestimmte Menge Pulver mit der Dosiervorrichtung entnommen und gewogen. Da sich das Pulver im Behältnis durch Verdichtung verändern kann, wird ein Verdichtungsfaktor von 1,1 berücksichtigt. Falls die gemessene Pulvermenge von der Soll-Dosis abweicht, erfolgt eine erneute Verreibung zur Volumenanpassung.

Durch mehrere Wägungen wird sichergestellt, dass die abgeteilten Pulverportionen der vorgeschriebenen Dosierung entsprechen. Erst wenn die Messungen konsistente Werte liefern, wird das Pulver final abgefüllt. Diese Methode gewährleistet eine exakte Dosierung und verhindert Schwankungen durch unterschiedliche Pulverdichten.

4. Siebverfahren für Pulver – Kontrolle der Partikelgrößen

Das DAC/NRF verwendet verschiedene Siebverfahren für Pulver, um eine einheitliche Partikelgröße sicherzustellen:

  • Sieb 180 (180 µm): für schnell freisetzende Pulver.
  • Sieb 250 (250 µm): für grobkörnige Pulver und Granulate
  • Sieb 125 (125 µm): für besonders feine Pulver mit hoher Gleichförmigkeit
  • Sieb 355 (355 µm): für größere Pulverbestandteile mit speziellen Fließeigenschaften

Die Auswahl des richtigen Siebverfahrens für Pulver beeinflusst die Löslichkeit, Dosiergenauigkeit und Fließfähigkeit.

Wichtige Arbeitsgeräte für die Pulverherstellung

Zur Pulverherstellung in der Apotheke sind folgende Arbeitsgeräte erforderlich:

  • Porzellanmörser mit Pistill zur Vermahlung
  • Analysenwaagen für präzises Abwiegen
  • Siebgeräte zur Partikelgrößenbestimmung
  • Pulverscheren und Dosierlöffel für Abfüllung und Dosierung
  • Pulvermischdosen für eine homogene Verteilung

Sicherheitsvorkehrungen bei der Pulverherstellung in Apotheken

Gemäß den Standards für die Rezepturherstellung sollten folgende Schutzmaßnahmen getroffen werden:

  • Schutzhandschuhe: Das Tragen geeigneter Einmalhandschuhe ist erforderlich, um Hautkontakt mit potenziell gefährlichen Substanzen zu vermeiden.​
  • Atemschutz: Ein geeigneter Atemschutz, wie z. B. eine FFP2-Maske, schützt vor dem Einatmen von Pulverpartikeln, insbesondere bei der Verarbeitung von Stoffen mit CMR-Eigenschaften (krebserzeugend, erbgutverändernd, fortpflanzungsgefährdend).
  • Schutzbrille: Das Tragen einer Schutzbrille verhindert, dass Pulverpartikel in die Augen gelangen.​

Zusätzlich sollten Arbeiten, bei denen Pulver verwirbelt werden können, unter einem Laborabzug durchgeführt werden, wobei der Frontschieber so weit wie möglich geschlossen bleibt. Bei regelmäßiger Herstellung von Pulvern mit CMR-Stoffen ist eine spezielle technische Schutzausrüstung erforderlich.

Probleme bei der Pulverherstellung

Die Pulverherstellung in der Apotheke stellt hohe Anforderungen an Genauigkeit und Homogenität. Herausforderungen dabei sind:

  • Ungleichmäßige Wirkstoffverteilung: Kleine Wirkstoffmengen müssen gleichmäßig in der Mischung verteilt werden, um Entmischung zu vermeiden.
  • Fließfähigkeit von Pulvern: Manche Pulver neigen zu Verklumpung oder elektrostatischer Aufladung. Hochdisperses Siliciumdioxid kann hier als Fließregulierungsmittel helfen.
  • Hygroskopische Pulver: Einige Pulver ziehen Feuchtigkeit an und verklumpen. Eine kontrollierte Lagerung ist notwendig.
  • Mikrobiologische Qualität: Da Pulver nicht steril sind, gibt es strenge Keimbelastungsprüfungen. Hier spielen die Qualität und die Lagerung der Ausgangsstoffe eine große Rolle.

Präzise Herstellung von Pulvern in der Apotheke ist möglich

Die Herstellung von Pulvern in der Apotheke erfordert Fachwissen und Sorgfalt. Die Auswahl der richtigen Partikelgröße, die optimale Mischung sowie die präzise Dosierung sind entscheidend für die Qualität des Endprodukts. Durch den Einsatz passender Siebe, geeigneter Hilfsstoffe und moderner Herstellungstechniken lassen sich sichere und wirksame Pulver für verschiedenste Anwendungen herstellen.

Quellen:
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-werk/UEBERSICHTALLGEMEINEHINWEISE/ (I.10.Pulver zum Einnehmen, Granulate, Pellets und Streukügelchen)
https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Praktische_Hilfen/Arbeitsschutz/Empfehlungen_der_BAK/Rezepturherstellung_Standards.pdf 

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