Rezeptur – Mischen possible
UNSICHTBARE INKOMPATIBILITÄTEN
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Wer kennt sie nicht, die Grauzone; der Bereich, in dem nicht klar ist, wie man sich richtig verhält. Im Alltag müssen wir ständig Kompromisse machen – oft genug auch in der Rezeptur, wenn die verordnete Zusammensetzung nicht plausibel ist.
Hierbei stellen sich dann die Fragen: Warum passt es nicht? Wo kann ich nachschauen? Und wie mache ich es passend? In diesem Artikel beleuchten wir eine Rezeptur, die uns lehrt, genauer hinzuschauen, nachzuforschen und Veränderungen vorzunehmen, damit der Kunde ein optimales Produkt erhält.
Fragen Sie Ihren Arzt...
Natürlich gilt nach wie vor: Wenn etwas an einer Rezeptur signifikant geändert wird, der Wirkstoff ausgetauscht oder angepasst werden muss, kommt man um die Rücksprache mit dem verordnenden Arzt nicht herum. In wenigen Fällen wird der aber eine Lösung anbieten – seine Zeit ist knapp, und pharmazeutische Inkompatibilitäten sind schlicht nicht sein Metier.
...oder Apotheker
Aus diesem Grund ist es sinnvoll, sich vorab Gedanken zu machen um dem Arzt eine Alternative anbieten zu können. Erst nach dieser Rücksprache fertigen wir die Rezeptur an und können dann behaupten: nach bestem Wissen und Gewissen.
Mehr aus der Serie "Rezeptur – Mischen possible":
Wenn der Arzt immer wieder die gleiche, unplausible Rezeptur verordnet
Bestimmt können Sie auf Anhieb Rezepturen nennen, die immer wieder von dem gleichen Arzt aufgeschrieben werden, die aber nicht optimal zusammengesetzt oder sogar völlig inkompatibel sind. Das kennen wir alle – manch einer kann sogar anhand der Zusammensetzung den verordnenden Arzt bestimmen.
Doch wie geht man eine solche Sache an? Die Rezeptur, die ich vorstellen möchte, lag vermutlich fast jeder Apotheke schon einmal vor, die einen Hautarzt in der Nähe hat. Sie beinhaltet Folgendes:
Rezeptur laut Rezept:
Clotrimazol 1,0 g
Salicylsäure 5,0 g
Isopropanol 70 % zu 100,0 g
Vielleicht schrillen bei Ihnen schon die Alarmglocken? Salicylsäure reagiert in wässrigen Lösungen sauer und hat dann einen pH-Wert von 2,4. Das pH-Optimum von Clotrimazol liegt hingegen bei 7 bis 8, unter 5 zersetzt es sich hydrolytisch. Als Rezeptierbar gilt dennoch ein Bereich von pH 3,5 bis 10, wobei im Sauren die Stabilität im Einzelfall zu prüfen ist - das nützt hier jedoch auch nichts, denn der Kombinationspartner Salicylsäure liegt selbst außerhalb dieses großzügigen Bereichs. Ob das was wird?
Glasklarer Fall?
Manche Inkompatibilitäten zeigen sich durchaus optisch. Aber eben nicht alle. Deshalb ist es wichtig, auch auf solche unsichtbaren Wechselwirkungen zu achten.
Stellt man die Lösung her wie verordnet, ist sie wunderbar klar – ohne Trübung, Schwebeteilchen oder ähnliches. Doch beim Wirkstoffgehalt ist die Lage anders. Die Säure zersetzt das Clotrimazol und somit verliert die Zubereitung einen Teil ihrer Wirkung. Auch eine kurze Haltbarkeit von nur einer Woche oder die Lagerung im Kühlschrank ändert nichts daran. Es gibt sogar Berichte, dass die Lösung auf der Haut gebrannt hat. Es stellt sich die Frage, ob das am Abbauprodukt des Clotrimazols liegen könnte.
Lösungssuche
Grundsätzlich sollten Rezepturen mit Salicylsäure und weiteren Wirkstoffen aus Stabilitätsgründen am besten als einzelne Zubereitungen angefertigt werden. Den Nachteil hat dann jedoch der Kunde: Er muss doppelt Zuzahlung leisten. Auch die Compliance leidet oft, wenn mehrere Arzneimittel anzuwenden sind. Deshalb suchen wir nach einem Lösungsweg, um nur eine einzige Rezeptur herzustellen.
Hier muss das Neue Rezeptur-Formularium (NRF) weiterhelfen. Die Wirkstoffsuche in der Online-Version liefert leider keine geprüfte Rezeptur, aber immerhin eine Empfehlung, wie mit dieser Art Rezeptur umzugehen ist. Es gibt drei Möglichkeiten:
- ein anderes, säurestabileres Antimykotikum verwenden, beispielsweise Miconazolnitrat. Dafür muss aber auf jeden Fall Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden.
- Ein anderes Keratolytikum verwenden, etwa Harnstoff. Der ließe den pH-Wert der Lösung ansteigen, was mit Clotrimazol kompatibel wäre. Auch hier wäre aber Rücksprache nötig.
- Austausch der Grundlage
Ein denkbarer Ansatz ist es also, das Lösungsmittel zu tauschen. Aber gegen welches?
Salicylsäure löst sich in Alkohol, Alkohol-Wasser-Gemischen und reinem Wasser. Clotrimazol hingegen ist in Wasser praktisch unlöslich, in Alkohol jedoch löslich. Die Entscheidung nimmt uns das NRF ab:
NRF-Empfehlung:
Clotrimazol 1,0 g
Salicylsäure 5,0 g
Propylenglykol 20,0 g
Isopropanol zu 100,0 g
In dieser wasserfreien Zubereitung bleibt das Clotrimazol länger stabil als in dem Isopropanol-Wasser-Gemisch.
Salicylsäure-Clotrimazol-Lösung herstellen
Die Herstellung ist dann einfach: Wirkstoffe mit Korrekturfaktor in ein tariertes Becherglas wiegen, Isopropanol zugeben und rühren, bis keine Schwebeteilchen mehr vorhanden sind. Wenn nötig, verdunsteten Alkohol ergänzen und anschließend mit Propylenglykol aufgfüllen. Als Abgabegefäß eignen sich eine Braunglas- oder eine Pipettenflasche.
Am Anfang ist die Lösung leicht von Schlieren durchzogen, doch sie wird klar und sieht dann genauso aus wie bei der Herstellung mit einem Alkohol-Wasser-Gemisch. Die Textur fühlt sich jetzt leicht rückfettend an, auch wenn Propylenglykol genau genommen befeuchtend wirkt. Auch wenn die Lösung nun stabiler ist als die eigentlich verordnete, die Haltbarkeit verlängert sich dadurch nicht.
Quellen:
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/3236
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/1697
https://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=clotrimazol
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-382015/per-se-instabil/
Andreas S.Ziegler: „Wirkstoffe in der Rezeptur“, Deutscher Apotheker Verlag