Kopfschmerzen und Migräne
NUR KOPFSCHMERZEN ODER DOCH MIGRÄNE?
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Ungefähr 54 Millionen Menschen leiden in Deutschland zumindest zeitweise an Kopfschmerzen. Damit sind Kopfschmerzen die häufigste Schmerzform. In nur zehn Prozent der Fälle sind die Kopfschmerzen auf eine Erkrankung zurückzuführen, die ursächlich behandelt werden muss. Ursachen können beispielsweise Infektionen, Verletzungen, der unsachgemäße Gebrauch von Medikamenten, Gefäßerkrankungen oder ein Hirntumor sein.
Wird der Schmerz eindeutig durch eine Gesundheitsstörung ausgelöst, spricht die internationale Kopfschmerz-Gesellschaft vom sekundären (organischen) Kopfschmerz. Viel häufiger lässt sich aber kein ursächlicher Zusammenhang herstellen. Die meisten Betroffenen leiden an primären (idiopathischen) Kopfschmerzen, die ein eigenes Krankheitsbild darstellen. Darunter finden sich die beiden häufigsten Kopfschmerzarten Migräne und Kopfschmerzen vom Spannungstyp.
Praxistipp
Bei der Wahl eines Analgetikums oder NSAR müssen mehr Parameter als die wissenschaftliche Evidenz berücksichtigt werden. Nicht nur, dass nicht jedes Medikament bei jedem Patienten gleich gut wirkt. Individuelle Gegebenheiten des Anwenders wie Vorerkrankungen oder Nebenwirkungen einer Substanz bestimmen ebenso die Entscheidung für oder gegen ihren Einsatz. Werden beispielsweise Magen-Darm-Komplikationen befürchtet oder Präparate zur Gerinnungshemmung eingenommen, sollten Ibuprofen oder das schwächer wirksame Paracetamol und nicht ASS empfohlen werden.
Ibuprofen scheint unter den NSAR das geringste Blutungsrisiko aufzuweisen. Allerdings ist es ebenso wie ASS bei Asthma kontraindiziert. Für Asthmapatienten ist Paracetamol das Analgetikum der Wahl. Zu beachten ist zudem, dass NSAR (Ausnahme: Naproxen) mit einem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Herzinfarkt und Schlaganfall verbunden sind – vor allem bei Langzeiteinnahme. Dabei besitzt Diclofenac unter den NSAR das höchste kardiovaskuläre Risiko.
Daher sollten Menschen, die an einer Herz- oder Gefäßkrankheit erkrankt sind und ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufweisen, möglichst kein Diclofenac einnehmen. Für diese Patienten ist Paracetamol eine gute Alternative, ebenso für Frauen, die schwanger sind oder stillen. Naproxen in Kombination mit einem Triptan kann für die Migränegeplagten von Vorteil sein, die bei Einnahme des Triptans einen Wiederkehrkopfschmerz befürchten.
Achtung Übergebrauchskopfschmerz Werden Kopfschmerz- und Migränemedikamente wie Analgetika, NSAR und Triptane über einen längeren Zeitraum eingenommen, besteht ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines Medikamentenübergebrauch-Kopfschmerzes. Daher sollten Triptane und Kombinationsanalgetika (z. B. Kombination aus ASS, Paracetamol und Coffein) nicht häufiger als an zehn Einnahmetagen pro Monat und einfache Monoanalgetika (z. B. ASS, Ibuprofen) nicht häufiger als an 15 Tagen pro Monat eingenommen werden.
Allerdings empfehlen erfahrene Kopfschmerzexperten aus der Praxis auch, dass die Betroffenen kein schlechtes Gewissen haben sollten, zu einem adäquaten Präparat zu greifen. Die Regel soll Betroffene vielmehr darauf aufmerksam machen, dass sie bei mehr als zehn beziehungsweise 15 Tabletten im Monat ärztliche Hilfe suchen sollten.
Begleitende Antiemetika Migränepatienten profitieren oftmals von der zusätzlichen Einnahme antiemetisch wirkender Substanzen wie Metoclopramid (MCP) oder Domperidon. Die beiden rezeptpflichtigen Antiemetika bekämpfen nicht nur die begleitenden Symptome Übelkeit und Erbrechen. Sie regen auch die Magenperistaltik an, die während eines Anfalls gestört ist, und verbessern damit die Resorption der schmerzstillenden Akutmedikation. Allerdings raten die Leitlinien zu Antiemetika nur bei starker Übelkeit. In der Selbstmedikation können Sie bei Übelkeit im Rahmen einer Migräne auch den Wirkstoff Dimenhydrinat abgeben. Die Wirkung setzt nach etwa 30 Minuten ein.
Mit Arzneimitteln vorbeugen Wer an mehr als drei Migräneattacken im Monat leidet oder wenn diese länger als 72 Stunden andauern, für den sehen die Leitlinien eine medikamentöse Prophylaxe vor. Ebenso kommt sie bei einem bestehenden Risiko eines Medikamentenübergebrauchs infrage. Ziel ist, die Häufigkeit, Schwere und Dauer der Migräneattacken zu reduzieren. Eine medikamentöse Prophylaxe gilt als wirksam, wenn eine Reduktion der Anfallshäufigkeit von mindestens 50 Prozent erreicht wird.
Allerdings sind alle Wirkstoffe mit guter Evidenzlage verschreibungspflichtig, sodass Betroffene an den Arzt weitergeleitet werden müssen. Als Substanzen mit hoher/guter wissenschaftlicher Evidenz gelten Propanolol (40 bis 240 mg), Bisoprolol (5 bis 10 mg), Metoprolol (50 bis 200 mg), Flunarizin (5 bis 10 mg), Valproinsäure (500 bis 1000 mg), Topiramat (25 bis 100 mg) sowie Amitriptylin (50 bis 75 mg). Bei chronischer Migräne wird auch der Einsatz von Botulinumtoxin (OnabotulinumtoxinA) empfohlen.
Dafür muss es in Abständen von zirka drei Monaten wiederholt injiziert werden, um einen anhaltenden und zunehmenden Effekt zu erzielen. Eine geringere wissenschaftliche Evidenz wird Opipramol (50 bis 150 mg), Acetylsalicylsäure (300 mg), Magnesium (zweimal 300 mg) sowie der Kombination Magnesium (zweimal 300 mg) plus Vitamin B2 (zweimal 200 mg) plus Coenzym Q (zweimal 75 mg) zugesprochen. Off-label werden auch Naproxen (zweimal 250 oder 500 mg), Venlafaxin (75 bis 150 mg), Gabapentin (2400 mg) sowie der ACE-Hemmer Lisinopril und Sartane wie Candesartan oder Telmisartan verordnet.
Analgetika, NSAR und Triptane sollten immer mit reizabschirmenden Maßnahmen kombiniert werden.
Effektive Triptane Sprechen die Migränekopfschmerzen nicht auf Analgetika oder NSAR an, empfehlen die Leitlinien bei (mittel)schweren Migräneattacken möglichst frühzeitig Serotonin-5-HT-1B/1D-Rezeptorantagonisten (Triptane) einzunehmen. Triptane greifen positiv in das Migränegeschehen ein, indem sie die erweiterten Blutgefäße verengen und am Trigeminusnerv die Freisetzung der entzündungsfördernden Neuropeptide wie CGRP verringern. Derzeit sind die sieben Triptane Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Naratriptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmitriptan (in alphabetischer Reihenfolge) im Handel.
Alle Substanzen weisen das gleiche Wirkprinzip auf. Unterschiede bestehen jedoch in der Zeit bis zum Wirkeintritt, in ihrer Wirkdauer und in ihrem Nebenwirkungsprofil. Eletriptan und Rizatriptan gelten als die wirksamsten oralen Vertreter, die zudem oral am raschesten wirken (nach 30 Minuten). Einen schnellen Wirkeintritt erzielen auch nasales Zolmitriptan in Form eines Nasensprays sowie Sumatriptan, wenn es subkutan mit einem Autoinjektor gespritzt wird. Sumatriptan s.c. gilt zudem als die wirksamste Therapie akuter Migräneattacken.
Allerdings ist bei beiden das Risiko für einen wiederkehrenden Kopfschmerz (headache-recurrence) höher als bei anderen Triptanen. Naratriptan und Frovatriptan haben die längste Halbwertszeit und sind im Vergleich zu anderen Triptanen schwächer wirksam. Dafür haben sie tendenziell etwas geringere Recurrence-Raten. Almotriptan und Eletriptan weisen das beste Nebenwirkungsprofil auf. Ohne Rezept stehen Almotriptan (12,5 mg), Naratriptan (2,5 mg) und Sumatriptan (50 mg) in Packungen mit je zwei Tabletten zur Verfügung.
Die drei Triptane dürfen in der Selbstmedikation aber nur zum Einsatz kommen, wenn der Arzt bereits die Diagnose Migräne gestellt hat. Außerdem dürfen Sie die Arzneimittel nur an Personen zwischen 18 und 60 Jahren abgeben. Der Arzt darf davon natürlich abweichen. Almotriptan und Sumatriptan sind im Rahmen der Selbstmedikation die Triptane der Wahl bei eher kurzen, heftigen Attacken. Naratriptan ist bei weniger starken, dafür länger andauernden Attacken eine gute Empfehlung.
Prinzipiell wirken Triptane zu jedem Zeitpunkt innerhalb einer Migräneattacke, doch sind sie umso effektiver, je früher sie eingenommen werden. Patienten, die unter einer Migräne mit Aura leiden, sollten leitliniengemäß aus Sicherheitsgründen die Triptane allerdings erst nach Abklingen der Aura mit Beginn der Kopfschmerzen applizieren. Zudem wird angenommen, dass die Substanzen wahrscheinlich nicht wirksam sind, wenn sie während einer Aura zur Anwendung kommen.
Bei wiederkehrenden Kopfschmerzen kann nach initialer Wirksamkeit eines Triptans eine zweite Dosis nach frühestens zwei Stunden (bei Naratriptan nach vier Stunden) gegeben werden. Ist allerdings die erste Triptan-Gabe unwirksam, ist auch eine zweite Dosis meist ohne Wirkung, es sei denn, die erste Dosis wurde erbrochen. Alternativ schlägt die Leitlinie die initiale Kombination eines Triptans mit einem lang wirkenden NSAR vor (z. B. Naproxen).
Diese Kombination wirkt besser als die Einzelsubstanzen und kann ein Wiederauftreten der Migräneattacke verhindern. Da Triptane wie alle anderen Analgetika auch bei zu häufiger Einnahme zu einem Übergebrauchskopfschmerz führen können, wird angeraten, ihren Einsatz auf maximal zehn Tage pro Monat zu beschränken. Triptane sind nicht für Patienten mit Gefäßerkrankungen und einem unbehandelten Bluthochdruck geeignet. Weitere Kontraindikationen sind Schwangerschaft und Stillzeit.
Erster oraler CGRP-Rezeptorantagonist kurz vor Zulassung
Mit Rimegepant kommt in Europa bald ein neuartiges Arzneimittel auf den Markt. Es ist dann das einzige Medikament, das sowohl zur Akuttherapie von Migräne als auch zur Vorbeugung von Attacken zur Verfügung steht. Zugleich stellt die Substanz den ersten Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse bei Migräne, der Gepante, dar.
Ihr Angriffspunkt ist der CGRP-Rezeptor. Durch seine Blockade wird die CGRP-vermittelte Migräne-Kaskade gehemmt. Anders als die schon seit 2018 verfügbaren CGRP-Antikörper, die subkutan oder intravenös appliziert werden, wird Rimegepant als Schmelztablette in den Handel kommen.
Migräneattacke Die Migräne-Pathogenese ist komplex und verschiedene Entstehungsmechanismen werden diskutiert. Oft tritt die Migräne in Familien gehäuft auf, was auf eine genetische Komponente der Erkrankung hinweist. Inzwischen sind 47 Genvarianten bekannt, die eine Anfälligkeit für eine Migräne erhöhen können. Veränderte Gene führen dazu, dass das Nervensystem der Betroffenen leichter erregbar ist, also eine Überempfindlichkeit des Nervensystems zugrunde liegt. Zu einer Migräneattacke kommt es aber erst, wenn bestimmte Faktoren hinzukommen.
Es können zahlreiche Triggerfaktoren für die Auslösung von Migräneattacken verantwortlich gemacht werden: Neben hormonellen Schwankungen, unregelmäßigem Schlaf oder Umweltfaktoren wie grellem Licht, Lärm oder einem Wetterumschwung kommen vor allem Stress beziehungsweise Entlastungssituationen nach Stress und Reizüberflutung in Frage. Ob bestimmte Nahrungsmittel wie Rotwein, Käse oder Schokolade eine Migräneattacke auslösen, ist umstritten.
Man geht heute eher davon aus, dass ihr Genuss durch einen vorgeschalteten Heißhunger bedingt wird, der als ein Ankündigungsphänomen zu verstehen ist und bereits einen Bestandteil der Migräneattacke darstellt. Während der Migräneattacke werden Botenstoffe freigesetzt, die zur Erweiterung (Vasoldilatation) von Hirngefäßen führen und örtlich begrenzte Entzündungsreaktionen auslösen (neurogene Entzündung).
Dies hat eine Überempfindlichkeit von Schmerzrezeptoren in der Hirnhaut zur Folge, wodurch die Betroffenen jeden Pulsschlag der Blutgefäße als pochenden Schmerz wahrnehmen. Eine besondere Rolle spielt dabei das aus den Enden des Trigeminusnervs vermehrt ausgeschüttete Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP).
Paradigmenwechsel
Kopfschmerzexperten regen an, ein Zufriedenheitstagebuch zu führen, anstatt die Schmerzattacken zu zählen. Die Patienten sollen sich nicht auf ihre Schmerzen konzentrieren, sondern lieber notieren, wann es ihnen gut geht. So kann man das Gehirn von den Schmerzen ablenken.
Migräne mit und ohne Aura Bei der Migräne handelt es sich um einen einseitigen pulsierend-pochenden Kopfschmerz. Die Migränegeplagten fühlen sich wie vom Blitz getroffen, der Schmerz hämmert rhythmisch, oft mit schnell zunehmender Intensität – mindestens vier, manchmal bis zu 72 Stunden lang. Typischerweise ist nur eine Schädelhälfte betroffen, allerdings kann der Schmerz auf die andere Seite wechseln. Der Charakter der Schmerzen ist eher stechend oder pulsierend mit einer mittleren bis hohen Intensität.
Bei körperlicher Aktivität wie Treppenstiegen oder Bücken wird der Schmerz üblicherweise verstärkt. Charakteristisch sind Begleiterscheinungen wie Übelkeit und/oder Erbrechen sowie Geräusch- (Fonophobie), Licht- (Fotophobie) und Geruchsempfindlichkeit (Osmophobie). Bei einigen (10 bis 15 Prozent) sind vor der eigentlichen Kopfschmerzattacke neurologische Funktionsstörungen vorgeschaltet. Diese als Aura bezeichneten Symptome können sich unterschiedlich darstellen: Reiz- und Ausfallerscheinungen wie Gesichtsfelddefekte, Wahrnehmung gezackter Figuren (Flimmerskotom), halbseitige Sensibilitätsstörungen, Lähmungserscheinungen, Sprech- und Sprachstörungen.
Am häufigsten machen sich die visuellen Störungen bemerkbar. Eine Aura entwickelt sich allmählich über fünf bis 20 Minuten und hält bis zu einer Stunde an. Meist folgt ihr innerhalb von 60 Minuten der Kopfschmerz. Sie kann aber auch völlig losgelöst von Kopfschmerzen auftreten. Bei den meisten Migränepatienten (85 bis 90 Prozent) fehlen die neurologischen Symptome.
Vor der Pubertät leiden knapp fünf, danach etwa elf Prozent der Kinder unter Migräneattacken.
Gewitter im Kopf Vor allem sorgt die Migräne für einen sehr hohen Leidensdruck. Die Lebensqualität der Betroffenen ist erheblich eingeschränkt. Sie leiden unter mangelnder Konzentration, Leistungs- und Entscheidungsfähigkeit. Sie können Aufgaben schlechter koordinieren, die psychische Belastbarkeit ist reduziert und der Schlaf beeinträchtigt. Zudem ist die Arbeitsfähigkeit oft eingeschränkt, einerseits durch Fehltage, vor allem aber, weil vieles mühsamer ist, schwerer fällt und oft einfach länger dauert.
Daher ist die Migräne der häufigste Kopfschmerz, der ärztlich behandelt werden muss. Laut Angaben des Kopfschmerzreportes der Techniker Krankenkasse aus dem Jahre 2020 ist die Migräne zudem der häufigste Grund für eine Behinderung bei den unter 50-Jährigen. Darüber hinaus steigt bei Migränikern das Risiko für Depressionen, Angsterkrankungen und Suizid. Auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Schlaganfälle treten häufiger auf.
Bereits Kinder betroffen In Deutschland leiden zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung an Migräne. Bei 90 Prozent der Betroffenen treten die Schmerzen an weniger als 15 Tagen im Monat auf. Dann spricht man von einer episodischen Migräne. Die anderen erleben mehr als 15 Migräneattacken im Monat, was als chronische Migräne definiert wird. Die meisten Migränepatienten sind zwischen 35 und 45 Jahre alt. In dieser Lebensphase leiden Frauen zwei- bis dreimal häufiger an Migräne als Männer.
Migräne spielt bereits ab dem Kindergartenalter und zunehmend im Schulalter eine Rolle. Meist beginnt eine Migräne um das sechste Lebensjahr herum, manchmal auch schon im Kleinkindalter. Vor der Pubertät sind etwa vier bis fünf Prozent der Kinder betroffen, danach leiden zirka elf Prozent unter Migräneanfällen. Bei einigen verschwinden die Attacken nach der Pubertät spontan wieder, bei etwa der Hälfte bleiben sie weiter bestehen und nehmen im Erwachsenenalter einen chronischen Verlauf. Während bei den Kleinen beide Geschlechter gleich häufig betroffen sind, zeigt sich bei den Jugendlichen eine höhere Prävalenz bei den Mädchen.
Neue CGRP-Antikörper Eine relativ neue Wirkstoffklasse für die Prophylaxe sind die Migräne-Antikörper, die sich gegen CGRP als Zielstruktur richten. Sie dürfen allerdings nur verordnet werden, wenn die herkömmlichen Optionen zur Migräneprophylaxe nicht vertragen werden oder unwirksam sind. Der erste im November 2018 erhältliche Vertreter war Erenumab, danach folgten Fremanezumab, Galcanezumab und kürzlich Eptinezumab. Erenumab bindet an den CGRP-Rezeptor und setzt somit die Konzentration von CGRP herab.
Die anderen drei neutralisieren den Botenstoff direkt. Während die ersten drei Antikörper subkutan gegeben werden, wird der letzte und neueste Vertreter intravenös verabreicht. Damit lässt sich Eptinezumab zwar nicht per Fertigpen oder Fertigspritze vom Patienten selbst applizieren, er wirkt dafür aber besonders schnell. Bereits am Tag der Verabreichung setzt die Wirkung ein, während die anderen erst nach ein bis zwei Wochen eine Wirkung erzielen. Eptinezumab wird alle drei Monate verabreicht, Erenumab alle vier Wochen, Fremanezumab monatlich oder vierteljährlich und Galcanezumab monatlich.
Ohne Medikamente vorbeugen Ergänzend zur medikamentösen Prophylaxe sollten immer nichtmedikamentöse Verfahren der Verhaltenstherapie erfolgen. Sie können auch alternativ vorab durchgeführt werden. Neben Akupunktur und regelmäßigem aeroben Ausdauersport wird eine psychologische Therapie (Verfahren der Verhaltenstherapie) geraten, die als Interventionen Entspannungstraining, Biofeedback-Training oder die kognitive Verhaltenstherapie verwendet.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 05/2022 ab Seite 58.
Gode Chlond, Apothekerin
Klassische Schmerzmittel Leichtere und mittelstarke Migräneattacken können bei Erwachsenen leitliniengerecht mit Analgetika und nichtsteroidalen Anthirheumatika (NSAR) behandelt werden. Dabei gelten Acetylsalicylsäure/ASS (900 bis 1000 mg), Ibuprofen (200, 400 und 600 mg), Phenazon (1000 mg), Diclofenac-Kalium (50 und 100 mg), Paracetamol (1000 mg), Naproxen (500 und 825 mg) als gut wirksam. Leitlinien führen auch Metamizol (1000 mg) auf, soweit eine andere Behandlung nicht infrage kommt.
Zu beachten ist dabei, dass für einige der Optionen ein Rezept erforderlich ist. Klassiker für die Selbstmedikation sind 1000 mg ASS (vorzugsweise als Brausetablette), Ibuprofen mit 400 mg oder 1000 mg Paracetamol. 500 mg ASS und 500 mg Paracetamol scheinen nicht ausreichend wirksam zu sein. Daneben haben sich inzwischen Wirkstoffkombinationen etabliert.
In den Leitlinien werden als Einzeldosis zwei Tabletten von der fixen Kombination ASS (250 bis 265 mg) plus Paracetamol 200 bis 265 mg) plus Coffein (50 bis 65 mg) empfohlen. Beide Wirkstoffe verstärken sich gegenseitig und Coffein dient als zusätzlicher Wirkverstärker und -beschleuniger. In der Praxis haben sich auch Zweierkombinationen aus Ibuprofen (400 mg) und Coffein (100 mg) als gut wirksam bei akuten Migräneattacken herausgestellt.