Suzetrigin
NEUES SCHMERZMITTEL IN DEN USA ZUGELASSEN
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„Neue“ Schmerzmittel gibt es immer mal wieder, wirklich neu sind die wenigsten. Ohne Nebenwirkungen geht es bekanntlich nie, und bei starken Schmerzmitteln kommt auch immer eine gewisse Suchtgefahr hinzu. Suzetrigin soll das ändern, denn es besitzt einen völlig neuen Wirkmechanismus.
Die amerikanische Zulassungsbehörde FDA hat das neue Schmerzmittel zugelassen, obwohl es bisher nur wenige Daten dazu gibt. Der Grund: In den USA drängt die Zeit.
Neues Schmerzmittel ohne zentrale Wirkung
Das neue Schmerzmittel wurde von der FDA in einem beschleunigten Verfahren zugelassen. Die Daten sind nicht öffentlich einsehbar bis auf Vorstudien, die der Hersteller Vertex veröffentlicht hat. Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise müssen vor der Zulassung komplette Phase III-Daten publiziert werden und nicht nur deren Ergebnisse. Aber den USA läuft in der aktuellen Opioidkrise die Zeit davon.
Die Opioidkrise
In den USA sind zwischen 2,5 und 10 Millionen Menschen abhängig von starken Schmerzmitteln, viele sterben an den Folgen von Überdosierungen. Auslöser war der massenhafte Gebrauch des Opioids Oxycodon, weil unter anderem die Suchtgefahr unterschätzt wurde. Die Regierung hat Programme ins Leben gerufen, um neue Schmerzmittel ohne diese Nebenwirkungen schnell zur Zulassung zu bringen.
Suzetrigin: Bislang nur in den USA
Auf Suzetrigin als erstem neuem Schmerzmittel seit Jahrzehnten ruht große Hoffnung. Erstmals ist es gelungen, ein starkes Schmerzmittel ohne zentrale Wirkung zu finden. Nebenwirkungen vieler starker Schmerzmittel wie Atemdepression und Suchtgefahr sind so praktisch unmöglich.
In Europa hat Vertex bisher keinen Zulassungsantrag gestellt. Die bisher veröffentlichten Studien zeigen zwar, dass das neue Schmerzmittel ohne schwere Nebenwirkungen auskommt und starke Schmerzen zuverlässig lindert. Die unvollständigen Daten löst aber Skepsis aus. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Ärzte, Pharmakologe Bernd Mühlbach, meint: „Ich sehe eine Flut unbeantworteter Fragen.“
„Ich sehe eine Flut unbeantworteter Fragen.“
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Endlich ein Schmerzmittel ohne gefährliche Nebenwirkungen?
Die vom Hersteller veröffentlichten Studien vergleichen das neue Schmerzmittel zum einen mit Placebo und zum anderen mit der Kombination aus Paracetamol und Hydrocodon. Und zwar bei Patienten direkt nach einer Operation. Lediglich die stärkste Dosis Suzetrigin wirkte besser als Placebo, so Pharmakologe Mühlbach, und die Opioid-Kombination sei kaum wirksam und seiner Meinung nach als Vergleich daher ungeeignet.
Ob das neue Schmerzmittel auch wirklich fast ohne Nebenwirkungen auskommt, muss sich ebenfalls noch zeigen. Es wurde lediglich an Personen getestet, die entweder eine Bauchdeckenstraffung oder eine chirurgische Korrektur der Zehenfehlstellung Hallux valgus durchführen ließen und weiter keine gesundheitlichen Probleme hatten. Der Hersteller berichtet zwar über positive Erfahrungen auch bei chronischen Schmerzen, aber die Daten dazu lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Es wird sich zeigen müssen, ob das neue Schmerzmittel wirklich halten kann, was es verspricht.
Starkes Schmerzmittel, kaum Suchtgefahr
Trotz der Skepsis bleibt die Substanz ein Hoffnungsträger. Das neue Schmerzmittel blockiert einen bestimmten Natriumkanal direkt an der Schmerzfaser, also dort, wo der Schmerz entsteht. Die Nervenzellen können dann keine Aktionspotentiale mehr bilden und die Weiterleitung des Schmerzreizes stoppt durch das neue Schmerzmittel, bevor das Gehirn erreicht wird.
Weil der Natriumkanal Nav1.8 nicht im Gehirn vorkommt, hat das neue Schmerzmittel keine zentralen Wirkungen und kommt so ohne die typischen Nebenwirkungen der Opioide aus. Die Aktivierung des Belohnungszentrums und Euphorie, die andere starke Schmerzmittel auslösen und die für die Suchtgefahr maßgeblich sind, fehlen Suzetrigin also. Ebenso die potenziell tödliche Atemlähmung.
Die Blockade von Natriumkanälen als Wirkmechanismus kennen wir zwar schon. Lokalanästhetika wie Lidocain sind aber unselektive Natriumkanalblocker. Weil Natriumkanäle in vielen anderen Bereichen vorkommen, sind solche Substanzen für die systemische Anwendung ungeeignet. Anders das neue, selektiv wirkende Schmerzmittel.
Suzetrigin ist zwar auch nicht ohne Nebenwirkungen, aber seine rein periphere Wirkweise verhindert, dass es Suchtgefahr bergen könnte. Das sehen auch deutsche Experten so, wie Heike Rittner vom Institut für Schmerzmedizin der Universität Würzburg. Sie findet, das neue Schmerzmittel ist ein „Meilenstein“. Schmerzmittel wirken meist nicht bei jedem Patienten zufriedenstellend, daher sind oft Kombinationen nötig. Es sei daher gut, „mehrere Pfeile im Köcher“ zu haben. Sie ist überzeugt: Selektive Natriumkanalblocker als neue starke Schmerzmittel ohne Suchtgefahr werden die Behandlung verbessern.
Quellen:
https://www.sueddeutsche.de/projekte/artikel/gesundheit/schmerztherapie-suzetrigin-meilenstein-medizin-e352936/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/neuartiges-schmerzmittel-mit-guten-phase-iii-daten-145395/
https://www.tagesschau.de/wissen/schmerzmittel-suchtgefahr-100.html
https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-novel-non-opioid-treatment-moderate-severe-acute-pain
https://www.nature.com/articles/d41586-025-00274-1
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/39552600/