Auf zwei Ultraschallbildern liegen verschieden farbige Tabletten.© Sofia Petrova / iStock / Getty Images
Egal ob rezeptfreie oder verschreibungspflichtige Medikamente. Alle können sich auf das ungeborene Kind auswirken.

Mutter und Kind

WAS SCHWANGERE IM UMGANG MIT ARZNEIMITTELN BEACHTEN SOLLTEN

Auch Schwangere werden krank. Welche Arzneimittel dürfen sie nehmen? Was gilt es beim Arzneimittelgebrauch zu beachten? Eine Grundregel lautet: Nur so viel wie nötig und so gering dosiert wie möglich! Und manches gar nicht!

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Die Einnahme von Arzneimitteln in der Schwangerschaft ist und bleibt ein schwieriges Thema. Egal, ob es sich um rezeptfreie oder verschreibungspflichtige Medikamente handelt. Sie können sich alle auf das Kind auswirken. Ebenso können vermeintlich „harmlose“ Nahrungsergänzungsmittel und Phytotherapeutika (auch Tees!) die Entwicklung und damit die Gesundheit des ungeborenen Kindes im Mutterleib beeinträchtigen. Da fast alle Medikamente über die Plazenta von der Mutter auf das Kind übergehen, muss eine Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft mit großer Zurückhaltung erfolgen. 

Die größte Gefahr ist die fruchtschädigende Auswirkung, die Teratogenität, eines Arzneistoffes. Sie ist meist irreversibel und äußerst vielfältig: Fehl- und Missbildungen unterschiedlichen Grades, Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten und Entwicklung, eine Beeinträchtigung der Organfunktion, intrauterine Wachstumsverzögerungen oder gar ein Absterben des Ungeborenen sind möglich.

Ist ein Medikament notwendig?

Daher sollte sich die Schwangere immer die Frage stellen, ob eine Medikation zum gegenwärtigen Zeitpunkt unbedingt erforderlich ist. Bei leichteren Beschwerden können ein Behandlungsaufschub oder eine Linderung mit diätetischen Maßnahmen möglich sein. Ebenso darf eine Änderung der Lebensumstände nicht außer Acht gelassen werden, denn manchmal helfen bereits Bewegung und/oder Stressabbau.

Doch der Verzicht auf Arzneimittel muss nicht immer die beste Lösung für Mutter und Kind sein. Zahlreiche chronische oder akute Erkrankungen erfordern eine konsequente Therapie. Werden sie nicht adäquat behandelt, können sie nicht nur die Schwangere stark beeinträchtigen. Unter Umständen kann eine unterlassene Behandlung auch beim Kind eine Schädigung auslösen oder zu Komplikationen in der Schwangerschaft mit der Folge von Spontanaborten oder Frühgeburten führen.

Erstes Trimenon besonders kritisch

Die Gefahr teratogener Schäden ist nicht nur von der auslösenden Noxe abhängig. Zudem spielen die Dosis, Einnahmedauer, der Einnahmezeitpunkt sowie die Anzahl der exogenen Einflüsse eine entscheidende Rolle. Allerdings lassen sich bei der Entwicklung teratogener Schäden individuelle Unterschiede feststellen. Eine als teratogen eingestufte Substanz löst nicht zwangsläufig Schäden aus. Viele Frauen bringen gesunde Kinder zur Welt, obwohl sie in der kritischen Phase fruchtschädigende Medikamente eingenommen haben. Andererseits können Substanzen, die nicht als fruchtschädigend gelten, im Einzelfall doch eine Missbildung verursachen.

„Besonders kritisch ist der Zeitraum der Organentstehung im ersten Schwangerschaftsdrittel (Trimenon).“

Eine besondere Rolle spielt der Einnahmezeitpunkt, da die Empfindlichkeit des Embryos gegenüber toxischen Einflüssen von seinem Entwicklungsstadium abhängt. 

Individuelle Nutzen-Risiko-Abschätzung

Die Indikation für den Arzneimitteleinsatz ist daher streng zu stellen. Das bedeutet, dass Arzneimittel nur dann zur Anwendung kommen sollten, wenn es im Einzelfall unbedingt notwendig ist. Anzustreben ist eine möglichst kurze Therapiedauer in niedriger Dosierung. Dabei ist altbewährten Präparaten, für die bereits ausreichende Daten zur Bewertung der Unbedenklichkeit während der Schwangerschaft vorliegen, der Vorzug zu geben. Zudem sollten möglichst Monopräparate, die auf die bestehende Medikation abgestimmt sind, zum Einsatz kommen. Ebenso ist eine lokale Therapie immer einer systemischen vorzuziehen. 

Doch wie Experten betonen, existieren für fast alle Erkrankungen in der Schwangerschaft hinreichend erprobte Therapieoptionen. Wichtig ist, nicht nur Schwangere diesbezüglich zu beraten, wenn sie Medikamente benötigen. Ebenso müssen Frauen im gebärfähigen Alter über Risiken und Nebenwirkungen von Arzneimitteln in Bezug auf eine mögliche Schwangerschaft informiert werden. Das ist vor allem vor dem Hintergrund wichtig, dass in Deutschland etwa jede dritte Schwangerschaft ungeplant ist.

Häufig off-label-use

Wird ein Medikament für eine Schwangere benötigt, wird man im Beipackzettel oder in der Fachinformationen nur selten mit weiterhelfenden Informationen versorgt. Eine explizite Anwendungsempfehlung wird meist nicht genannt. Vielmehr finden sich häufig unklare und ausweichende Formulierungen zur Anwendung in der Schwangerschaft oder es werden Warnhinweise gegeben beziehungsweise eine Schwangerschaft unter Gegenanzeigen aufgeführt. Allerdings beruhen die (fehlenden) Aussagen häufig nicht auf einem nachgewiesenen teratogenen Risiko. Vielmehr existieren keine verbindlichen Aussagen zur Teratogenität aus Haftungsgründen, da Schwangere aus ethischen Gründen nicht in Studien einbezogen werden. Daher erfolgt eine Medikamentengabe bei Schwangeren häufig off-label.

Hilfreiche Informationen

Unterstützung bei der Wahl geeigneter Medikamente bieten spezielle Informationsstellen. Bei vielen Schwangeren schon bekannt und auch in der Apotheke bereits seit vielen Jahren in Verwendung ist die online-Datenbank von Embryotox. Sie wurde vom Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin entwickelt. Darin finden sich Bewertungen zu etwa 400 Arzneistoffen in Schwangerschaft und Stillzeit, die bei der Behandlung häufig vorkommender Erkrankungen Verwendung finden.

Sie beruhen auf wissenschaftlich fundierten Daten, die unabhängig vom Einfluss von Arzneimittelfirmen oder anderen Interessengruppen entstanden sind. Darunter sind auch viele, die in der Selbstmedikation eine Rolle spielen. 

Die Informationsseiten richten sich an Laien und Fachkreise und eignen sich hervorragend, um während des Beratungsgesprächs in der Apotheke gemeinsam mit der Kundin gezielt nach Einsatzmöglichkeiten von Arzneistoffen in Schwangerschaft und Stillzeit zu recherchieren. Ebenso besteht die Möglichkeit, die am besten erprobten Mittel bei häufig vorkommenden Erkrankungen nachzuschlagen. 

„Die Informationsquelle Embryotox bietet auch eine telefonische Beratung an und stellt ein online-Formular für eine individuelle Anfrage zur Verfügung.“

 Eine weitere von der Arzneimittelindustrie unabhängige Beratungsstelle für Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit ist Reprotox am Universitätsklinikum Ulm. Reprotox beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Auswirkungen von potentiell schädigenden Faktoren auf die Fruchtbarkeit der Eltern und die Entwicklung des Kindes während Schwangerschaft und Stillzeit.

Kontaktieren lässt sich die Beratungsstelle telefonisch oder auf www.reprotox.de, wo ein online-Anfrageformular abgerufen werden kann. Darüber hinaus helfen natürlich auch Fachbücher, die sich dem Thema der Arzneimittelsicherheit in Schwangerschaft und Stillzeit widmen. Allerdings sind diese im Zweifelsfall nicht so aktuell.

Tipp

Haben Sie sich aufgrund Ihrer Recherche bei Embryotox entschieden, der Schwangeren ein Arzneimittel zu verkaufen, bei dem im Beipackzettel eine Schwangerschaft als Kontraindikation aufgeführt ist, sollten Sie die Kundin auf die Diskrepanz in der Beurteilung zur Anwendbarkeit explizit aufmerksam machen. Ansonsten ist eine Verunsicherung bei der Kundin vorprogrammiert.

Informationsstellen:

Embryotox
Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie www.embryotox.de; Tel.: 030 450 525 700
Reprotox
Beratungsstelle für Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit www.reprotox.de; Tel.: 0731 500 58655

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