Auf mehreren ausgedruckten Tabellen liegen ein Taschenrechner, ein Stift, eine Brille sowie ein Schild mit der Aufschrift „HELP!“© j0sefino/iStock/Getty Images Plus
Wer von Humaninsulin auf Insulin-Analoga wechselt, muss die neue Dosis genau errechnen und sollte zu Beginn kein Auto fahren.

Umstellung

HUMANINSULIN: PRODUKTION WIRD EINGESTELLT

Humaninsulin könnte bald Mangelware werden. Der Hersteller Novo Nordisk hat angekündigt, die Produktion bis Ende 2026 komplett einzustellen. Auf Hunderttausende Diabetiker, die auf Humaninsulin eingestellt sind, kommt eine Umstellung zu, die es in sich haben kann.

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Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft DDG warnt schon jetzt, dass für Insulin möglicherweise ein (erneuter) Lieferengpass droht. Für viele Diabetiker muss eine Umstellung auf ein anderes Insulin erfolgen. Das ist aber nicht gleichwertig. Eine derartige Umstellung kann kompliziert werden und Folgen für Betroffene haben.

Die Entscheidung, Humaninsulin vom Markt zu nehmen, begründet Novo Nordisk damit, „Verfügbarkeit und Einsatz moderner Therapien weltweit“ stärken zu wollen. Ärzte kritisieren das als „Ausdruck geschickten Marketings“.

Humaninsulin als Auslaufmodell

Humaninsulin steht bei mehreren Herstellern auf der Abschussliste. So sah sich der Hersteller Sanofi bereits letztes Jahr zu einer Umstellung seiner Produktpalette gezwungen und nahm die Humaninsuline Insuman und Insuman Comb vom Markt. Diese waren im Vorfeld schon von einem Lieferengpass betroffen.

Der Rückzug von Novo Nordisk aus dem Markt mit Humaninsulin spätestens Ende 2026 zwingt jetzt etwa 240000 Betroffene zu einer Umstellung ihrer Therapie. Denn der einzige verbleibende Hersteller von Humaninsulin, Eli Lilly, lässt sich nicht in die Karten schauen, wie es weitergeht.

Humaninsulin, also das natürlich bei Menschen vorkommende Protein, soll Novo Nordisk zufolge durch Insulin-Analoga ersetzt werden. Eine Umstellung ist aber deshalb kompliziert, weil die Analoga kürzer oder länger wirken als Humaninsulin. Das kann Vorteile haben, muss es aber nicht.

Humaninsulin auf Insulin-Analogon: Umstellung mit Unbekannten

Die DDG gibt in ihrer Stellungnahme „grobe Richtwerte“ für Betroffene, die Humaninsulin verwenden. Eine Umstellung, so betont sie, solle möglichst jetzt schon angedacht werden. Denn spätestens dann, wenn Novo Nordisk die Produktion von Humaninsulin endgültig einstellt, droht ein Lieferengpass.

Diabetiker, die bisher Actrapid®, also das kurzwirksame Insulin von Novo Nordisk, verwenden, brauchen in der Regel keine Umstellung der Dosis, wenn sie auf ein anderes kurzwirksames Insulin wechseln. Wohl aber kann dessen Wirkung schneller eintreten und kürzer ausfallen, was bei der Umstellung beachtet werden muss. Auch müssen andere Pens benutzt und deren Anwendung gegebenenfalls erklärt werden.

Von einem NPH-Basal-Insulin wie Protaphane®, das gewöhnlich zweimal am Tag verabreicht wird, wird bei der Umstellung die Tagesdosis eines langwirksamen Basalinsulins anfänglich um 10 bis 20 Prozent verringert und am besten morgens gespritzt.

Die Misch-Insuline (Actraphane®) benötigen bei der Umstellung besonders viel Fingerspitzengefühl. Man sollte den Anteil des langwirksamen Basalinsulins, der über den Tag benötigt wird, berechnen, zu Beginn um 10 bis 20 Prozent reduzieren und dann in Form eines langwirksamen Insulins verabreichen. Im Laufe der Zeit erfolgt dann die Ermittlung der passenden Dosis. Außerdem sollte der Arzt die Dosis oraler Antidiabetika gegebenenfalls anpassen. Eine Umstellung auf ein kurzwirksames Insulin ist aber auch möglich.

Auch Insulin detemir (Levemir®) wird eingestellt. Andere Insuline haben eine längere Wirkdauer, was bei der Umstellung beachtet werden muss. Auch hier sollte zu Beginn die Dosis reduziert und sich an die passende Menge herangetastet werden. Besonders Typ 1-Diabetiker reagieren bei diesem Insulin auf eine Umstellung möglicherweise eher mit Stoffwechselentgleisungen.

Für Humaninsulin könnte Lieferengpass drohen

Generell birgt ein Wechsel von einer gut eigestellten, gewohnten Insulin-Behandlung auf ein anderes Produkt Risiken. Die DDG weist darauf hin, dass jede Umstellung eng vom Arzt überwacht werden muss. Um einem bei Humaninsulin drohenden Lieferengpass zuvorzukommen, solle bereits jetzt begonnen werden.

Neben häufigeren Kontrollen sollten, so die DDG, Betroffene gegebenenfalls das Autofahren für die Dauer der Umstellung unterlassen. Die individuellen Dosen für Insulin nach der Umstellung hängen ab von der derzeitigen Stoffwechsellage, dem Körpergewicht, dem Alter und unzähligen weiteren Faktoren. Schwankungen können vor allem zu Beginn einer Umstellung auftreten.

Die DDG betont, die Wirkung von Insulin als kurz- oder langwirksame Analoga sei besser steuerbar. Klare Lösungen der modernen Insuline müssten zudem vor der Verwendung nicht mehr geschwenkt werden. Insulin-Analoga, so wiederum die Arzneimittelkammer der Deutschen Ärzteschaft, brächten für Verwender nicht unbedingt Vorteile gegenüber Humaninsulin. Sie seien aber teurer. Eine Umstellung der Sortimente sei „Ausdruck geschickten Marketings“.

Quellen:
https://www.bfarm.de/SharedDocs/Arzneimittelzulassung/Lieferengpaesse/DE/2024/info_insuline_20240927.pdf?__blob=publicationFile
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/diabetes-patienten-fruehzeitig-umstellen-151149/
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/10/18/was-apothekerinnen-aktuell-ueber-insulin-wissen-sollten
https://www.ddg.info/politik/stellungnahmen/stellungsnahme-der-deutschen-diabetes-gesellschaft-zu-aenderungen-der-verfuegbarkeit-von-insulinen-ab-2025

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