Beratungsgepräch in der Apotheke.© Yuri_Arcurs / iStock / Getty Images

Besondere Kundengruppen

BEDÜRFNISSE VON SENIOREN

Für viele alte Menschen ist die Vor-Ort-Apotheke neben dem Arzt die wichtigste Anlaufstelle, wenn sie Hilfe rund um ihre Gesundheit benötigen. Hier erhalten Senioren persönliche Beratung.

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Mit steigendem Lebensalter nehmen die Erkrankungen und die Zahl der Medikamente in der Regel zu. Sie sollten in der Apotheke dennoch zwischen den rüstigen Rentnern und den multimorbiden Betagten unterscheiden. Erstere benötigen Gesundheitsangebote zur Prävention und Stärkung der Leistungsfähigkeit. Sie sind an Informationen interessiert und haben selbst genug Zeit, sich um ihre Gesundheit zu kümmern. Diese Patientengruppe ist oftmals gebildet und finanziell abgesichert.

Eine besonders intensive Betreuung aus der Vor-Ort-Apotheke ist gerade hier wichtig, denn diese Menschen sind oftmals sehr internetaffin. Sie sind durchaus in der Lage, ihre Medikamente im Internet zu bestellen, wenn sie im persönlichen Gespräch in der öffentlichen Apotheke mit PTA und Apotheker keinen Mehrwert erkennen. Besondere Dienstleistungen, zum Beispiel eine Medikationsanalyse, Ernährungsberatung, Gesundheitschecks oder Gesundheitsvorträge sind für diese Senioren von Interesse.

Medikationsplan Ältere Kunden mit mehreren chronischen Erkrankungen nehmen im Durchschnitt 8,5 Medikamente täglich ein. Im Einzelfall können es noch deutlich mehr sein. Es ist für die Betroffenen gar nicht so leicht, da noch den Überblick zu behalten, insbesondere, wenn bereits kognitive oder organische Einschränkungen bestehen. Für die Übersicht über die Einnahme sollte jeder Ihrer Kunden, der mehr als drei Medikamente dauerhaft einnimmt, einen bundeseinheitlichen Medikationsplan (BMP) erhalten.

Diesen stellt meistens der Hausarzt aus. Der Plan sollte aktuell und vollständig sein. Wichtig ist, dass er in patientengerechter Sprache formuliert, nach Einnahmezeitpunkten von morgens nach abends hin sortiert ist und vom Patienten verstanden und benutzt wird. Fragen Sie Ihre Kunden oder deren Angehörige danach und überprüfen Sie, ob der Plan aktuell und verständlich ist. Dann kann er eine wichtige Struktur für die tägliche Einnahme der Medikamente sein und Angehörige beim Stellen der Arzneimittel unterstützen.

Barrierefrei Betagte Menschen sind oft nur noch eingeschränkt mobil, manche benötigen einen Rollator. Hier greift die Empfehlung, dass Apotheken barrierefrei erreichbar sein sollten. Treppen oder enge Zugänge stellen für alte Menschen mit körperlichen Behinderungen eine unüberwindbare Grenze dar. Die Apothekenleitung sollte an die Bedürfnisse der älteren Menschen denken und den barrierefreien Zugang, sowie Serviceangebote in Sachen Botendienst und Hausbesuch sicherstellen. Weiterhin erwarten ältere Menschen einen diskreten Beratungsbereich, ausreichende Bewegungsfreiheit auch zwischen den Regalen, gut lesbare Preisschilder und Sitzgelegenheiten.

Spezielles Produktsortiment Wenn sich eine Apotheke besonders auf die Zielgruppe der Senioren spezialisiert, dann können die Waren in der Freiwahl auch für die Älteren interessant sein. Gibt es kein Sanitätshaus in direkter Nähe, sollten auch Apotheken Hilfsmittel, die den Alltag von Senioren erleichtern, anbieten. Pflege für die ältere Haut, spezieller Sonnenschutz, aber auch Vitaminpräparate gehören ins Sortiment.

Inkontinenz ist ein wichtiges, aber eben auch ein Tabuthema bei alten Menschen. Um sicher am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können, braucht es eine gute und diskrete Beratung zu den richtigen Inkontinenzvorlagen. Um Senioren individuell und abgeschirmt zu beraten, sollte die Apotheke einen guten Beratungsraum mit Sitzgelegenheit, guter Beleuchtung und einem Schreibtisch besitzen.

Achtung Selbstmedikation Wer Senioren zu den typischen Bagatellerkrankungen Husten, Schnupfen oder Kopfschmerz berät, sollte sich immer über die Dauermedikation des Kunden informieren. Entweder kann der Medikationsplan als Grundlage für den Interaktionscheck dienen oder vielleicht hat der Kunde auch eine Kundenkarte in der Apotheke und die Überprüfung erfolgt automatisch.

Zahlreiche Arzneimittel der Selbstmedikation interagieren mit anderen Medikamenten. Besonders kritisch ist die Abgabe der nichtsteroidalen Antirheumatika Ibuprofen und Diclofenac im Alter zu beurteilen. Bei eingeschränkter Nierenfunktion oder gastrointestinaler Blutungsneigung ist eine längerfristige Einnahme der scheinbar so harmlosen Schmerzmittel ein Risiko, was Ihren Kunden oftmals nicht bewusst ist.

Auch Antihistaminika zum Schlafen wie Doxylamin oder Diphenhydramin können die anticholinerge Last erhöhen oder das Risiko für QT-Zeit-Verlängerung zusammen mit Arzneimitteln der Dauermedikation verschärfen. Johanniskraut als CYP-Induktor ist im Kontext einer Polymedikation auch eher zu vermeiden, weil es die Metabolisierung zahlreicher Arzneistoffe beschleunigen kann.

Inadäquat im Alter Eine Reihe von Arzneimitteln sind für alte Menschen aufgrund ihrer Nebenwirkungen risikobehaftet. Sie erhöhen das Sturzrisiko, senken die Kognitionsleistung und können Leber- oder Nierenfunktion belasten. Zur Beurteilung der Gesamtmedikation eines alten Menschen können spezielle Listen mit Alternativen zu Rate gezogen werden: zum Beispiel die Priscus- oder die Forta-Liste.

Viele AMTS-Software-Programme, aber auch die ABDA-Datenbank enthalten Informationen zu kritischen Arzneimitteln im Alter. Da alte Menschen, zum Beispiel Heimpatienten, oftmals von mehreren Ärzten und verschiedenen Pflegekräften betreut werden, kann die Dauermedikation Medikationsfehler umfassen. Die Mitarbeiter in der Apotheke sollten immer einen kritischen Blick auf die Gesamtmedikation der Patienten haben.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 05/2022 ab Seite 56.

Dr. Katja Renner, Apothekerin

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