Eine Wunde ist mit Fibrinbündeln verschlossen, in denen sich Blutkörperchen verheddert haben.© selvanegra / iStock / Getty Images Plus
Als ersten Schritt bei einer Verletzung verschließen Thrombozyten das Blutgefäß und verschließen so die Wunde. Als zweiten Schritt lagern sich Fibrinfasern an. An denen können sich aber weitere Blutzellen anhaften - ein Thrombus entsteht.

Thromboseprophylaxe

SCHLÜSSELPROTEIN FÜR DIE BLUTGERINNUNG ENTDECKT

Unsere Blutgerinnung ist ein sehr komplexer Prozess, der bisher nur in Teilen erforscht ist. Medikamentöse Eingriffe in die Regulation bergen stets Risiken. Das könnte sich bald ändern.

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Forschende an der Universität Würzburg haben ein Protein auf Thrombozyten identifiziert, das die Bildung von Blutgerinnseln verhindert, ohne die Blutstillung zu stören. Dieser Effekt ist einzigartig. Heute verwendete Gerinnungshemmer führen stets zu erhöhter Blutungsneigung, was sie problematisch macht.

Das Team in Würzburg konnte zeigen, dass der von ihnen untersuchte Rezeptor auch eine Schlüsselrolle für zukünftige Therapien bei Blutgerinnungsstörungen spielen könnte. Das von Sarah Beck und ihrem Team erforschte Eiweiß ist ein Oberflächenrezeptor auf der Außenwand der Thrombozyten. Sein Name ist Glykoprotein V, kurz GPV. Es verhindert, dass sich übermäßig lange Fibrinfasern bilden, die zur Bildung eines Blutgerinnsels führen können.

Zentrale Wirkung

Bei einer Gefäßverletzung werden zuerst die Thrombozyten aktiviert, die sich dann zusammenlagern und die Wunde provisorisch abdichten. Diesen Prozess bezeichnet man als Blutstillung.  Im Anschluss daran erfolgt die Blutgerinnung, bei der sich ein dichtes Netz aus Fibrinfasern bildet, welches den Wundverschluss stabilisiert. Hier besteht eine komplexe Regulierung, die äußerst empfindlich auf eine Vielzahl von Faktoren reagiert.

Das GPV wird während der Blutgerinnung durch das Enzym Thrombin von der Oberfläche der Thrombozyten abgeschnitten und kann dann im Blut zirkulieren. Thrombin ist essenziell für die Bildung der Fibrinfasern. Seine Aktivität entscheidet, wie stark das Blut lokal gerinnt. Das lösliche GPV bremst die Bildung von Fibrin und so die gesamte Blutgerinnung.

Die Wissenschaftler bewiesen diese Wirkung in Mäusen, deren GPV so verändert worden war, dass Thrombin es nicht spalten konnte. Somit konnte kein freies GPV entstehen. In den betreffenden Mäusen kam es zu stark beschleunigter Thrombusbildung nach arteriellen Verletzungen.

Es gelang außerdem, die Wirkweise von GPV zu klären.

  • Thrombin bildet bei der Blutgerinnung einen Komplex mit Fibrin. In diesem Komplex ist es vor im Blut zirkulierenden Antigerinnungsfaktoren geschützt.
  • GPV bleibt nach der Spaltung an Thrombin gebunden und verhindert dessen Komplexbildung mit Fibrin.
  • Das freie Thrombin wird dann abgebaut.

Somit reguliert GPV nur die Blutgerinnung, nicht aber die Blutstillung.

Zwei Wirkungen in einem Protein

Im Mäusemodell konnten die Würzburger bereits künstlich ausgelöste Schlaganfälle durch die Gabe von löslichem GPV verhindern. Nach Ansicht der Wissenschaftler bieten die gewonnenen Erkenntnisse ganz neue Möglichkeiten, Störungen der Blutgerinnung zu behandeln. Ziel der Forschung ist seit Jahren die Prävention von Thrombosen bei gleichzeitiger Erhaltung der Blutstillung. Lösliches GPV könnte helfen, da es nur eine Überproduktion von Fibrin und damit die Entstehung eines Blutgerinnsels verhindert.

Umgekehrt können sich die Forschenden auch eine Therapie von Blutern vorstellen. Sarah Beck und ihrem Team gelang es, durch einen Antikörper die Spaltung von GPV zu verhindern. So konnte eine Blutstillung unter Bedingungen erreicht werden, bei denen dies ansonsten nicht möglich gewesen wäre. Menschen mit fehlenden Gerinnungsfaktoren könnte mit den neuen Erkenntnissen bald besser geholfen werden.

Quellen:
https://www.wissenschaft.de/gesundheit-medizin/neuer-kontrollmechanismus-der-blutgerinnung-entdeckt/
Beck, S., Öftering, P., Li, R. et al.: „Platelet glycoprotein V spatio-temporally controls fibrin formation“ Nature cardiovascular research, 23. März 2023. https://www.nature.com/articles/s44161-023-00254-6

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