Studiendesign
WIRKLICH MIKROPLASTIK IM GEHIRN?
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Immer häufiger schockieren Nachrichten rund um Mikroplastik. Die kleinsten Plastikteilchen von maximal fünf Millimetern Größe befinden sich nicht nur im Meer, im Sand oder in den Mägen von Tieren. Sie wurden auch schon in Lebensmitteln wie Teebeuteln oder Leitungswasser und in Kosmetikartikeln entdeckt. Sogar durch die Atemluft gelangen die Mikro- und Nanoplastikpartikel.
Welche Auswirkungen auf die Gesundheit daraus folgen, ist noch unklar. Dafür gibt es zu viele unterschiedliche Materialien, Aufnahmewege oder auch Ergebnisse bezüglich der Partikelgröße. Doch allein die Vorstellung, dass nicht abbaubare Partikel durch die Blutbahn schwimmen, genügt den meisten Menschen wahrscheinlich schon. Forschende um Dr. Haipeng Huang von der chinesischen Forschungsakademie für Umweltwissenschaften in Peking wollten diese Partikel nun sichtbar machen und ihren Weg mit den möglichen Auswirkungen auf die Versuchstiere optisch verfolgen.
Mikroplastik in Immunzellen und im Gehirn von Mäusen
Die Versuchstiere wurden zunächst präpariert: Sie bekamen eine Glasplatte aufs Gehirn gesetzt, sodass der Blutstrom betrachtet werden konnte. Danach erhielten sie Trinkwasser mit fluoreszierenden Mikroplastikteilen. Zwei Stunden später sahen die Forschenden Mikroplastik im Gehirn und wenig später in Blutzellen, von denen sie annahmen, es handele sich um Immunzellen (Fresszellen), die fluoreszierende Mikroplastikpartikel durch Phagozytose aufgenommen hatten.
Nach direkter Injektion von Mikroplastik ins Blut, erschienen wenige Minute später fluoreszierende Immunzellen. Zwar beruhigend, dass das Immunsystem das Mikroplastik als fremd erkennt und dagegen angeht. Doch erkannten die Forschenden, dass sich die Fresszellen nach Aufnahme des Mikroplastik veränderten. Sie erschienen größer und träge, blieben in kleinen Blutgefäßen hängen und verstopften diese. Sieben Tage lang hielt diese Veränderung an und machte sich am stärksten bemerkbar bei Kleinstkonzentrationen im Blut (6 bis 12 µg/ml). In früheren Studien wurde ein solcher Konzentrationsbereich an Mikroplastik im Blut auch schon beim Menschen gefunden.
Und die Mäuse? Im Vergleich zur Kontrollgruppe zeigten sie eingeschränkte motorische Funktionen, Probleme bei der Koordination und ein vermindertes Arbeitsgedächtnis. Am stärksten waren die Effekte Stunden nach der Injektion und hielten bis zu einer Woche an. Auch letzte Hirngefäß-Verstopfungen waren nach vier Wochen verschwunden.
Übertragbarkeit Maus zu Mensch
Und wir Menschen, die wir täglich mit Mikroplastik konfrontiert sind? Die Studie liefert zunächst nur einen möglichen Erklärungsmechanismus, wie Mikroplastik im Körper aufgenommen wird und zu Störung des Blutflusses führen kann, nämlich über veränderte Immunzellen, die Mikroplastikpartikel zuvor aufgenommen hatten. Der Rückschluss, Mikroplastik verstopft unser Gehirn, klingt skandalös, ist aber nicht bewiesen.
Auch die Studie an sich wird in der Fachwelt kritisiert:
- Die gemessenen Mikroplastikkonzentrationen wurden durch Injektionen hervorgerufen, was beim Menschen nun dann doch nicht passiert.
- Die beobachteten Zellen wurden nicht genauer identifiziert, handelte es sich wirklich um Fresszellen?
- Ein veränderter Blutfluss im Gehirn der Mäuse könnte auch durch die Tatsache hervorgerufen oder verstärkt werden, dass ihnen operativ Glasscheiben aufgesetzt wurden.
- Die Autor*innen mutmaßen, dass Mikroplastik im Körper zu Nanoplastik zerfällt, ein Vorgang, der in der Natur Jahre in Anspruch nimmt.
Das Resultat? Kann sein, muss aber nicht. Manche Experten wie Dr. Marcel Leist von der Universität Konstanz hält den Prozess prinzipiell für möglich. Andere wie Dr. Elvira Mass von der Universität Bonn zeigen sich skeptisch und sehen keinen Wissensgewinn durch die Studie. Evidenz sieht anders aus. Und seriöse Berichterstattung auch.
Quellen:
Microplastics in the bloodstream can induce cerebral thrombosis by causing cell obstruction and lead to neurobehavioral abnormalities | Science Advances
www.pharmazeutische-zeitung.de:Mikroplastik verstopft Gehirngefäße zumindest bei Mäusen
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