Frau im weißen Kittel lehnt sich lesend über den HV-Tisch© dragana991 / iStock / Getty Images
Werden Fehler und vor allem deren Lösungen dokumentiert, können alle im Team bei Fragen oder Unsicherheiten dort nachschlagen.

Qualitätsmanagement

FEHLER IM APOTHEKENALLTAG VERMEIDEN

Wo gehobelt wird, da fallen Späne: Den Spruch hört man schon mal, wenn etwas schiefgelaufen ist. Das sollte es in Apotheken aber nicht. Wie man im Team Späne am besten vermeidet, war Thema einer Fortbildung der Apothekerkammer Berlin. 

Seite 1/1 4 Minuten

Seite 1/1 4 Minuten

Wie wichtig es ist, Fehler im Apothekenalltag zu vermeiden, zeigt eindrücklich folgender Fehler  mit tödlichen Folgen: Ein Apotheker verwechselte nach einer Großhandelslieferung kurz vor Geschäftsschluss am Samstag zwei Medikamente. Er brachte statt eines Phosphatbinders ein Herzmedikament zu einer Dialysepatientin.

Als er den Fehler am Montag bemerkte, war sie schon gestorben. Vor Gericht befand ein Gutachter, dass sie mit dem richtigen Medikament noch leben könnte. Dem Apotheker wurde zugute gehalten, dass er den Angehörigen seinen Fehler offen bekannt hatte.

Fehler in der Apotheke – Einzelfälle?

Ein absoluter Ausnahmefall, betont Dipl.-Ing. Thomas Ertner, der unter anderem Apothekenteams zu Qualitätsmanagement (QM) und Fehlervermeidung berät. Doch weniger dramatische Verwechslungen am Handverkaufstisch, im Botendienst oder bei Abholung kommen vor.

Qualitätsmanagement in der Apotheke
Die Apothekenbetriebsordnung fordert von jeder Apotheke ein Qualitätsmanagementsystem, das unter anderem Maßnahmen zur Vermeidung von Verwechslungen vorsieht. Sie sind eine heikle Fehlerquelle. Damit Fehlervermeidung im Team gut gelingt, braucht es Zuverlässigkeit und Kritikfähigkeit.

Das war Inhalt einer Online-Fortbildung der Apothekerkammer Berlin Mitte Oktober. Unter der Überschrift „Huch? Da ist wohl was schiefgelaufen“ gab Ertner Tipps zum Umgang mit fehlerhaften Prozessen und lud alle Teilnehmenden zum offenen Austausch ein.  

Qualitätsmamagement Pflicht für Apotheke

Die Apothekenbetriebsordnung fordert von jeder Apotheke ein Qualitätsmanagementsystem (QM) für die pharmazeutischen Tätigkeiten. Es umfasst drei Aspekte:

  • Herstellung, Prüfung und Lagerung von Arzneimitteln nach dem Stand von Wissenschaft und Technik,
  • Vermeidung von Verwechslungen,
  • ausreichende Beratungsleistung.

Qualitätssicherung bedeutet für Ertner, dass zwei Werte gelebt werden: Zuverlässigkeit und Kritikfähigkeit. Er gab auch praxisnahe Antworten auf die Fragen:

  • Wie vermeidet man systematisch Verwechslungen?
  • Wie lernt man aus Beinahe-Fehlern?
  • Was brauchen Teams, um angstfrei zuzugeben, dass etwas schiefgelaufen ist?

Qualitätsmanagement richtig kommunizieren

Gar nicht gut: Wenn die Leitung Parolen ausgibt wie: „Gebt Euch mehr Mühe, dann passiert das auch nicht.“ Denn: „Sie verärgern damit nur Mitarbeiter“, so Etner, „und die Wirkung Ihres Appells können Sie gar nicht überprüfen.“ Oft ist auch gar nicht so klar, wer verantwortlich ist. Ein Kunde kommt zum Beispiel um 14.30 Uhr ein Medikament abholen. Ein Mitarbeiter ist sicher, dass er 15 Uhr gesagt hat. Den Schuldigen suchen? „Besser ist, Kunden zukünftig die Information schriftlich mitzugeben.“ Schreiben plus Sprechen ist sowieso eine gute Kombitherapie zur Fehlervermeidung. Beispielsweise, wenn ein bestelltes Medikament abgeholt wird und man zur Sicherheit sagt: „Hier ist Ihr Cholesterinsenker, Frau Schulze.“ Wer das so mache, fragt Ertner in die virtuelle Runde und ist erfreut. „Wow, da gehen viele Hände hoch.“

Die Kombination aus Schreiben plus Sprechen verhindert laut Thomas Etner Fehler im Apothekenalltag.

Fehler im Apothekenalltag vermeiden mit diesen drei Fragen

Thomas Etner empfihelt jedem Team zur Fehlervermeidung zunächst folgende Fragen für sich zu beantworten:

  • Was genau gilt bei uns als Fehler?
  • Wie gehen wir damit um?
  • Wie wollen wir aus Fehlern lernen?

Beispiel: Ein teures Medikament wird bestellt und abgegeben, ohne dass die Kundin den Abholzettel vorlegt. Zwei Wochen später kommt sie mit der Abholnummer und verlangt es erneut. Das Team bespricht: Wer in Zukunft ein bestelltes Medikament ohne Abholnummer herausgibt, lässt sich immer den Empfang quittieren.  

Fehler im Apothekenteam besprechen

Ertner findet lehrreich, was häufig untergeht: Fehler, die prompt behoben wurden, oder Beinahe-Fehler. „Darüber sprechen wir kaum im Rahmen des QMS. Aber so geht verloren, was man daraus lernen könnte.“ Vielleicht hat eine Kollegin noch mitbekommen, was passiert ist. Aber was ist mit dem ganzen Team? Mit Kollegen in anderen Filialen, für die der Vorfall interessant sein könnte? Ertner rät, auch diese Fehler im Blick zu behalten, zumal es sich um konkrete Ereignisse handelt. „Da hat man ein ganz anderes Verständnis, als wenn im Team abstrakt über Fehlermöglichkeiten gesprochen wird.“

Tipp für stressige Momente: Fehler ausbügeln, Notiz schreiben, bei nächster Gelegenheit darüber sprechen. „Gabi, 14.10., Metoprolol. Ein paar Stichworte reichen, um sich zu erinnern.“  

Technik ausreizen

Technik kann ebenfalls helfen, Fehler zu vermeiden. „Reizen Sie Ihre Systeme aus“, sagt Ertner. „Gestalten Sie Ihre Prozesse so, dass tunlichst gar kein Fehler passieren kann.“ Eine Teilnehmerin berichtet, dass im Beratungsprozess einmal versehentlich ein Produkt gelöscht wurde. „Wir haben dann festgelegt, dass die Preisabfrage immer über das Kassenprogramm und nie über den Artikelstamm laufen muss.“

Ohne Technik geht es nicht, ohne klare Haltung im Team ebenso wenig. Es geht darum, Fehler zu vermeiden, nicht Schuldige zu verurteilen. Auf diese Weise Fehler im Apothekenalltag zu vermeiden und Qualität zu sichern, ist auch Führungsaufgabe: „Dafür muss man einen angstfreien Raum schaffen.“

Thomas Ertner empfiehlt: „Nach den Ursachen des Fehlers fragen, nicht nach dem Verursacher.“

Eine Apotheke hat ihn besonders beeindruckt: „Da wird immer der Murks des Monats prämiert. Und angegangen.“ Eines fällt Ertner häufig auf, nämlich dass Erfolge im Qualitätsmanagement zu wenig gefeiert werden. „Wir reden über die Dinge, die nicht laufen. Aber wenn es läuft, sagt meist keiner: ,Das klappt jetzt übrigens top.‘“ Das ist eindeutig ein Fehler.

×