Negative Kritik
GESETZENTWURF ZU LIEFERENGPÄSSEN KOMMT NICHT GUT AN
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ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening geriet Anfang der Woche in Wallung: „Die Apotheken lösen tagtäglich die Probleme, die andere verursacht haben – und das mit hohem personellen und zeitlichem Aufwand.“
Wer schon einmal ein Rezept in der Hand hatte, auf dem nicht eine einzige PZN lieferbar war, weiß, wovon sie spricht. Denn sehr viele Medikamente sind derzeit nicht lieferbar.
Vorbei mit den Lockerungen
Nachdem die Abgaberegeln zur Verwaltung des Mangels erfreulicherweise gelockert worden waren, rudert man jetzt zurück: Für das neue ALBVVG-Gesetz gibt es nun einen Entwurf, live aus dem Bundesgesundheitsministerium. Der nimmt vieles der neu gewonnen Freiheiten wieder zurück, zum Beispiel die des Austausches wirkstoffgleicher Arzneimittel auch ohne Rücksprache mit dem Arzt.
Dieser Austausch erfährt nun eine Vielzahl von Einschränkungen – beispielsweise darf nur in dem Fall von Rabattverträgen ohne Rücksprache mit dem Arzt auf ein wirkstoffgleiches, vorrätiges Präparat abgewichen werden, wenn es auf der Engpass-Liste des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vermerkt ist. Bekanntermaßen spiegelt die Liste aber nicht den aktuellen Stand wieder, denn in einigen Fällen sind bestimmte Präparate kurzfristig wieder erhältlich, dann wieder nicht oder nur in begrenzter Stückzahl pro Apotheke.
Schnelle Hilfen bei Nichtlieferbarkeit
Overwiening fordert uneingeschränkt geltende Austauschregeln
Overwiening hat dazu eine klare Meinung: Die ABDA fordert eine Überarbeitung des Entwurfes inklusive uneingeschränkt geltende Austauschregeln. Immerhin sorgen die Apotheken trotz der Engpässe für eine zuverlässige Versorgung der Patienten und sie „leisten damit einen wichtigen Beitrag auch zum Erhalt des sozialen Friedens“. Auch die Mini-Pauschale findet sie zu karg bemessen: „Die Apothekerinnen und Apotheker für die aufwändige Problemlösung mit 50 Cent abspeisen zu wollen, ist eine Herabwürdigung der Leistungen unseres Apothekenteams. Dagegen werden wir uns wehren.“
Auch andere Köpfe haben zum Gesetzentwurf eine klare Meinung: Ihm fehle eine „umfassende Überprüfung der Ausschreibepraxis bei Rabattverträgen“, sagt Hauptgeschäftsführer Hubertus Cranz vom Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH). Besonders enttäuschend aus seiner Sicht: der fehlende Inflationsausgleich für preisregulierte Arzneimittel
Han Steutel, Präsident der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) kann nicht erkennen, dass der Entwurf die Situation irgendwie verbessert: Er sei „Stückwerk, das weder dazu führen wird, künftige Versorgungsengpässe schneller zu erkennen, noch eine grundlegende Strategie verfolgt, um Versorgungssicherheit in Zukunft zu gewährleisten.“
„Jetzt braucht es ein Umdenken“
Hans-Georg Feldmeier, Vorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) meint, die Gesundheitspolitik habe „spät, aber richtigerweise erkannt, dass strukturelle Maßnahmen im Generikabereich nötig sind, um die Versorgungsicherheit zu stärken.“ Hauptursache der jetzigen Lieferengpässe sei ein „ungeheurer Preisdruck bei generischen Arzneimitteln der Grundversorgung, der, wie es Gesundheitsminister Lauterbach selbst eingeräumt hat, bis zu Äußersten getrieben wurde.“
Gerade bei den Kinderarzneimitteln sei das deutlich geworden. „Warum setzt man aber nur in einzelnen Bereichen an, wo die Probleme doch die gesamte Grundversorgung betreffen? Pharmazeutische Unternehmen können durch diverse Sparzwänge, wie beispielsweise dem Preismoratorium und ruinösen Rabattverträgen zwischen Krankenkassen und Herstellern, die gestiegenen Kosten nicht weitergeben und wirtschaftlich produzieren. Jetzt braucht es ein Umdenken bei den Preisen der Arzneimittel der Grundversorgung, und zwar nicht nur in einzelnen Versorgungsbereichen, sondern in der Breite.“
Der Geschäftsführer von Pro Generika, Bork Bretthauser, kritisiert: „Die Politik hat erkannt, dass das Hauptsache-Billig-Prinzip bei Generika die Versorgung destabilisiert hat und zu Engpässen führt. Dieses Gesetz wird das Engpass-Problem nicht lösen, denn es geht seine Ursachen nur bei Antibiotika und Krebsmitteln an. Auch Herz-Kreislaufmittel, Schmerz-Medikamente oder Antidepressiva werden immer wieder knapp. Ursache ist hier ebenfalls: das niedrige Kostenniveau.“ Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, ergänzt: „Es ist zu befürchten, dass die Regelungen zur nationalen Preisfestsetzung von Reserveantibiotika nicht zur Entwicklung neuer Antibiotika beitragen.“ Denn dieses Forschungsfeld sei für viele pharmazeutische Unternehmer unattraktiv. Das angesprochene Frühwarnsystem, bevor Arzneimittel knapp würden, sei im Übrigen nur durch zusätzliche Vertretungen der maßgeblichen Krankenkassenverbände auf Bundesebene erreicht werden.
Alles in allem also eine eher verhaltene Aufnahme des neuen Gesetzentwurfes: Die Versorgungssicherheit kann aus Sicht der Experten so eher nicht verbessert werden.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung