Ärzte halten Röntgenbild einer Lunge in Händen; im Hintergrund ein Patient im Krankenhausbett.© DragonImages / iStock / Getty Images Plus
Die Zahl der festgestellten Atemwegserkrankungen in Deutschland steigt drastisch.

Lunge

ALLE VIER MINUTEN EIN TOTER: ATEMWEGSERKRANKUNGEN AUF DEM VORMARSCH

Alle vier Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch an den Folgen einer Atemwegserkrankung. Das ist die bittere Bilanz eines Berichtes der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin. Tendenz: eher noch steigend.

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Bei einigen Erkrankungen sind die Fallzahlen bis 2019 in die Höhe geschossen. Die Folgen der Corona-Pandemie haben die Fachleute noch nicht einmal eingerechnet. Sie sind sich einig: Es stehen große Herausforderungen an.

Das aktuelle „Weißbuch Lunge“ der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin beruht auf anonymisierten Daten von rund 8,8 Millionen Versicherten der Barmer Ersatzkasse aus den Jahren 2010 bis 2019. Die Aufstellung bietet einen Überblick über die Daten zu sämtlichen Atemwegserkrankungen.

Schlafapnoe, Lungenembolie, Asthma, Krebs, Lungenfibrose

Besonders auffällig: Die Zahlen bei Schlafapnoe-Syndrom sind um 92, die Fälle von Lungenembolien um 71 Prozent angestiegen. Schlafapnoe zeichnet sich aus durch kurzzeitige Atemstörungen im Schlaf und wird zum Beispiel durch Herzkrankheiten begünstigt. Eine Lungenembolie bezeichnet eine Verlegung der Lungenarterie durch eine Thrombose, Tumormaterial oder Luft. Hier führen die Autoren des Weißbuches einen Teil des Anstieges auf verbesserte Diagnostik, vor allem bessere Bildgebung, zurück. Warum vermehrt Fälle von Schlafapnoe vorkommen, erläutern sie nicht.

Insgesamt bezeichnet die Analyse die Zahlen als alarmierend.

  • Die Anzahl der Asthma-Diagnosen stieg um 17 Prozent,
  • die der Lungenkrebserkrankungen um 33,
  • die der Lungenfibrosen sogar um 39 Prozent.

Bei einer Fibrose wandelt sich Funktionsgewebe, hier Lungenbläschen, in Bindegewebe um und führt so zu immer stärkeren Einschränkungen im betreffenden Organ.

Lungenentzündunge, Mukoviszidose, Tuberkulose

Bei den Lungenentzündungen und der Zahl der Mukoviszidose-Diagnosen ist kein nennenswerter Anstieg zu verzeichnen, die Fälle von Tuberkulose sanken sogar um sechs Prozent. Entwarnung geben die Wissenschaftler trotzdem nicht, im Gegenteil. Sie warnen vor einem Mangel an antiinfektiven Substanzen, vor allem an Antibiotika. Ihrer Meinung nach fördert die Globalisierung die weltweite Verbreitung von Infekten. Zunehmende Resistenzbildung gegen die bekannten Substanzen stellt ein ernstzunehmendes Problem dar, für das eine Lösung gefunden werden muss.

Die Autoren bemängeln: „Da sich mit Antibiotika nicht nennenswert Geld verdienen lässt, ist das Interesse der Industrie an einer solchen Entwicklung gering.“ Bürokratische Hürden und die unterschiedlichen Regelungen in einzelnen Bundesländern bremsten die Ausschöpfung in Deutschland vorhandenen Potentials, so die Wissenschaftler.

„Da sich mit Antibiotika nicht nennenswert Geld verdienen lässt, ist das Interesse der Industrie an einer solchen Entwicklung gering.“

Pandemie: mehr Schaden als durch Corona allein

Ein weiteres Problem kündigt das Weißbuch bereits an: Durch den pandemiebedingten Zusammenbruch etablierter Programme zur Bekämpfung der Tuberkulose vor allem in Afrika dürften die Fallzahlen wieder deutlich steigen. Die Autoren sehen gewaltige Herausforderungen, die außerordentlicher Anstrengung bedürfen, aber auch enorme technologische Entwicklungen in der Forschung sowie in der Bildgebung.

Sie fordern, Forschungsaspekte bereits ins Studium zu integrieren, um früh die Begeisterung bei den angehenden Ärztinnen und Ärzten zu wecken. Sie schreiben, „dass Forschung immer dann Ideen generiert und vor allem Forschende gewinnt, wenn sie früh begeistert und Erfolge zeigt.“ Gerade bei der Behandlung von Asthma und Allergien gebe es erhebliche Fortschritte durch besseres Verständnis der zugrundeliegenden immunologischen Veränderungen und die Einführung moderner Arzneimittel. Bei Lungenkrebs zeichnet sich aus den gleichen Gründen zumindest eine Reduktion der Sterblichkeit ab.

Die Auswertung der Daten endet bewusst mit dem Jahr 2019. Die Forscher wollen die Auswirkungen der Corona-Pandemie ab 2020 im nächsten Weißbuch Lunge genau analysieren.

Quellen:
https://pharma-fakten.de/news/lungen-und-atemwegserkrankungen-alle-4-minuten-stirbt-ein-mensch-in-deutschland/
https://www.pneumologie.de/aktuelles-service/presse/pressemitteilungen/deutsche-erkranken-immer-haufiger-asthma-copd-oder-lungenkrebs-heute-erscheint-das-neue-weissbuch-lunge-einzigartige-entscheidungshilfe-fur-politik-und-gesundheitswesen-dank-verbesserter-datenbasis
https://pneumologie.de/storage/app/media/uploaded-files/20230320_Wei%C3%9Fbuch_Lunge_2023.pdf

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