Mutter, vater und zwei Kinder im Vorschulalter sitzen im Bett, zugedeckt, und schnäuzen sich die Nasen.© evgenyatamanenko / iStock / Getty Images Plus
Wer krank ist, gehört ins Bett. Damit Ihre Kundinnen und Kunden schnell wieder fit werden, ist eine gute Empfehlung gefragt.

Husten und Schnupfen

AKUTE ATEMWEGSINFEKTE IN DER SELBSTMEDIKATION

200 Millionen Packungen Erkältungspräparate gehen pro Winter in Deutschland über die HV-Tische; über 11 000 pro Apotheke. Atemwegsinfekte gehören zu den klassischen Indikationen der Selbstmedikation. Mit Ihrer fundierten Empfehlung haben Sie die Chance, Stammkund*innen zu gewinnen.

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Für diesen Herbst sagt das Robert Koch-Institut (RKI) hohe Fallzahlen voraus. Im Wochenbericht vom 6. Oktober hieß es: „Der Infektionsdruck nimmt jetzt im Herbst in allen Altersgruppen der Allgemeinbevölkerung wieder deutlich zu. Dies betrifft akute Atemwegsinfektionen insgesamt, aber auch COVID-19.“

In der Selbstmedikation spielen akute Atemwegsinfekte die größte Rolle, vor allem in der kalten Jahreszeit. Sie betreffen alle Altersgruppen und Geschlechter und oft ist die Apotheke erste Anlaufstelle, noch vor der Arztpraxis. Ihre Kund*innen können nach kurzer Zeit spüren, wie Ihre Empfehlung ihnen hilft. Hier steckt also viel Potenzial, sie mit einem ausführlichen Beratungsgespräch und der passenden Empfehlung an Ihre Apotheke zu binden.

Was gehört alles zu den Atemwegen?

Alle Bereiche des Körpers, durch die beim Atmen Luft strömt, gehören zu den Atemwegen. Nase, Nasennebenhöhlen und der Rachen bilden die oberen Atemwege, Kehlkopf mit Kehldeckel, Luftröhre, Bronchien und Lunge die unteren. Das Atmen dient dazu, Sauerstoff in die Lungenbläschen zu transportieren, damit er ins Blut aufgenommen werden kann. Umgekehrt transportiert der Atem Kohlendioxid ab. Das machen wir täglich rund 20 000 mal.

Die Nase befeuchtet und reinigt die Atemluft, außerdem warnen uns stechende oder beißende Gerüche davor, Giftstoffe einzuatmen. Beim Atmen durch den Mund fehlen diese Funktionen, außerdem trocknen die Rachenschleimhäute dann leichter aus – die Infektanfälligkeit steigt. In den meisten Fällen gibt es anatomische Ursachen für die Mundatmung, etwa vergrößerte Rachenmandeln oder eine schiefe Nasenwand. Raten Sie Kund*innen, die generell durch den Mund atmen, dies ärztlich abklären zu lassen.

Da sich jedoch auch beim Atmen durch die Nase nur größere Teilchen an den Nasenhaaren verfangen, sind die Atemwege zusätzlich mit einer Schleimhaut ausgekleidet, an der feinere Partikel und Krankheitserreger anhaften. Die Schleimhaut der Lunge, des Nasen- und Rachenraums ist eine funktionelle Einheit, identisch aufgebaut und miteinander verbunden. Sie besteht aus dem Flimmerepithel: Zellen mit beweglichen Flimmerhärchen (Zilien). Zwischen den Flimmerzellen sitzen Becherzellen, die Schleim produzieren. Der Schleim legt sich über die Zilien und benetzt so das Flimmerepithel. Die Härchen schlagen etwa 1000 mal pro Minute und transportieren den Schleim und alles, was an ihm haftet, in Richtung Rachen. In der Luftröhre bewegt dieser Schleimteppich sich mit etwa einem Zentimeter pro Minute nach oben. Im Rachen angekommen, können wir ihn abhusten – meist schlucken wir ihn aber einfach hinunter.

Der Rachen ist zusätzlich zu dieser Schleimhaut mit Inseln aus lymphatischem Gewebe ausgestattet, den Mandeln. Sie sind eine wichtige Barriere gegen Keime. Der Kehlkopf stellt die Weichen für Nahrung und Atemluft, er sitzt zwischen Rachen und Luftröhre. Der Kehlkopfdeckel verschließt die Luftröhre, damit Nahrung nicht dort hinein, sondern in die Speiseröhre gelangt – allerdings nur beim Schlucken; beim Atmen ist der Kehlkopfdeckel geöffnet. Die Luftröhre mündet in die Bronchien, die sich in der Lunge immer weiter verästeln.

Erkrankungen der Atemwege: Akut

Es gibt die unterschiedlichsten Atemwegserkrankungen. Akute Atemwegsinfekte werden meist durch Viren ausgelöst, aber auch Bakterien und sogar Pilze können Ursache sein. Zu den häufigsten Erregern zählen: 

  • Rhinoviren
  • SARS-CoV-2
  • Influenzaviren
  • MERS-Coronaviren
  • Humane Respiratorische Synzytial-Viren
     
  • Pneumokokken
  • Legionellen
  • Tuberkulose-Erreger

Eine solche akute Atemwegsinfektion äußert sich durch Husten, Schnupfen und/oder Heiserkeit. Die Symptome entstehen, weil die Erreger die Gewebezellen der Atemwege befallen, dort eine Entzündung hervorrufen und so die Region an ihrer Funktion hindern.

Zu den akuten Atemwegsinfekten gehören zum Beispiel Erkältungen (grippale Infekte), die Grippe (Influenza), COVID-19, eine Bronchitis, die Lungenentzündung (Pneumonie), Mandelentzündungen und Rippenfellentzündungen. Krupp ist eine Infektion des Kehlkopfes mit dem Diphtherie-Erreger Corynebacterium diphtheriae und geht mit lebensbedrohlichen Erstickungsanfällen einher. Pseudokrupp ist auch eine Kehlkopfentzündung, aber durch andere Auslöser.

Erkrankungen der Atemwege: Chronisch

Zu den chronischen Atemwegserkrankungen gehören Asthma und COPD. Bei Asthma neigen die Bronchien dazu, sich überschnell zu entzünden. Die Muskulatur der Atemwege verkrampft und es lagert sich Flüssigkeit in die Schleimhaut ein. So kommt es zu Husten, Atemnot und Pfeifgeräuschen beim Atmen. Diese bronchiale Hyperreaktivität kann durch Umwelteinflüsse wie Allergene, Infektionen, Zigarettenrauch oder Schadstoffe entstehen, aber auch genetisch bedingt sein.

Die Beschwerden der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung COPD sind ähnlich. Während Asthma so gut einstellbar ist, dass es keine Beschwerden mehr bereitet, schreitet COPD schubweise vor. Die Muskulatur der Bronchien ist im Gegensatz zu Asthma nicht nur bei einem Anfall, sondern dauerhaft verkrampft. Meist beginnt es mit Luftnot bei körperlicher Belastung, im fortgeschrittenen Stadium benötigen die Betroffenen selbst in Ruhe zusätzlichen Sauerstoff. COPD entsteht durch dauerhaftes oder oft wiederholtes Reizen der Lunge durch Schadstoffe, vor allem Zigarettenrauch.

Schnupfen in der Selbstmedikation

Schnupfen ist mehr als bloß lästig. Wie bereits beschrieben, gelangen bei einer verstopften Nase mehr Partikel durch den Mund in die unteren Atemwege. Und wird die Eustachische Röhre zwischen Nasen-Rachen-Raum und Mittelohr nicht richtig belüftet, kommt es leichter zu Mittelohrentzündungen. Wir sollten Schnupfen also ernst nehmen und behandeln.

Dauern die Beschwerden länger als zwölf Wochen an, sollten Ihre Kund*innen Autoimmun- und schwerere Infektionskrankheiten, Allergien und anatomische Ursachen ärztlich ausschließen lassen. Im akuten Infekt können Sie abschwellende Arzneimittel, hypertone Kochsalzlösungen und Pflegeprodukte empfehlen.

Zu den Arzneimitteln, die die Nasenschleimhaut abschwellen lassen, gehören α-Sympathomimetika wie Xylometazolin oder Oxymetazolin, die als Tropfen, Sprays oder auch Gele erhältlich sind. Sie verengen lokal die Blutgefäße, die Nasenatmung wird erleichtert. Um einem Gewöhnungseffekt vorzubeugen, sollten sie maximal eine Woche lang angewendet werden. Pseudoephedrin ist auch ein Sympathomimetikum, wirkt aber systemisch und wird oral eingenommen. Aufgrund der Wirkung am Zentralen Nervensystem und zahlreicher möglicher Wechselwirkungen sollten Sie es nur empfehlen, wenn keine Grunderkrankungen vorliegen, insbesondere keine Blutdruck- oder Schilddrüsenbeschwerden.

Hypertone Kochsalzlösung lässt die Nasenschleimhaut ebenfalls abschwellen, das Wirkprinzip beruht hier auf Osmose. Die Natriumchlorid-Konzentration der Lösung ist höher als die der Nasenschleimhaut. Die semipermeable Membran der Schleimhaut lässt aber keine Natriumchlorid-Moleküle passieren, nur Wasser. Für den Konzentrationsausgleich strömt Wasser deshalb aus der Schleimhaut aus, wobei sie abschwillt. Hypertone Kochsalzlösung gibt es, wie die α-Sympathomimetika auch, als Nasenspray, aber auch eine Nasendusche mit Kochsalzlösung bietet sich an, zumal sie die Nase auch gleich mechanisch befreit.

Pflege bietet sich immer an
Isotone Kochsalzlösungen hingegen lassen die Nasenschleimhaut nicht abschwellen, sondern pflegen sie – ein guter Rat bei einer trockenen Nase. Enthält die Lösung auch Hyaluronsäure oder Dexpanthenol, spendet sie zusätzlich Feuchtigkeit und unterstützt die Regeneration, wenn die Nase wund ist.

Auch mit ihrem Verhalten können Kund*innen zur schnelleren Genesung beitragen. Um Borken aus der Nase zu lösen, sollten sie nicht popeln. Das könnte die Nasenschleimhaut verletzen. Stattdessen kann man die Krusten mit Dampfinhalationen, Nasenduschen oder Nasensalbe/-öl aufweichen. Solche Nasensalben oder –öle mit hochwertigen Ölen als Grundlage und Zusatz von Dexpanthenol oder Mineralsalzen halten die Schleimhaut bei regelmäßiger Pflege geschmeidig und beugen neuen Borken vor. Zum Schnäuzen heißt es oft, die Nase hochzuziehen sei schonender und das Sekret werde nach dem Herunterschlucken von der Magensäure entkeimt und zersetzt. Allerdings kann es beim Hochziehen auch in die Lunge gelangen und sie infizieren. Deshalb sollten wir doch besser schnäuzen, aber ohne Druck und ein Nasenloch nach dem anderen, damit das Sekret nicht in die Nebenhöhlen gelangt.

Husten in der Selbstmedikation

Husten ist ein Schutzmechanismus, mit dem die Atemwege sich von Partikeln befreien, wenn die mukoziliäre Clearance es allein nicht schafft. Der Vagusnerv leitet den mechanischen Reiz in den Atemwegen an das Hustenzentrum im Hirnstamm weiter, das dann den Hustenreflex auslöst. Außer Krankheitserregern können auch bestimmte Arzneimittel wie ACE-Hemmer, Fremdkörper, Schadstoffe, Magensäure-Reflux, Allergien, kardiale Erkrankungen oder Tumoren den Hustenreflex auslösen. Verweisen Sie Kund*innen bitte an den Arzt, wenn der Husten

  • seit über 8 Wochen besteht,
  • sich nach einer Woche Selbstmedikation nicht bessert
  • oder sich sogar verschlimmert,
  • wenn er mit Fieber, Schmerzen oder Atemnot einhergeht
  • oder mit blutigem Auswurf.

Die aktuelle ärztliche Leitlinie empfiehlt die Frage nach der Dauer des Hustens als Einstieg in das Beratungsgespräch. Erkältungshusten sollte sich nach zwei Wochen deutlich bessern. Zwischen drei und acht Wochen spricht man von einem subakuten Husten; etwa, wenn trockener Husten sich nach einem Infekt noch hartnäckig hält. Beschwerden über acht Wochen gelten als chronisch.

„Trocken oder produktiv?“
Leitliniengemäß ist diese Frage für das Beratungsgespräch irrelevant. Betroffene verschätzen sich oft in der Menge an Sekret, die sie abhusten, verwechseln Auswurf mit Speichel oder empfinden festsitzenden Schleim als trockenen Husten.
Meist beginnt ein akuter Atemwegsinfekt mit trockenem Husten. Die Zilien des Flimmerepithels werden in ihrer Funktion eingeschränkt und transportieren Schleim nicht mehr richtig ab. Wenn dieser sich verflüssigt und wieder leichter nach außen transportieren lässt, spricht man von einem produktiven Husten, der meist eine Woche anhält. In der (mehrwöchigen) Abheilungsphase wird der Husten wieder trocken.
Aber was empfehlen? Phytopharmaka decken oft beide Indikationen ab. Oder Sie empfehlen für tagsüber hustenlösende, für nachts hustenreizstillende Präparate.

Mukolytika und Sekretolytika erleichtern das Abhusten. Phytotherapeutisch stehen hier zum Beispiel Thymian, Süßholzwurzel, Primelwurzel, Spitzwegerichkraut oder Kapland-Pelargonienwurzel zur Verfügung, die zusätzlich antiviral und antibakteriell wirkt und die Zilien anregt. Efeu wirkt außer sekretolytisch auch bronchospasmolytisch und bronchodilatierend. Auch die ätherischen Öle von Thymian, Pfefferminze, Eukalyptus oder Kiefernnadeln eignen sich, um Husten zu lindern, zum Beispiel als Inhalat, Raumduft oder Einreibung. Sie können bei Kindern unter sechs Jahren jedoch lebensbedrohliche Kehlkopfkrämpfe auslösen. Weisen Sie darauf auch erwachsene Kunden hin, die entsprechende Präparate selbst anwenden möchten und kleine Kinder haben. Für Kinder und Säuglinge existieren angepasste Inhalate und Einreibungen. Synthetische Expektoranzien sind Ambroxol, Bromhexin, N-Acetylcystein und Guaifenesin, wobei Ambroxol und Bromhexin auch die Zilienmobilität steigern. Ambroxol wirkt zudem leicht oberflächenbetäubend – mit Lutschpräparaten decken sie produktiven Husten mit begleitenden Halsschmerzen ab.

Antitussiva stillen unproduktiven Husten oder verhelfen hustengeplagten Kunden zu einem ruhigen, erholsamen Nachtschlaf. Entgegen früherer Meinungen können Sie sie zur Nacht auch bei produktivem Husten empfehlen. Bei einem grippalen Infekt ist kein Sekretstau zu erwarten. Hier eignen sich in der Selbstmedikation die synthetischen Wirkstoffe Dextromethorphan, Pentoxyverin und seit diesem Jahr Levodropropizin. Pflanzliche Hustenstiller sind Schleimdrogen wie Eibischwurzel, Malvenblätter und -blüten, Huflattichblätter und Isländisch Moos.

Tipps fürs Beratungsgespräch

Mit der richtigen Körperhaltung können Ihre Kund*innen ihre Hustenmuskulatur unterstützen. Eine aufrechte Haltung empfiehlt sich immer, je nach Hustenart gibt es weitere Tricks. Wenn bei einem produktiven Husten der Schleim schon weit oben im Hals sitzt, ist sogenanntes Huffing schonender als harsches Räuspern. Dazu atmet man langsam und tief ein und haucht dann mit geöffnetem Mund zwei bis dreimal kräftig aus. Gegen Reizhusten hilft eine langsame Nasenatmung, um die Atemluft anzuwärmen und zu befeuchten. Spürt man den Hustenreiz, hilft die Lippenbremse, gleichzeitig entspannt sie die Atemmuskulatur: Die Lippen werden gespitzt und die Oberlippe leicht vorgestülpt, dann wird gegen diesen Widerstand mit leicht geöffneten Lippen langsam ausgeatmet. Das verlangsamt und kontrolliert den Atem.

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