Eine junge Frau sitzt am gedeckten Frühstückstisch, schaut auf das Toastbrot auf ihrem Teller und hält sich die Hand vor den Mund, als sei ihr übel.© Goran13 / iStock / Getty Images Plus
Appetitlosigkeit kann Folge von Arzneimitteln oder auch einer Essstörung sein - Forschende haben eine Substanz untersucht, die hier helfen könnte.

Hunger

URIDIN ALS THERAPIEANSATZ BEI ESSSTÖRUNGEN

Uridin ist bekannt als ein Baustein der RNA. Man weiß aber, dass es auch in der Regulation des Stoffwechsels wichtige Funktionen hat. Neue Studien aus Köln belegen, dass Uridin gezielt hungrig macht. Könnte das zur Behandlung von Essstörungen dienen?

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Ein Team um Ruth Hanssen und Lionel Rigoux am Max-Planck-Institut für Stoffwechselforschung hat in Zusammenarbeit mit der Uniklinik Köln eine Placebo-kontrollierte, doppelblinde Studie durchgeführt.

Sie zeigt, dass die Einnahme von Uridinmonophosphat (UMP), einer Vorstufe von Uridin, das Hungergefühl verstärkt und zu höherer Kalorienaufnahme führt. Möglicherweise könnte UMP als Nahrungsergänzung Menschen mit krankhaft vermindertem Appetit helfen.

Studie: Stärkerer Hunger

Die an der Studie teilnehmenden 39 Männer und Frauen durften über den Tag uneingeschränkt essen und sollten ihr individuelles Hungergefühl angeben. Außerdem wurde ihnen vor der Einnahme des UMP und im Laufe des gesamten Tages immer wieder Blut abgenommen und die Konzentration an freiem Uridin darin bestimmt.

Fasten führte zu einem Anstieg der Uridinkonzentration im Blut, nach Nahrungsaufnahme sank sie schnell wieder ab. Diejenigen, UMP bekommen hatten, berichteten über ein stärkeres Hungergefühl und nahmen in den folgenden zwei Stunden mehr Kalorien zu sich als die Placebogruppe.

Die Forschenden zeigten, dass die Gabe von Uridin keinen Einfluss auf die Verdauung oder die Freisetzung von Substanzen wie beispielsweise Insulin oder Leptin hatte. Nur das individuelle Hungergefühl der Personen verstärkte sich.

Die untersuchten Personen wurden vor der Einnahme des UMP voneinander getrennt, um soziale Effekte auszuschließen. Menschen lassen sich sehr leicht durch Andere beeinflussen, in besonderem Maße beim Essen. Oft werden Mengen untereinander verglichen und auch, welche Lebensmittel verzehrt werden.

Uridin steuert den Appetit zentral

Schon länger weiß man, dass Uridin sowie sein Mono- und Diphosphat (UMP und UDP) im Körper als Botenstoff fungieren. Sie spielen unter anderem eine Rolle im Glycogenstoffwechsel, bei Membranfunktionen und bei der Regulation der Körperkerntemperatur.

Ein Anstieg von freiem Uridin im Blut regt die Bildung von UDP im ZNS an und steigert so das Hungergefühl. Bei Mäusen spiegeln die Blut-Uridinspiegel den Ernährungszustand der Tiere wider. In Fastenzeiten regt die Lipolyse im Fettgewebe die Leber dazu an, Uridin zu bilden. Laut neueren Erkenntnissen stimuliert UDP, welches im Zentralen Nervensystem (ZNS) gebildet wird, gezielt spezielle appetitanregende Neuronen in der Hypophyse. Die Unterbrechung des UDP-Signals in diesen Neuronen führte zu reduzierter Aufnahme fettreicher Nahrung.

Das Kölner Team geht davon aus, die Beobachtungen auch auf den Menschen übertragen zu können.  Somit kommt Uridin wohl eine zentrale Rolle in der Regulation des Energiehaushaltes zu.

Gestörtes Essverhalten

Für Menschen mit vermindertem Appetit, zum Beispiel bei Essstörungen oder bedingt durch Krankheit oder Medikamenteneinnahme, sind die Erkenntnisse aus Köln interessant. Allerdings wurden hier lediglich normalgewichtige Personen untersucht. Frühere Untersuchungen ergaben, dass in hochgewichtigen Menschen die Uridinspiegel nach der Nahrungsaufnahme nicht sanken, sondern eher stiegen. Auch das Team in Köln weist darauf hin, dass die Langzeitgabe von Uridin in Mäusen zur Bildung einer Fettleber und metabolischen Störungen führen kann.

Wie genau das alles zusammenhängt, wird weiter erforscht, um die komplexe Regulation unserer Nahrungsaufnahme besser zu verstehen. Ruth Hanssen und Lionel Rigoux hoffen, den Uridin-Signalweg in Zukunft zur Therapie bei verschiedenen Störungen des Essverhaltens nutzen zu können.

Quellen:
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/uridin-neuer-wirkstoffkandidat-bei-essstoerungen/ 
Ruth Hanssen, Lionel Rigoux et al.: „Circulating uridine dynamically and adaptively regulates food intake in humans“, Cell Reports Medicine, 17. Januar 2023. https://doi.org/10.1016/j.xcrm.2022.100897 
Rohit Kohli, Jashdeep Bhattacharjee, Thomas H. Inge: „Postprandial Uridine Physiology Is Altered by Obesity“, Gastroenterology, 22. August 2018. https://doi.org/10.1053/j.gastro.2018.07.043 

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