Ein Apothekenmitarbeiter reicht einer Kundin über den HV-Tisch eine Papiertüte an. Die Tüte ist grün und ein Cannabis-Blatt ist darauf.© gmast3r/iStock/Getty Images Plus
In Wiesbaden und Groß-Gerau sollen Forschungsprojekte zeigen, ob der Cannabis-Verkauf zu Genusszwecken über Apotheken funktioniert.

Apotheken beteiligt

CANNABIS ZUM GENUSS: VERKAUF SOLL IN MEHREREN STÄDTEN STARTEN

Seit 1. April 2024 ist der Besitz von Cannabis für den Eigenbedarf erlaubt. Verkaufen darf man es aber bisher nicht. Der Kreis Groß-Gerau und einige Großstädte wollen jetzt Modellprojekte starten, in deren Rahmen Cannabis an registrierte Teilnehmer verkauft wird.

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Das Cannabis-Gesetz regelt, dass der Verkauf seit Juli 2024 nur im Rahmen nicht-gewerblicher Anbauvereinigungen an deren Mitglieder erfolgen darf, und zwar zum Selbstkostenpreis. Die Anzahl der Mitglieder solcher Cannabis-Klubs ist begrenzt und strenge Auflagen gelten.

Ursprünglich sollten die Apotheken bei Cannabis und seinem Verkauf ganz außen vor bleiben, nur sogenannte lizenzierte Verkaufsstellen sollten nach Regierungsplänen Cannabis zum Genuss vertreiben dürfen. Warum jetzt die geplanten Modellprojekte und was haben die Apotheken damit zu tun?

Cannabis: Verkauf zu Forschungszwecken

Mehrere Großstädte und der Kreis Groß-Gerau wollen Cannabis zum Genuss bald verkaufen dürfen, und zwar zu Forschungszwecken. Frankfurt am Main, Hannover und zwei Berliner Bezirke planen den Cannabis-Verkauf in lizenzierten Geschäften, Wiesbaden und Groß-Gerau wollen Apotheken einbeziehen.

Um Cannabis aus den Apotheken oder den zum Verkauf berechtigten Geschäften beziehen zu dürfen, müssen sich etwa in Groß-Gerau wohnhafte Erwachsene zunächst über eine App anmelden. Sie bekommen einen umfangreichen Fragebogen. Regelmäßige Befragungen in den folgenden fünf Jahren, in denen das Modellprojekt geplant ist, sollen die erworbenen Mengen und weitere Daten anonymisiert erfassen. Betreut wird das Modellprojekt in Groß-Gerau, das den Cannabis-Verkauf ermöglichen soll, von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf.

Das bezwecken die Modellprojekte

Dort erhofft sich der Professor für Volkswirtschaftslehre Justus Haucap Erkenntnisse zu „gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen“ im Zusammenhang mit dem Cannabis-Verkauf. Er will herausfinden, wie schnell sich beispielsweise der Schwarzmarkt zurückdrängen lässt. Und wie die Möglichkeit, Cannabis legal zu erwerben, das Verhalten der Studienteilnehmer beeinflusst.

Weil in den Apotheken pharmazeutisches Cannabis verkauft werden soll, besteht für die Konsumenten nicht das Risiko einer Verunreinigung oder eines unbekannten Wirkstoffgehaltes, begründet der Kreis die Bewerbung als Modellregion. Es soll auch ermittelt werden, wie viel Konsumenten bereit sind, für „sauberes“ Cannabis zu bezahlen und ob der Verkauf eine eigene Dynamik entwickelt.

In Wiesbaden will man das geplante Modellprojekt nutzen, „um den Schwarzmarkt zu marginalisieren“ und hat nach den Angaben der Gesundheitsdezernentin Milena Löbcke (Die Linke) auch den Kinder-, Jugend- und Gesundheitsschutz im Sinn. In Hannover sollen die gewonnenen Erkenntnisse in zukünftige politische Entscheidungen einfließen.

Vorteile durch Cannabis-Verkauf in der Apotheke?

Katharina Helbig vom Gesundheitsamt des Kreises Groß-Gerau findet, dass Apotheken ein „hervorragender Ort“ für den Cannabis-Verkauf sind. „Das Personal ist geschult, es gibt die notwendige Infrastruktur und viele Apotheken haben bereits Erfahrung mit medizinischem Cannabis.“ Sie betont, dass am Verkauf in der Apothekerschaft durchaus Interesse besteht.

Bisher sind beim Thema Cannabis-Verkauf zu Genusszwecken und allgemein der Legalisierung die Apothekervereinigung ABDA sowie Mediziner, Richter und Polizeivertreter skeptisch. Sie befürchten eine Zunahme des Schwarzmarktes und eine Verstärkung von Suchterkrankungen und Folgeschäden wie psychischen Erkrankungen.

Die Bundesärztekammer (BÄK) lehnt die Legalisierung generell als „verantwortungslos“ ab: „Durch die Freigabe wird eine Droge verharmlost, die nachgewiesenermaßen abhängig macht und zu schweren Entwicklungsschäden führen kann – gerade bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen“, so der BÄK-Präsident Klaus Reinhardt.

Andererseits zeigen Daten der Vereinten Nationen, dass in Ländern, in denen der Cannabis-Konsum legal ist, nicht mehr konsumiert wird. Mehrere Studien legen sogar nahe, dass in einigen Ländern mit strenger Gesetzgebung mehr konsumiert wird als in anderen, liberaleren Ländern. Auch das deutsche Bundesgesundheitsministerium ermittelte noch 2023 durch ein Gutachten die Erfahrungen aus anderen Ländern. Darauf basierend wurde das Gesetz zur Cannabis-Legalisierung im April 2024 verabschiedet.

Im Dezember hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eine Verordnung erlassen, die den Cannabis-Verkauf nun möglich macht. Laut der Verordnung ist die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung dafür zuständig, Anträge von Modellregionen zu prüfen und wissenschaftlich betreute Forschungsprojekte zu verwalten, die mit Cannabis und seinem Verkauf zu tun haben. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Möglichkeit, Cannabis legal zu kaufen, auswirken wird.

Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/gross-gerau-will-verkauf-von-genusscannabis-in-apotheken-testen-152121/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/cannabisverkauf-in-apotheken-und-fachgeschaeften-151042/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/abda-warnt-erneut-vor-risiken-einer-cannabis-freigabe-143469/
https://www.bundesaerztekammer.de/presse/aktuelles/detail/reinhardt-cannabis-legalisierung-ist-kein-jugendschutz-sondern-hochgradig-verantwortungslos
https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/nimmt-cannabis-konsum-nach-einer-legalisierung-zu-ein-faktenfuchs,SmwP5hJ
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/cannabis/faq-cannabisgesetz.html

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