Pilze auf Moos.© Oliver Schulz / iStock / Getty Images

Rauschgifte

ZWISCHEN TRIP UND THERAPIE

Sie gelten als verbotene Substanzen, machen abhängig oder krank: Rauschgifte. Dabei haben sie auch viel mit Arzneimitteln gemein oder werden sogar klinisch erforscht – und oft verschwimmen die Grenzen.

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Als Drogen werden Pflanzen, Pilze und Tiere oder Teile derselben bezeichnet, die der Herstellung von Arzneimitteln dienen und zumeist durch Trocknung konserviert sind, das haben Sie vermutlich irgendwann in Ihrer Ausbildung gelernt. Die meisten Menschen denken bei Drogen jedoch an etwas anderes. Um dieses Verständnis des Begriffs soll es hier gehen: um Rauschmittel. Um Betäubungsmittel, die missbräuchlich angewandt werden, um high zu werden. Wie wirken sie, wie gefährlich sind sie? Haben sie einen therapeutischen Nutzen? Und, wichtig für Ihren Arbeitsalltag: Welche Arzneimittel werden zum Berauschen zweckentfremdet?

Wo ist die Grenze? Das Verständnis dessen, was ein Genuss- oder Arzneimittel und was ein Rauschmittel ist, ändert sich im Laufe der Zeit immer mal wieder. Einige Stoffe, um deren Missbrauchspotenzial wir heute wissen, waren früher rezeptfrei erhältlich. So gab es im späten 19. Jahrhundert einen freiverkäuflichen Hustensaft, der aus Ethanol, Cannabis, Chloroform und Morphin bestand. Sicherlich hat Morphin antitussive Eigenschaften, vielleicht war einem der Husten nach einem Schluck von diesem Saft aber auch einfach egal.

Andersherum werden Rauschdrogen zunehmend auf pharmazeutische Einsatzmöglichkeiten durchleuchtet. Insbesondere Cannabis hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Es wird seit tausenden Jahren als Heilmittel genutzt: in der Antike, der arabischen Medizin, von Hildegard von Bingen und Medizinern des 19. Jahrhunderts. Erst 1925 wurde die Verwendung untersagt.

Fast 100 Jahre galt es als verbotenes Rauschmittel, bevor es nun teilweise wieder therapeutisch genutzt oder sogar zum Freizeitgebrauch legalisiert wird – die Regelungen sind international sehr unterschiedlich. Sowohl Drogen als auch Arzneimittel haben also eine pharmakologische Wirkung, und welchen Status eine Substanz innehat, ist wandelbar und manchmal weniger eine sachliche Frage denn eine Frage der Legalität. Forschende interessieren sich wieder zunehmend für Halluzinogene. Vielleicht beliefern Sie in einigen Jahren Rezepte über Zauberpilze?

Stärke eines Halluzinogens

Wie stark ein Halluzinogen wirkt, lässt sich an der Hirnrindenaktivität messen. Ein höherer Diversitätsindex bedeutet, dass die elektrische Aktivität des Hirns weniger regelmäßig und vorhersehbar ist. Im Schlaf und Koma ist der Index niedriger als im Wachzustand, unter dem Einfluss psychedelischer Drogen höher.

Einteilung Rauschgifte kann man nach mehreren Gesichtspunkten unterscheiden. Zum einen ist da der rechtliche Status. Die Anlagen 1 bis 3 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) listen Stoffe und Zubereitungen auf, für deren Handhabung Einschränkungen gelten. Anlage 3 beinhaltet verkehrsfähige, verschreibungsfähige Substanzen wie Tilidin und Lorazepam. In Anlage 2 finden Sie verkehrsfähige, aber nicht verschreibungsfähige Stoffe: einige Designerdrogen, Roh- oder Abfallstoffe der Betäubungsmittelproduktion, aber auch psychoaktive Arzneistoffe außer Handel. Was in Anlage 1 steht, ist nicht verkehrsfähig. Hier sind LSD und Heroin gelistet.

Zum anderen kann man Drogen ihrer Wirkung nach unterscheiden: Dissoziativa koppeln mentale Prozesse vom Bewusstsein ab. Delirantia führen zu Desorientierung und Halluzinationen, hierzu zählt auch Alkohol. Empathogene oder Entaktogene intensivieren Emotionen. Narkotika, Sedativa und Hypnotika kennen Sie aus der Pharmazie. Psychedelika wirken halluzinogen und Stimulantia schließlich putschen auf, Coffein und Nikotin fallen hierunter. Konsumenten unterscheiden oft nur grob zwischen stimulierenden Uppers, dämpfenden Downers und Halluzinogenen.

Eine Unterscheidung nach Gefährlichkeit und damit in „weiche“ oder „harte“ Drogen ist hingegen schwierig. Eine Möglichkeit wäre, die Anzahl der Todesopfer den Konsumeinheiten gegenüber zu stellen. Beispielsweise stirbt an Alkohol in Deutschland statistisch jedes Jahr ein Mensch pro 600 000 0,3-Liter-Gläsern Bier. Allerdings sind genaue Zahlen für viele Substanzen nicht bestimmbar. Zudem werden hier nur Drogentote erfasst, andere Schädigungen bleiben außen vor.

Der Psychopharmakologe David Nutt entwickelte eine Punkteskala. Sie berücksichtigt Schädigungen des Anwenders, seine potenzielle Abhängigkeit von der Droge und den sozialen Schaden durch den Gebrauch. Je mehr Punkte eine Substanz erhält, desto gefährlicher ist sie. Alkohol führt die Skala mit 72 Punkten an, gefolgt von Heroin (55) und Crack (54).

Da wir jetzt wissen, aus welchen Perspektiven wir ein Rauschmittel betrachten können, werfen wir einen Blick auf die gängigsten Substanzen.

Cannabis Es zählt zu den Sedativa und wird aus den Blüten und Blättern der Hanfpflanzen Cannabis sativa oder Cannabis indica gewonnen. Marihuana („Gras“) sind dabei die getrockneten Blätter und Blüten, Haschisch ist das Harz aus den Blütenhaaren der weiblichen Pflanzen. Es ist eigentlich ein nicht verkehrsfähiges Betäubungsmittel der Anlage 1. Eigentlich. Denn seit dem 10. März 2017 sind Cannabisblüten und Zubereitungen daraus verschreibungsfähig, seitdem setzen sich viele PTA mit Dronabinol-Kits, Blütensorten und Hash-Codes auseinander.

Die Bundesregierung hat sich zudem auf die Agenda geschrieben, Cannabis zu legalisieren. Dann wären Besitz und Konsum, auch ohne Rezept, nicht mehr strafbar und Erwachsene könnten ihren Eigenbedarf von lizensierten Abgabestellen, vielleicht Apotheken, erwerben – Details stehen aber noch nicht fest. Die Inhaltsstoffe Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) gelten als wirksamkeitsbestimmend. Insgesamt wurden bislang 113 Cannabinoide identifiziert. Ihr Gehalt und das Verhältnis zueinander unterscheidet sich von Sorte zu Sorte.

Allgemein sind Indica-Arten eher CBD-betont und damit weniger psychoaktiv als Sativa-Produkte mit hohem THC-Anteil. Die bekannteste Sortenmischung ist wohl die von Jimi Hendrix besungene sativadominierte Purple Haze. Die Konsumenten rauchen Marihuana oder Haschisch in Joints oder Wasserpfeifen, verdampfen das Harz in Vaporizern oder nehmen es, in fettreichen Zutaten gelöst, als Bestandteil von Kakao, Keksen oder Kräuterbutter zu sich.

Mehr als ein Viertel der Menschen in Deutschland haben Cannabis einmal ausprobiert. 2018 gaben etwa sieben Prozent der Personen zwischen 18 und 64 an, es in den vergangenen zwölf Monaten konsumiert zu haben. Personen über 64 (also der Hippie-Generation) wurden nicht berücksichtigt, auch durch die Dunkelziffer dürfte die Zahl vermutlich höher sein.

Auf der Nutt-Skala erzielt Cannabis 20 Punkte. Einer von sieben Konsumenten erfüllt die Diagnosekriterien für Drogenmissbrauch. Es wird schon lange diskutiert, ob Cannabis Psychosen auslöst, denn Konsumenten erkranken häufiger und früher. Manche Studien zeigen, dass vor allem jugendliche Anwender betroffen seien, andere, dass der regelmäßige Konsum über viele Jahre oder Sorten mit sehr hohem THC-Gehalt mit Psychosen in Verbindung stünden. Das ist noch nicht abschließend geklärt. Unklar ist auch, ob Cannabis tatsächlich die Psychose auslöst oder ob Personen mit Veranlagungen für psychotische Störungen eher zu Rauschmitteln greifen.

Gesichert gefährlich sind hingegen Legal Highs. Diese Substanzen sind oft Nebenprodukte der pharmakologischen Forschung, kommen nicht zur Marktreife, werden aber von illegalen Händlern hergestellt und im Internet angeboten. Darunter sind auch Flüssigkeiten für E-Zigaretten, die fälschlich als CBD-Liquid deklariert werden, tatsächlich aber das synthetische Cannabinoid ADB-Butinaca enthalten. Es wirkt rasch, macht stark abhängig, kann leicht überdosiert werden, zu Krampfanfällen und zum Tod führen.

MDMA Neben Cannabinoiden zählen Amphetamine zu den meistverwendeten Rauschmitteln, insbesondere 3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin (MDMA, „Molly“, „Emma“). Ecstasy („XTC“, „E“, „Teile“) enthält hauptsächlich MDMA, es können aber weitere Substanzen beigemischt sein. Ecstasy kommt in Form von bunten Tabletten in charakteristischen Formen oder mit speziellen Prägungen daher, MDMA-Kristalle werden pulverisiert und geraucht oder gesnifft, also durch die Nase gezogen. In den 1960er Jahren wurde MDMA als Appetitzügler genutzt, heute steht es in Anlage 1 des BtMG. Ecstasy erzielt einen Nutt-Wert von 7.

MDMA führt dazu, dass vermehrt Noradrenalin, Serotonin und Dopamin freigesetzt werden, aktiviert deren Rezeptoren und verlangsamt den Abbau. So kommt es innerhalb von einer Viertelstunde zu einem euphorischen, energetischen Rausch, der etwa sechs Stunden anhält. Ecstasy ist ein starkes Entaktogen: Die Konsumenten fühlen sich ihren Mitmenschen verbunden, empfinden das Einheitsgefühl als ekstatisch. Da die Neurotransmitterspeicher sich für diesen Rausch entleeren, folgen oft depressive Erschöpfungszustände auf die Einnahme.

Im Rausch wird der Mund meist trocken, was die Konsumenten unterbewusst durch Kaubewegungen auszugleichen versuchen, die jedoch zu Zahnschäden führen. Auch eine Dehydrierung ist möglich oder eine Hyperthermie, die als größte Gefahr beim Ecstasy-Konsum angesehen wird – gemeinsam mit den weiteren, unbekannten Bestandteilen der Tabletten, die es Notärzten erschweren, passende Antidote zu verabreichen. Außerdem inhibiert MDMA einige CYP450-Enzyme bis zu zehn Tage lang.

In den USA wird MDMA als Therapeutikum bei posttraumatischer Belastungsstörung untersucht. Es soll den Patienten die Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis erleichtern, indem es das Angstzentrum hemmt. Zwei Drittel der Probanden einer Phase-III-Studie waren nach einer mehrmonatigen Psychotherapie mit bis zu drei MDMA-Einnahmen geheilt und auch Jahre später noch symptomfrei.

Amphetamin Das Stimulanz wurde historisch vielfach angewendet: bei Asthma, Narkolepsie, Depressionen, als Appetitzügler, gegen Schwangerschaftserbrechen. Amphetamin ist ein Racemat, sein rechtsdrehendes Enantiomer Dexamphetamin ist heute gegen Aufmerksamkeitsdefizitstörungen (ADS/ADHS) zugelassen. Amphetamin ist nah verwandt mit Methylphenidat, das ebenfalls gegen ADHS verordnet wird. ADHS-Therapeutika werden auf dem Schwarzmarkt als Aufputschmittel gehandelt. Amphetamin wird als Dopingmittel oder zum Rausch („Speed“, „Pep“) missbraucht.

Ein methodisches Problem bei Studien mit Drogen ist, dass die Placebo-Gruppe durch den fehlenden Rausch schnell bemerkt, dass sie ein Scheinmedikament erhält.

Methamphetamin Fügt man Amphetamin eine Methylgruppe hinzu, wird es lipophiler. Das so entstandene Methamphetamin („Crystal Meth“) überwindet die Blut-Hirn-Schranke innerhalb weniger Minuten. Die Folge: Leistungsfähigkeit und Konzentration steigen, Anwender fühlen sich unbesiegbar. Deshalb verteilten die Nationalsozialisten es unter dem Handelsnamen Pervetin, umgangssprachlich Panzerschokolade, an die Wehrmacht. Heute steht es in Anlage 2 des BtMG, auf der Nutt-Skala steht es mit einem Wert von 33 an vierter Stelle.

Über 80 Prozent der Nutzer sind Männer Anfang 20. Crystal Meth führt zu zwanghaftem Kratzen und Abszessen. Die Zähne verfaulen. Die Anwender magern ab und werden infektionsanfällig, ihr Risiko für Schlaganfälle steigt. Wird es gesnifft, zerstört Methamphetamin die Nasenscheidewand, wird es injiziert, führt es zu Infektionen an der Einstichstelle. Es macht nach wenigen Anwendungen abhängig. Crystal Meth kann aus (Pseudo-) Ephedrin recht einfach synthetisiert werden, wie die Serie Breaking Bad zeigt. Das macht es Behörden schwer, die Ausbreitung zu kontrollieren.

Cocain Ein anderes Stimulans ist Cocain, ein Tropan-Alkaloid aus dem südamerikanischen Cocastrauch. Es wird in Anlage 3 des BtMG aufgeführt und ist verwandt mit Lidocain, wirkt lokal jedoch gefäßverengend. Deshalb kommt Cocain als Rezepturarzneimittel in Augentropfen vor, die kurz vor Operationen angewendet werden. Der lokalanästhetische Effekt ist auch der Grund, warum Ermittler in Krimis sich vermeintliches Cocain auf das Zahnfleisch streichen: Wird es taub, handelt es sich um echtes „Koks“.

Cocain hemmt die Wiederaufnahme von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Es macht psychisch, aber nicht körperlich abhängig. Besonders schnell führt Crack in die Abhängigkeit. Dabei handelt es sich um das mit Natron kombinierte Cocainhydrochlorid. Während Cocain als Hydrochlorid ein gut wasserlösliches weißes Pulver ist und gesnifft, oral eingenommen oder auch injiziert wird, ist Crack nicht wasserlöslich und wird in Pfeifen geraucht. Die Klumpen knacken und knistern dabei, daher der Name. Crack wirkt wesentlich stärker als gesnifftes Cocainhydrochlorid. Cocain besetzt Platz 5 der Nutt-Skala (27), Crack Platz 3 (54).

Bunte Farben sehen Viele Psychedelika sind natürlichen Ursprungs; meist stammen sie aus Pflanzen, seltener aus Tieren. Das bekannteste synthetisch hergestellte Halluzinogen ist Lysergsäurediethylamid (LSD, Lysergid, „Acid“). Die psychotropen Substanzen haben gemein, dass sie die Wahrnehmung verändern und Halluzinationen hervorrufen. Wer einen Drogenrausch mit bunten Farben und der Bekanntschaft mit Fabelwesen assoziiert, denkt also an Psychedelika.

Den Rauschzustand bezeichnet man als Trip, diejenigen, die ihn gezielt suchen, als Psychonauten. Wie genau Trips sich gestalten, hängt von der konsumierten Substanz ab, aber auch von der emotionalen Verfassung des Anwenders – Horrortrips sind möglich. Die größte Gefahr bei Psychedelika geht von den Halluzinationen aus: wenn die Berauschten Straßen überqueren, kochen, sich verlaufen oder in höheren Stockwerken glauben, fliegen zu können.

Ayahuasca Eines der stärksten Psychedelika ist wohl Ayahuasca, ein Sud aus Stängeln der Liane Banisteriopsis caapi und Blättern des Strauchs Psychotria viridis, der im Amazonasgebiet unter Anleitung eines Schamanen rituell getrunken wird. Eigentlich wird das halluzinogene Dimethyltryptamin aus Psychotria viridis im Magen-Darm-Trakt vom Enzym MAO abgebaut, davor bewahren es aber die MAO-hemmenden Harminalkaloide aus Banisteriopsis caapi. Kurz nach dem Trinken müssen Anwender sich übergeben, dann durchleben sie einen Stunden bis Tage anhaltenden Rausch, der ihnen emotionale Erlebnisse oder den eigenen Körper näherbringt.

Manche durchleben Ereignisse der Kindheit erneut, andere geben an, gespürt zu haben, wie Zigaretten ihren einzelnen Zellen schaden. Diese Rituale heißen „trabalhos“, Arbeiten, und werden traditionell auch zur Psychotherapie und gegen Suchterkrankungen eingesetzt. Forscher versuchen, dies auf klinische Studien zu übertragen. Wesentlich schwächer wirksam und pharmazeutisch weniger interessant ist Meskalin aus dem Peyote-Kaktus (Lophophora williamsii).

Psilocybin Zauberpilze („Magic Mushrooms“) wie der Spitzkegelige Kahlkopf enthalten die Indolalkaloide Psilocybin und seinen Metaboliten Psilocin, die in Anlage 1 des BtMG gelistet werden. Pilze schließen die Nutt-Skala auf Platz 20 mit einem Wert von 6 ab. Sie wirken ähnlich wie LSD, aber kürzer.

Schon länger untersuchen Forscher Pilze auf ihre antidepressive Wirkung. Eine Studie der Johns Hopkins University testete Psilocybin an Krebspatienten mit schlechter Prognose und Angststörungen. Bereits nach einer einmaligen hohen Dosis sank die Furcht vor dem eigenen Tod und die Lebenszufriedenheit stieg. Den Trip beschrieben viele als bedeutsames spirituelles Erlebnis, sein Effekt hielt bei 80 Prozent auch nach einem halben Jahr an.

LSD Lysergid war zunächst als Psychotherapeutikum erhältlich. Der Chemiker Albert Hofmann testete das von ihm 1938 entdeckte und zunächst als Kreislaufstimulans für unwirksam erachtete Lysergid 1943 erneut, und zwar – versehentlich – im Selbstversuch. Sein von Halluzinationen begleiteter Heimweg auf dem Fahrrad wird jährlich am 19. April als Bicycle Day gefeiert. In der Hippie-Ära der 1960er war LSD äußerst beliebt, 1971 wurde es dann verboten – heute steht es in der BtMG-Anlage 1. Lysergid bindet partialagonistisch mit hoher Affinität an 5-HT2A-Serotonin-Rezeptoren, aber auch an Dopamin- und Adrenozeptoren.

So verändert es das Zeitempfinden und erzeugt optische, akustische und sensorische Halluzinationen. Entwickler Hofmann beschrieb seine unfreiwillige LSD-Erfahrung so: „Kaleidoskopartig sich verändernd drangen bunte phantastische Gebilde auf mich ein […]. Besonders merkwürdig war, wie alle akustischen Wahrnehmungen, etwa das Geräusch einer Türklinke oder eines vorbeifahrenden Autos, sich in optische Empfindungen verwandelten. Jeder Laut erzeugte ein in Form und Farbe entsprechendes, lebendig wechselndes Bild.“

LSD macht nicht abhängig und steht mit einem Wert von 7 auf der zweitletzten Stelle der Nutt-Skala. Meist wird LSD auf kleine Papierchen („Pappen“) aufgebracht und gelutscht, es kann aber auch in ethanolischer Lösung auf Würfelzucker gegeben werden. Dosisabhängig erreicht LSD seine Maximalwirkung nach gut zweieinhalb Stunden, der Trip dauert fünf bis zwölf Stunden. LSD wird auf sein Potenzial gegen Schmerzen, Depressionen und bipolare Störung hin untersucht.

Filmtrips

Für einen interessanten, wenn auch nicht dokumentarischen Blick auf Rauschdrogen schauen Sie sich doch diese Spielfilme und Serien an:
+ Scarface (1983)
+ Breaking Bad (Serie, 2008 – 2013)
+ Fear and Loathing in Las Vegas (1998)
+ Grasgeflüster (2000)
+ Wir Kinder vom Bahnhof Zoo (Serie, 2021)
+ Train Spotting (1995)

Opioide Heroin (H, gesprochen englisch „äitsch“) ist ein halbsynthetisches Opioid und in Anlage 1 des BtMG aufgeführt. Auf der Nutt-Skala belegt es mit 55 Punkten Rang 2. Heroin wird gesnifft oder injiziert und macht schnell abhängig. Es führt oft in die Beschaffungskriminalität und -prostitution. Beim sogenannten Goldenen Schuss kommt es durch Überdosierung zum Atemstillstand, Antidot ist Naloxon. Einige Apotheken sind in Methadonprogramme eingebunden, die Abhängigen den Entzug erleichtern sollen. Andere Suchtkranke erhalten in Heroinambulanzen nach strengen Richtlinien pharmazeutisch reines Heroin, das Diamorphin.

Aber auch Opioide der Anlage 3 werden missbräuchlich verwendet, Codein zum Beispiel. Als „Purple Drank“ oder „Sizzurp“ (von syrup, Hustensaft) wird es vor allem in den Südstaaten der USA von Anhängern der Hip-Hop-Kultur, seltener auch hierzulande, konsumiert: als Mischgetränk mit Limonade und zerstoßenen Bonbons.

In Deutschland beliebter ist Tilidin, es wird ebenso durch die Rapszene massiv beworben – von Künstlern wie Samra und Capital Bra: „20 Darby-Huper in nem Huracán“ (20 Tilidin-Pumpstöße in einem Sportwagen). In einer Strg_F-Dokumentation behauptet ein Dealer, seine Umsätze gingen merklich nach oben, wenn ein neuer Song erscheint.

Gefälschte Privatrezepte und Fertigarzneimittelpackungen werden über das Darknet und Telegram gehandelt, zusammen mit dem Tipp, dann in die Apotheke zu gehen, wenn Arztpraxen geschlossen sind, sodass kein Rückruf beim Arzt möglich ist.

Ketamin Auch Ketamin wird missbraucht. Es ist als starkes Schmerzmittel und Narkosemittel zugelassen, wobei es meist mit einem Schlafmittel kombiniert wird, um den Narkotisierten vor psychedelischen Halluzinationen zu schützen. Genau die sind beim Missbrauch erwünscht. Ketamin hat dissoziative Effekte; die Anwender nehmen die Grenzen ihres Körpers und auch ihre Existenz anders wahr. Der Begriff K-Hole bezeichnet Horrortrips mit starken Dissoziationen, Lähmungen, Muskelzuckungen oder Bewusstlosigkeit bis hin zu Nahtoderlebnissen. Auf der Nutt-Skala erreicht Ketamin einen Wert von 15.

In den USA ist das S-Enantiomer Esketamin bereits als Nasenspray bei therapieresistenten Depressionen zugelassen. Auch das Racemat wird klinisch erforscht, denn es wirkt sogar bei dem Drittel der Depressiven, die auf andere Arzneimittel nicht ansprechen. Der große Vorteil: Die Wirkung von Ketamin tritt nach 30 Minuten ein, nicht erst nach Wochen wie bei anderen Antidepressiva. Damit ist es besonders für Patienten mit suizidalen Absichten geeignet.

Ketamin wirkt nicht über Serotonin-, sondern über Glutamatrezeptoren. Dieses steht mit der Neuroplastizität des Gehirns in Verbindung, also mit seiner Fähigkeit, alte Synapsen zu lösen und neue zu knüpfen. Im Tierversuch blockiert Ketamin Glutamatrezeptoren der lateralen Habenula, der „bösen Schwester“ des Belohnungszentrums: Sie verarbeitet überraschende Enttäuschungen. Ist sie überaktiv, unterdrückt sie positive Gefühle bis hin zur Apathie. Der Wirkmechanismus von Ketamin ist nicht nur neu in der Depressionstherapie, er birgt auch einen neuen Ansatz, die Krankheit zu verstehen.

Für alle Substanzen gilt: Auch zu medizinischen Zwecken sollte man sie immer in therapeutischer Begleitung nutzen, nie im Selbstversuch. Schließlich geht es nicht nur darum, Neurotransmitter ins Gleichgewicht zu bringen, sondern auch, Erlebnisse aufzuarbeiten und Auslöser zu finden. Und im Falle eines Horrortrips oder anderer Nebenwirkungen ist Hilfe zur Stelle.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 03/2022 ab Seite 14.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktion

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