Vergleich mit Dänemark
KINDER BEKOMMEN SPÄTER, ABER KRITISCHERE ANTIBIOTIKA
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Für ihre Studie haben Forschende des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen und von der Süddänischen Universität in Odense Daten von dänischen Gesundheitsregistern und deutschen Krankenkassen herangezogen. Speziell ging es um Kinder, die zwischen 2004 und 2016 geboren wurden.
Obwohl die Länder so nah beieinander liegen, zeigt die Studie Unterschiede im Verschreibungsverhalten von Antibiotika auf. Konkret geht es um den Zeitpunkt, zu dem Kinder erstmals Antibiotika erhalten, sowie die Art des Antibiotikums. Und das könnte gravierende Folgen haben.
Erste Antibiose in Deutschland später, aber ungenauer
Dr. Oliver Scholle, Erstautor der Studie, liefert Zahlen: „Im Geburtsjahrgang 2016 betrug die Zeit bis zur ersten Antibiotikabehandlung in Dänemark etwa 21 Monate, während sie in Deutschland bei 28 Monaten lag.“ Außerdem liegt die Rate der Antibiotikabehandlungen pro 1000 Personenjahre in Dänemark 537, in Deutschland nur 433. „Dies weist zunächst auf ein zurückhaltenderes Verschreibungsverhalten in Deutschland hin“, fasst Scholle zusammen.
Die Freude ist jedoch getrübt. Scholle schränkt ein: „Besorgniserregend ist allerdings, dass etwa 40 Prozent der Kleinkinder Breitbandantibiotika als erstes Antibiotikum in ihrem Leben erhalten, während es in Dänemark nur 6 Prozent sind.“ Diese Diskrepanz hat potenziell schwerwiegende Folgen im Hinblick auf Nebenwirkungen und Resistenzen.
Positive Entwicklung
Im Vergleich der Geburtsjahrgänge zeigte die Studie auch positive Veränderungen bei den Antibiotika-Verschreibungen. Kinder erhalten ihr erstes Antibiotikum jetzt in einem höheren Alter als früher und generell werden seltener Antibiotika eingesetzt. Raum für Verbesserungen bietet in Deutschland vor allem die Art der verordneten Antibiotika.
Antibiotika nach AWaRe-System
Um die Qualität der Antibiotika zu bewerten, nutzten die Forschenden das AWaRe-System der WHO, das antibiotische Wirkstoffe in die Gruppen Access (zugreifen), Watch (beobachten) und Reserve einteilt.
In Dänemark erhielten Kinder 2016 vor allem Amoxicillin und Phenoxymethylpenicillin, in Deutschland Amoxicillin und Cefaclor. Aber auch Cefpodoxim, Cefuroxim, Erythromycin und Phenoxymethylpenicillin gehörten zu den zehn häufigsten Kinder-Antibiotika hierzulande. Während in Dänemark 93,8 Prozent der verordneten Antibiotika aus der Access-Gruppe und 6,2 Prozent aus der Watch-Gruppe stammten, waren es in Deutschland nur 53,3 Prozent Access-, dafür 44,2 Prozent Watch-Antibiotika. In Deutschland kommen also anteilig mehr Antibiotika mit erhöhten Bedenken hinsichtlich Nebenwirkungen und/oder Resistenzpotenzial zum Einsatz.
Infektionsgeschehen in beiden Ländern gleicht sich
Warum verglichen die Forschenden ausgerechnet aus Deutschland und Dänemark Daten? Das erklärt Professor Dr. Ulrike Haug, Letztautorin der Studie und Leiterin der Abteilung Klinische Epidemiologie am BIPS: „Der Ländervergleich erwies sich als besonders wertvoll. Da man davon ausgehen kann, dass sich das Infektionsgeschehen zwischen beiden Ländern nicht grundlegend unterscheidet, lassen die Ergebnisse Ansatzpunkte zur Verbesserung des Verschreibungsverhaltens erkennen.“ In beiden Ländern sind Antibiotika verschreibungspflichtig. Auch Haug plädiert dafür, den verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika insgesamt und von Breitbandantibiotika sicherzustellen, um das Auftreten von Nebenwirkungen und die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen zu minieren.
Quellen:
https://idw-online.de/de/news827587
Scholle, O., Rasmussen, L., Reilev, M. et al.: „Comparative Analysis of Outpatient Antibiotic Prescribing in Early Life: A Population-Based Study Across Birth Cohorts in Denmark and Germany“, Infectious Diseases and Therapy, 23. Januar 2024. https://doi.org/10.1007/s40121-024-00916-3