Ein Kleinkind bekommt eine große Tablette in den Mund gelegt.© ronstik / iStock / Getty Images Plus
Wenn es doch nur so einfach wäre. Aber kleine Kinder können nunmal keine Tabletten schlucken. Wenn Antibiotika-Säfte nicht lieferbar sind, muss also die Rezeptur ran.

Rezeptur – Mischen possible

SAFTLOS – REZEPTUREN, WENN ANTIBIOTIKA-SÄFTE FÜR KINDER NICHT LIEFERBAR SIND

Neben dem Beratungsgespräch im Handverkauf gehört die Rezeptur für PTA zum wichtigsten pharmazeutischen Handwerkszeug. Lea Brachwitz leitet das Rezeptur-Team der Engel Apotheke in Darmstadt. In „Rezeptur – Mischen possible“ gibt sie Tipps, wie Sie mit schwierigen Rezepturen umgehen können.

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Endlich Frühling. Die Tage werden heller, die Vögel singen, Kirschblüten und Magnolienbäume lösen Schneeglöckchen und Winterlinge ab. Aber nicht alles ist schön, denn der dauernde Temperaturwechsel führt zu laufender Nase und Halsschmerzen, bei den besonders Gequälten noch gepaart mit Heuschnupfen. Kurz es ist der ideale Zeitpunkt für einen Frühlings-Infekt. Der trifft dieses Jahr scheinbar hauptsächlich die Erwachsenen, Kinder werden von Mittelohr-Entzündung und Scharlach geplagt.

Das sollte an sich keine Besorgnis erregen, sind wir doch gut versorgt – sollte man meinen. Wer sich noch erinnern kann, wie er im Winter versucht hat, Ibuprofen- oder Paracetamol-Saft zu erbeuten, erlebt im Moment ein regelrechtes Déjà-vu. Diesmal trifft es wieder die Kinder, aber nicht bei den Schmerzmitteln: Antibiotika in flüssiger Form sind knapp, haben lange Lieferzeiten oder sind gar nicht zu bekommen. Was also tun?

Unerschöpfliche Lager?

Arbeitet man in einer großen Apotheke, dauert es meist etwas länger, bis die Lager geräumt sind, aber auch das ist irgendwann der Fall. Erst hat man noch die Möglichkeit, etwas zu importieren, auf andere Stärken auszuweichen, oder auch ­– mit Erlaubnis des behandelnden Arztes – den Wirkstoff zu tauschen.

Glücklicherweise ist der Kelch an meinem Team bislang vorübergegangen, denn wir können uns auf Filial- und Partnerapotheken stützen. Außerdem sind wir mitten in der Innenstadt, wo es viele andere Apotheken gibt, die die entsprechenden Antibiotika noch vorrätig haben.

Bakterienfreie freie Tage

Trotz all dieser Vorteile sorgen wir natürlich vor, vor allem vor Wochenenden und Feiertagen. Aber wie? Ganz einfach: Wir greifen auf das zurück, was wir im Winter zu Fieber- und Schmerzsäften gelernt haben. Das heißt, die Rezeptur muss ran und wir müssen wieder Säfte aus Tabletten selbst herstellen. Vorausgesetzt natürlich, die Tabletten sind lieferbar oder vorrätig.

Grundsätzlich unterscheidet sich die Herstellung von Antibiotikasäften aus Tabletten kaum von der Herstellung der Schmerz-und Fiebersäfte im Winter 22/23. Zu Beginn kann ich sagen, für die Herstellung von Schmerz-, Fieber- und Antibiotikasäfte gilt: Es ist eine Notfallversorgung. Dies bedeutet unter Umständen: kurze Haltbarkeit und ein unangenehmes Geschmackserlebnis für das kranke Kind. Auch die Abrechnung mit den Krankenkassen ist eher schwammig als optimal geklärt.

Kooperation mit Kinderärzten, damit die Abrechnung läuft

Im Idealfall kann man mit den Kinderärzten sprechen und das Rezept über ein Fertigarzneimittel auf eine Rezeptur umschreiben lassen; zum Beispiel:

„Amoxicillin-Saft 750 Milligramm pro fünf Milliliter (750 mg/5 ml) Gesamtmenge 100 Milliliter ml, Anfertigung als Rezeptur notwendig“

Die Erfahrung mit Schmerz- und Fiebersäften im Winter hat gezeigt: In manchen Fällen können wir uns zwar das telefonische Okay des Arztes holen, aber das Rezept kann nicht zeitnah geändert werden – etwa, weil die Praxis ein gutes Stück entfernt ist oder das Wochenende kurz bevorsteht. In diesen Fällen haben wir angeboten die Verordnung als Privatrezept zu behandeln und der Kunde ist in Vorleistung gegangen. Wenn wir das neue Rezept dann vorliegen hatten, bekam der Kunde sein Geld zurück.

Die verschiedenen Optionen

Kommen wir nun zur Herstellung der Rezeptur. Vorweg: es gibt zwei Möglichkeiten der Herstellung; einmal unter der Verwendung einer fertigen Suspensionsgrundlage (z. B. SyrSpend® SF flüssig, ADKA Basissuspensionsmedium). Die andere Möglichkeit ist die Herstellung mit der Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen aus dem Deutschen Arzneimittel-Codex/Neuen Rezeptur-Formularium (DAC/NRF), Seite 52.

Suspensionsgrundlage aus dem NRF

Entscheidet man sich für die Version mit der NRF-Grundlage, ist es sinnvoll, eine größere Menge zuzubereiten, auf die man dann bei Bedarf zurückgreift. Denn NRF-Rezepturen können durchaus aufwendig sein. Der Vorteil hingegen ist, die Haltbarkeiten werden vorgegeben und eine Plausibilitätsprüfung entfällt.

Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen DAC/NRF S.52
Zusammensetzung: Die Angaben gelten für 100 Gramm (g).
● Hydroxyethylcellulose 10000  0,5 g
● Glucose-Monohydrat 11,0 g
● Kaliumsorbat 0,14 g
● Zitronensäure 0,07 g
● Gereinigtes Wasser zu 100,0 g

Suspensionsgrundlage herstellen: Heiß muss es sein

Hergestellt wird die Zubereitung unter Anwendung von Wärme, also entweder auf der Heizplatte oder über dem Wasserbad. Als erstes wird ein ausreichend großes Becherglas mit einem Rührfisch oder einem Glasstab tariert und sämtliche Bestandteile, mit entsprechendem Korrekturfaktor, abgewogen - wo nötig, auf der Analysenwaage.

Alle Pulver, bis auf den Quellstoff Hydroxyethylcellulose, werden mit ausreichend Wasser in das Becherglas gegeben und unter Erwärmen gelöst. Liegt nun eine klare Lösung ohne Schwebeteilchen vor, lassen wir Sie etwas abkühlen. Zeigt die Lösung nur noch einen Hauch von Wärme, wird das restliche Wasser ergänzt, dann unter Rühren der Quellstoff aufgestreut.

Nun ist ein Magnetrührer recht praktisch, dann kann man in der Zwischenzeit die benötigte Tablettenmenge berechnen und mörsern.

Seit März im NRF: Antibiotikasuspensionen

Mittlerweile gibt es eine empfohlene NRF-Vorschrift für zwei antibiotische Wirkstoffe: Amoxicillin-Suspension 150 mg/ml und Cefuroxim-Suspension 25 mg/ml. Beide Zubereitungen haben noch keine NRF-Nummer, da sie noch nicht alle notwenigen chemischen Stabilisationstest durchlaufen haben. Man geht aber davon aus, dass sie für zehn Tage (Cefuroxim) bis zwei Wochen (Amoxicillin) ausreichend stabil sind. Die Suspensionen werden, wie die Fertigarzneimittel auch, im Kühlschrank gelagert und vor Anbruch geschüttelt.

Cefuroxim-Saft und seine Besonderheit

Wenn Sie einen Cefuroxim-Saft herstellen, verwenden Sie immer Filmtabletten. Die einfache Tablette bildet nach der Suspendierung einen schwer bis gar nicht aufschüttelbaren Bodensatz. Somit ist keine gleichbleibende Dosierung möglich.

Cefuroxim- Saft 25 mg/ml
Der Ansatz ist für 100 ml (entspricht 105,8 g).
● Cefuroxim-Filmtabletten nach Bedarf in Gramm (Menge gepulverter Filmtabletten entsprechend 2,5 g Cefuroxim, als Cefuroximaxetil)
● Grundlage für Suspension zum Einnehmen NRF S.52 zu 105,8 g

Wie bei der Herstellung von Kapseln aus Tabletten gilt auch hier: lieber eine Tablette mehr mörsern als notwendig, damit man eventuellen Verlust ausgleichen kann. Auch um die erlaubten Gehaltsschwankungen von +/- 10 Prozent der einzelnen Tabletten auszugleichen, empfiehlt das NRF eine mindestens zweistellige Zahl an Tabletten zu mörsern. Natürlich soll gleichzeitig nichts verschwendet werden, das sowieso schon knapp ist.

Amoxicillin-Saft; wähle aus drei Möglichkeiten!

Bei der Herstellung eines Amoxicillin-Safts kann sogar aus mehreren Grundlagen gewählt werden. Diese schlägt das NRF vor:

  • Zuckersirup DAB (Deutsches Arzneibuch),
  • Himbeersirup (vorgefertigt zu beziehen, aber wegen des enthaltenen Natriumbenzoats erst für Kinder ab zwei Jahren geeignet) oder die beschriebene
  • Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen NRF S.52.

Denkbar ist auch die Nutzung einer fertigen Suspensionsgrundlage.

Je viskoser die Grundlage, umso sorgfältiger muss das vorgelegte Pulver damit angerieben werden, damit sich keine Pulvernester bilden und der Saft immer gut aufschüttelbar bleibt.

Amoxicillin-Saft 150 mg/ml
100 ml Gesamtmenge mit Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen NRF S.52:
● Amoxicillin-Tablette/Filmtablette in Gramm nach Bedarf (Menge gepulvertes Fertigarzneimittel entsprechend der Menge von 15 g Amoxicillin als Trihydrat)
● Grundlage für Suspensionen zur Einnahme NRF S.52 zu 110,4 g.

Bei der Verwendung von Zuckersirup DAB entsprechen 100 ml 133,9 g und bei Nutzung von Himbeersirup sind es auch 133,9 g. Bei der Verwendung einer fertigen Suspensionsgrundlage wie SyrSpend® SF flüssig oder ADKA Basissuspensionsmedium entnehmen Sie die Dichte dem Prüfzertifikat.

Herstellung und Abfüllung: Das gilt für alle

Unabhängig von der Wahl der Grundlage reiben Sie den Wirkstoff immer erst anteilig mit der Grundlage an. Erst, wenn der Ansatz homogen ist, ergänzen Sie die restliche Grundlage. Zu beachten ist auch die Größe des Abgabegefäßes: Es sollte immer etwas mehr Volumen haben als Inhalt vorliegt. Also für 100 ml Cefuroxim-Saft (110,4 g) wählen Sie ein Gefäß mit mindestens 15 0ml Fassungsvermögen. Dies ist notwendig, damit genug Raum da ist um die Suspension ausreichend zu schütteln. Außerdem geben Sie bitte eine Applikationshilfe wie einen Dosierlöffel oder eine Spritze mit.

Schlussendlich ist die Herstellung nicht schwer, nur zeitaufwendig. Hoffen wir, dass sich der Markt wieder stabilisiert und unsere Arbeit etwas entspannter wird.

Quellen:
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/3623
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/dac/nrf-wissen/rezepturenfinder/apo/einzelansicht/3968
https://dacnrf.pharmazeutische-zeitung.de/suche?searchword=amoxici&page=rf
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/apothekenpraxis/apotheker-entwickeln-amoxicillin-rezeptur/
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/suspensionsgrundlagen-im-vergleich-127576/

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