Pandemieforschung
DER SCHWARZE TOD BESUCHTE NICHT JEDEN ÜBERALL
Seite 1/1 2 Minuten
Die Corona-Pandemie erscheint uns heute Lebenden dramatisch, doch sie ist nichts im Gegensatz zum „Schwarzen Tod“: Die Pest, eine vom Rattenfloh übertragene Infektionskrankheit, entvölkerte im 14. Jahrhundert ganze Landstriche. Einigen Schätzungen zufolge könnte sie zu jener Zeit fast die Hälfte der europäischen Bevölkerung dahingerafft haben.
Dabei wurde immer eine vergleichsweise gleichmäßige Ausbreitung der Krankheit angenommen. Allerdings gab es bereits Hinweise darauf, dass wohl doch erhebliche regionale Unterschiede bestanden. Bisherige historische und archäologische Analysen ließen jedoch nur unklare Schlüsse auf die demografischen Auswirkungen der Seuche zu.
Wo eroberte die Natur ihr Terrain zurück?
Ein internationales Forscherteam unternahm nun eine andere Fragestellung: Sie beobachtete die Entwicklung der landwirtschaftlichen Aktivität in der relevanten Zeit. Als Indiz dienten den Wissenschaftlern Analysen von Pollen-Ablagerungen aus dem späten Mittelalter in Europa, genauer gesagt: 1634 Proben von 261 Untersuchungsorten aus 19 Ländern.
Dadurch konnten sie bestimmen, welche Pflanzen in welchen Mengen im relevanten Zeitraum angebaut wurden und ob sich Wildpflanzen auf verlassenen Feldern wieder ausbreiten konnten. So waren Rückschlüsse auf mögliche Einschränkungen des Ackerbaus im Rahmen der Pandemie möglich – und somit auch, wie stark die jeweilige Region von der Pest betroffen war.
Viele Pestfälle, wenig Ackerbau
Heraus kam: Die Pest hat in verschiedenen Bereichen Europas unterschiedlich stark gewütet. Einen besonderen Rückgang landwirtschaftlicher Aktivität erlebten demnach Skandinavien, Frankreich, Südwestdeutschland, Griechenland und Mittelitalien. Das passt auch zu den mittelalterlichen Quellen, die von sehr hohen Bevölkerungsverlusten in diesen Bereichen berichten. Offenbar im Gegensatz zu anderen: Teile Westeuropas, darunter Irland und die Iberische Halbinsel sowie Gebiete in Zentral- und Osteuropa, zeigten Anzeichen für Kontinuität und sogar ungebrochenes Wachstum in der Landwirtschaft. Es kam hier offenbar nicht zu den anderenorts üblichen Bevölkerungsverlusten.
Mehr über die Pest erfahren Sie hier:
Unbestellte Felder da, blühende Landschaften dort
Keine verheerenden Auswirkungen also überall: „Für Regionen wie Böhmen, Ungarn und Polen bestärken die Ergebnisse der Studie die Annahme, dass deren Blüteperiode ab 1350 nicht zuletzt mit dem Ausbleiben des Schwarzen Todes zu tun haben könnte“, sagt Co-Autor Martin Bauch vom Leibniz-Institut für die Geschichte und Kultur des östlichen Europa in Leipzig.
Doch warum? „Diese signifikante Variabilität in der Mortalität muss erst noch vollständig erklärt werden. Doch wahrscheinlich hatten lokale Gegebenheiten einen Einfluss auf die Verbreitung, die Infektionsrate sowie die Sterblichkeit durch den Erreger Yersinia pestis“, erläutert Seniorautorin Alessia Masi vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena und der Universität La Sapienza in Rom. Hier spielten wohl auch kulturelle, ökologische, wirtschaftliche und klimatische Faktoren eine Rolle.
Pandemien sind komplexe Phänomene
Welche Variablen bei der Entstehung von Pandemien der Vergangenheit eine Rolle spielten, das hofft man auch im Hinblick auf heutige Verläufe zu ergründen. Adam Izdebski vom Max-Planck-Institut resümiert: „Was wir während der Corona-Pandemie erlebt haben, konnten wir auch für die damaligen Pestausbrüche zeigen: Pandemien sind komplexe Phänomene, die auch immer regionale und lokal unterschiedliche Ausprägungen aufweisen.“ Warum es die hat, will man nun herausfinden.
Quelle: wissenschaft.de