Ozempic®-Babys
UNGEPLANT SCHWANGER DURCH ABNEHMSPRITZEN?
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In sozialen Medien wie TikTok, Facebook und Co. berichten Frauen von überraschenden Schwangerschaften, nachdem sie eine Therapie mit einem der beiden Inkretinmimetika begonnen hatten – Ozempic-Babys heißen die so empfangenen Kinder im Netz. Selbst Frauen, die jahrelang mit Fruchtbarkeitsproblemen kämpften oder die Pille einnahmen, wurden demnach schwanger, nachdem sie Semaglutid oder Tirzepatid einnahmen.
Der Arzneimittelkommission der deutschen Apotheker liegen bisher keine Meldungen über Ozempic-Babys vor. Auch die europäischen Fachinformationen weisen nicht auf Wechselwirkungen hin. Die amerikanischen allerdings schon. Wie kann das sein? Und was passiert eigentlich, wenn „es“ passiert ist?
Übergewicht beeinträchtigt die Fruchtbarkeit
Ganz abwegig scheint es nicht, dass unter Semaglutid und dem stärkeren Tirzepatid auch Frauen schwanger werden können, die damit bisher Probleme hatten. Denn Fettgewebe bildet Hormone und weitere Botenstoffe, sodass Übergewicht das hormonelle Gleichgewicht durcheinanderbringen kann. Zuviel Östrogen aus dem Fettgewebe erschwert unter Umständen den Eisprung und stört den Zyklus, was die Wahrscheinlichkeit einer Empfängnis herabsetzt. Auch von Fettzellen freigesetztes Testosteron ist beim Schwangerwerden hinderlich.
Die Gewichtsreduktion durch die Injektionen von Semaglutid oder Tirzepatid kann das Hormongleichgewicht wieder herstellen und so die Fruchtbarkeit erhöhen. Zu diesem Schluss kommt die US-amerikanische Gynäkologin und Endokrinologin Dr. Allison Rodgers vom Fertility Center in Illinois. Auch andere Reproduktions- und Übergewichtsexperten sehen in ihren Praxen einen Trend zu unerwarteten Schwangerschaften unter Ozempic® und Mounjaro®, schreibt die Zeitung USA Today.
Verlangsamte Resorption anderer Wirkstoffe
Ein weiterer Faktor der Inkretinmimetika ist, dass sie die Magenentleerung verlangsamen und so das Sättigungsgefühl verlängern, gerade beim stärkeren Tirzepatid. Die verzögerte Magenpassage kann jedoch die Aufnahme oral angewendeter Arzneimittel beeinflussen, so auch die von oralen Verhütungsmitteln.
Die Produktinformationen in Europa gehen derzeit aber nicht davon aus, dass der Effekt klinische Bedeutung haben könnte. Eine Dosisanpassung anderer Medikamente sei nicht nötig, bis auf solche mit einer sehr engen therapeutischen Breite. Zwar heißt es in der Produktinformation von Mounjaro® konkret, dass Maximalkonzentration und weitere Parameter oraler Kontrazeptiva beeinflusst werden könnten, aber Maßnahmen werden nicht empfohlen.
Anders sieht das der Hersteller Eli Lilly in seiner amerikanischen Produktinformation. Hier wird während der ersten vier Wochen nach Therapiebeginn mit Tirzepatid sowie vier Wochen nach jeder Dosissteigerung zu einem Wechsel auf eine nicht-orale Verhütungsmethode oder zu einer zusätzlichen Barrieremethode geraten. Da die Effekte auf die Magenentleerung nach einigen Wochen wahrscheinlich wegen einer Gewöhnung nachlassen, muss nicht dauerhaft gewechselt werden.
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Verhütung während der Therapie
Ganz klar ist also nicht, ob die Inkretinmimetika tatsächlich zu ungewollten Schwangerschaften führen können. Die Hersteller sind verpflichtet, als Auflage für die Zulassung der Arzneimittel ein Verzeichnis über sogenannte fetale und maternale Outcomes zu führen. Genau bedeutet das: Fehlbildungen, Fehlgeburten und alle anderen Ereignisse, die Mutter oder Kind betreffen und im Zusammenhang mit den Inkretinmimetika stehen, werden dokumentiert.
Die Zukunft und weitere Daten werden zeigen, ob auch die europäischen Anwenderinnen bald Maßnahmen empfohlen bekommen. Wer ganz sicher gehen will, setzt während seiner Therapie mit den Inkretinmimetika auf nicht-orale Verhütung.
Im Tierversuch Schäden am Ungeborenen
Während der Anwendung von Semaglutid und Tirzepatid muss eine Empfängnisverhütung stattfinden, so heißt es in den Fachinformationen. Wegen der langen Halbwertszeit der Wirkstoffe soll mindestens zwei Monate vor dem ersten Versuch, schwanger zu werden, keine Spritze mehr angewendet werden. Hintergrund: Bei Tierversuchen zeigten sich schädliche Effekte auf das Ungeborene.
Da nicht bekannt ist, ob die Wirkstoffe bei Menschen die Plazenta überwinden oder in die Muttermilch übergehen, muss man beim Eintritt einer Schwangerschaft vorsichtshalber die Behandlung beenden. Grund zur Panik besteht aber nicht. Bisher gibt es auch in den sozialen Medien ausschließlich Berichte über gesunde „Ozempic®- und Mounjaro®- Babys“.
Quellen:
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ungeplante-schwangerschaft-als-nebenwirkung-146617/
https://eu.usatoday.com/story/life/health-wellness/2024/03/21/ozempic-pregnancy-weight-loss-drugs-fertility/73032645007/
https://www.apotheke-adhoc.de/nachrichten/detail/pharmazie/ozempic-babys-ungewollt-schwanger-unter-semaglutid/