Lungenblaeschen in der Lunge© peterschreiber.media / iStock / Getty Images Plus
Die Lungenbläschen der Lunge sind bei verstorbenen COVID-Patienten weitestgehend zerstört.

Lunge

WARUM COVID-19 DER LUNGENFIBROSE SO SEHR ÄHNELN KANN

Schwere Verläufe von COVID-19 ziehen häufig eine künstliche Beatmung nach sich, der Grund: Die Krankheit lässt das Lungengewebe vernarben. Forscher haben jetzt herausgefunden, welcher biologische Mechanismus dahintersteckt.

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Ungefähr fünf Prozent der Menschen, die an SARS-CoV-2 erkranken, entwickeln ein akutes Atemnotsyndrom, bei dem ihre Lunge nicht mehr in der Lage ist, genug Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen. Die Patienten müssen dann oft über lange Zeit künstlich beatmet oder an eine Herz-Lungen-Maschine angeschlossen werden.

Doch selbst wenn alles Intensivmedizinische getan wird, überlebt von diesen Patienten nur rund jeder Zweite. Warum das Virus die Lunge so schwer schädigt, war bisher unklar.

Zerstörte Lungenbläschen und verdickte Wände

Ein Team um Daniel Wendisch von der Berliner Charité hat das Rätsel nun gelöst. Die Mediziner fanden in mikroskopischen Aufnahmen von der Lunge verstorbener COVID-Patienten zunächst weitestgehend zerstörte Lungenbläschen und deutlich verdickte Wände. Außerdem waren ausgeprägte Ablagerungen von Kollagen, dem Hauptbestandteil von Narbengewebe, vorhanden. „All dies ist charakteristisch für eine schwere Fibrose“, beschreibt es Co-Autor Peter Boor von der RWTH Aachen. „Diese Beobachtungen weisen darauf hin, dass wir es beim COVID-19-Lungenversagen mit einem sogenannten fibroproliferativen ARDS zu tun haben, das ist die schwerste Form des Lungenversagens.“
 

Fresszellen werden fehlgeleitet

Bei COVID-19 entwickelt sich dieses Lungenversagen typischerweise erst in der zweiten oder dritten Woche nach Symptombeginn, wenn also die Viruslast schon wieder zurückgeht. Das weist darauf hin, dass nicht die Virusvermehrung an sich zum Versagen der Lunge führt, sondern nachgeschaltete Reaktionen – beispielsweise des Immunsystems. Nach dieser Fragestellung entdeckte man, dass sich Fresszellen des Immunsystems – sogenannte Makrophagen – in der Lunge ansammeln. Die sind üblicherweise dafür verantwortlich, Krankheitserreger und Zellabfall zu beseitigen, tragen aber auch zur Wundheilung bei. Diese Makrophagen zeigten nun ähnliche Eigenschaften wie bei einer chronischen Form der Lungenvernarbung, der idiopathischen Fibrose. Bei dieser unheilbaren Erkrankung vernarbt die Lunge unaufhaltsam bis zum Verlust der Organfunktion. Die Ursache ist unbekannt, unter allen Formen der Lungenfibrose hat sie die schlechteste Prognose. Ähnlich wie bei der idiopathischen Fibrose stimulieren die Makrophagen bei schweren COVID-Verläufen nun bestimmte Zellen des Bindegewebes, die für die Bildung von Narbengewebe verantwortlich sind. Brachten die Forscher die Immunzellen mit dem Coronavirus in Kontakt, produzierten sie verstärkt Botenstoffe, die die Vernarbung förderten. „SARS-CoV-2 ist also zumindest ein möglicher Auslöser für die fehlgeleitete Reaktion der Fresszellen“, erklärt Co-Autor Matthias Selbach vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin. „Das Virus vermehrt sich dabei anscheinend nicht in den Immunzellen, sondern programmiert sie um. Diesen Effekt konnten wir interessanterweise nicht beobachten, wenn wir die Makrophagen mit einem Grippevirus stimulierten. Das Influenza-Virus vermehrte sich in den Immunzellen stark, es brachte sie aber nicht dazu, Vernarbungsprozesse zu fördern.“

Vernarbung bei COVID-19 reparabel

Die Daten der Forscher zeigen also eindeutig Parallelen zwischen COVID-19 und der chronischen Lungenfibrose auf. Das erklärt zumindest, warum einige Risikofaktoren für COVID-19 auch solche für die idiopathische Lungenfibrose sind: Rauchen, ein männliches Geschlecht und ein Alter über 60 Jahre gehören dazu.

Doch eine gute Nachricht gibt es: Bei COVID-19 ist die Vernarbung wenigstens potenziell reparabel, der Körper kann die Vernarbungen mit der Zeit zumindest teilweise wieder auflösen. Man will nun herausfinden, welche zellulären Prozesse dazu führen. Man erhofft sich davon auch, dass Patienten mit unheilbarer Lungenfibrose dann besser geholfen werden kann - vielleicht geht das über eine Hemmung der Makrophagen.

Quelle: www.wissenschaft.de
 

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