Lokale Antibiose
DIE GRÜNALGE ALS GALENIK-STAR
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Klingt wie Zukunftsmusik, ist es aber nicht: Chlamydomonas reinhardtii, eine einzellige Grünalge könnte als eine Art mikroskopischer Roboter bald medizinische Missionen erfüllen. Ein weiterer Vorteil wäre: Die Einzeller lassen sich sehr leicht vermehren.
Noch tüfteln die Wissenschaftler*innen herum, an Mäusen funktioniert es aber schon. Die Versuchstiere waren im Vorfeld mit dem Krankenhauskeim Pseudomonas aeruginosa infiziert worden, der vor allem auf Intensivstationen eine gefürchtete Lungenentzündung bei ohnehin schon geschwächten Patienten auslöst.
Mit Nanopartikeln bestückt gingen die Algen auf Reisen
Zur Therapie der kranken Mäuse beschichteten die Forschenden die Körper der Einzeller durch biochemische Verfahren mit Antibiotika-gefüllten Nanopartikeln. Diese Behälter bestehen aus Polymersubstanzen, die vollständig biologisch abbaubar sind. In einem entsprechenden Umfeld lösen sie sich langsam auf, geben nach und nach ihren Inhalt frei und hinterlassen am Ende keine problematischen Rückstände.
Noch dazu wurden die Nanopartikel mit Zellmembranen von weißen Blutkörperchen beschichtet. In dieses Tarnkleid gewandet, lösen sie keine Reaktion des Immunsystems aus. Gut ausgerüstet konnten sich die kleinen Algen durch ihre zwei schlagenden Geißeln in der Lungen- und Bronchialflüssigkeit bestens bewegen und das Antibiotikum an Ort und Stelle bringen.
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Weniger Arzneimittel bei gleichzeitig besserer Wirkung
Bei einer intravenösen antibiotischen Therapie muss normalerweise der ganze Körper mit dem Wirkstoff geflutet werden. Im Vergleich zum „Algen-Ansatz“ würde man somit eine 3000-mal höhere Antibiotika-Dosis benötigen. Und dann gelangt davon auch nur ein sehr kleiner Teil in die Lunge. „Das ist der Grund, warum viele derzeitige Antibiotikabehandlungen für Lungenentzündungen nicht so gut wirken, was zu hohen Sterblichkeitsraten bei den kränksten Patienten führt“, sagt Co-Autor Victor Nizet von der University of California in San Diego. „Aus unseren bisherigen Ergebnissen im Mausmodell geht hervor, dass die Mikroroboter auch bei menschlichen Patienten das Eindringen von Antibiotika optimieren könnten, um bakterielle Krankheitserreger besser abzutöten und das Leben zu retten.“ Alle mit den Mikrorobotern behandelten Mäuse überlebten nämlich mehr als 30 Tage, während die unbehandelten Mäuse innerhalb von drei Tagen starben.
Das Konzept der Algenroboter ist noch in einer relativ frühen Entwicklungsphase. Die Forscher werden, wie üblich, nun Wirksamkeit, Sicherheit und Einsatzpotenzial ihrer Erfindung weiter ausloten, bis Versuche an größeren Tieren und schließlich am Menschen folgen können.
Quelle: wissenschaft.de