Seitenansicht einer nachdenklichen Frau mit Brille überblendet mit einer grafischen Benutzeroberfläche© metamorworks / iStock / Getty Images Plus
Bedrohung oder Chance? Künstliche Intelligenz hält auch in der Apotheke Einzug.

Künstliche Intelligenz

KI IN DER APOTHEKE

Eines ist sicher: Künstliche Intelligenz (KI) wird im Apothekenalltag neue Routinen schaffen. Werden wir also das Faxgerät tatsächlich eines Tages nicht mehr brauchen? Doch eins nach dem anderen – was sind KI-Systeme überhaupt und wie können Sie als PTA den Umbruch mitgestalten?

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Die COVID-19-Pandemie liegt jetzt vier Jahre zurück. Die Kontaktbeschränkungen und Schließungen öffentlicher Einrichtungen haben der Digitalisierung insgesamt einen enormen Schub gegeben. Sie haben entscheidend dazu beigetragen, den Einsatz von digitalen Anwendungen, aber auch telemedizinischer Infrastruktur auszubauen.

Wohin bewegen wir uns mit dem Einsatz der Künstlichen Intelligenz (KI) im täglichen Berufsalltag? Chancen und Grenzen der Systeme.

Wie das menschliche Gehirn

KI-Systeme für berufliche Anwendungen basieren auf Prozessstrategien, die im Prinzip so lernen wie das menschliche Gehirn. Sie werden den schwachen KI zugeordnet. Das heißt, dass sie durch das Einspeisen großer Datenmengen trainiert werden, Lösungen für genau festgelegte Problemstellungen zu entwickeln. Durch die Nutzung seitens der Anwender wird dieser Prozess stetig optimiert.

Die Systeme liefern durch sogenannte Datenpunkte – das sind alle Informationen, die als Daten erfasst werden – präzise Ergebnisse zu einem Thema. Die Programme basieren auf dem maschinellen oder tiefen Lernen der KI, das sich durch die Menge der Daten, die analysiert werden können, unterscheidet. So können Systeme des maschinellen Lernens (Machine Learning) über 1000 Datenpunkte analysieren, die tiefen Systeme (Deep Learning) über 1 000 000 Datenpunkte pro Anfrage verarbeiten. Je mehr Datenpunkte miteinander verknüpft werden, desto mehr können die Systeme die Lernprozesse des menschlichen Gehirns imitieren.

Doch diese Systeme sind auch fehlerbehaftet. Da sie in erster Linie nur die verfügbaren Daten verarbeiten, kann eine Verzerrung zugunsten bestimmter Datenquellen oder zuungunsten verschiedener, womöglich fehlender Aspekte bei Suchanfragen stattfinden. Eine unkontrollierte Übernahme KI-generierter Inhalte ist daher gefährlich, die Ergebnisse müssen immer überprüft werden. So reproduzieren beispielsweise Chatbots in Studien immer wieder rassistische Stereotype. Dies kommt nicht von ungefähr: Sie lernen über die ihnen zugänglichen Datenquellen und diese sind im Internet oft nicht moderiert. 

Das Gegenteil zur schwachen KI, die starke KI, die selbstständig kreative Lösungen entwickelt, existiert bisher nur theoretisch und ist bisher noch nicht entwickelt worden.

Erleichterungen im Tagesgeschäft

Auf der Ebene der Arbeit in öffentlichen Apotheken bieten die bisher entwickelten KI-basierten Softwares im Tagesgeschäft hilfreiche Erleichterung. So ist die Warenwirtschaft ein gut zu optimierender Bereich.

Warenwirtschaftsprogramme können durch das ständige Verarbeiten neuer Daten zielgerichtete Voraussagen machen und effizient und bedarfsorientiert Lagersysteme optimieren. Sie haben den Vorteil, große Datenmengen aus verschiedenen Ressourcen gleichzeitig verarbeiten zu können. In Zeiten von Lieferschwierigkeiten ist das von großem Vorteil. Wenn dies individuell an Lagerbedingungen und Preisgestaltungen angepasst wird, muss nicht mehr jeder Schritt selbst abgesegnet werden. Dies kostet allerdings Vertrauen in das System. Hier findet ein wechselseitiger Prozess statt: Die Maschine lernt anhand der Daten, eine Aufgabe immer präziser zu lösen, während wir lernen, der Maschine zu vertrauen.

Wie oft passiert es im hektischen Beratungsalltag, dass Sie den Bestelltopf nicht überprüft haben und ihn doch abschicken müssen?

Ein optimierter Bestellprozess, der Sie hier zuverlässig unterstützt, bietet hohen Komfort und im besten Fall mehr Freiraum für die Beratung. Hier sind die Softwareanbieter auch bereits auf hohem Niveau unterwegs und bieten gute Lösungen an.

Personalisierte Chatbots oder Co-Piloten sind mittlerweile in viele öffentlich zugänglichen Suchmaschinen im Internet integriert. Individualisierte Co-Piloten in öffentlichen Apotheken bieten einerseits Datenschutz, da sie in die bestehende Software im hauseigenen Netzwerk installiert sind. Andererseits können Suchanfragen gesammelt werden, die in einer Apotheke immer wieder auftreten und damit genauere Antworten liefern.

Da geht (bald) noch mehr

Viele Bereiche pharmazeutischer Kompetenzen wie die KI-gestützte Bearbeitung von Rezepturen, eine auf den Kunden zugeschnittenen Beratung zu seiner Medikationen oder die visuelle KI-gesteuerte Kontrolle kundenindividueller Blisterprodukte stecken noch in den Kinderschuhen. Hier geraten KI-Programme an die derzeitigen Grenzen ihrer Programmierung.

Außerdem werden hier noch rechtliche Bedingungen abgesteckt. Mit dem KI-Gesetz der Europäischen Union (EU AI Act) tritt in diesen Tagen eine umfangreiche Verordnung in Kraft, die den rechtlichen Rahmen zur Arbeit mit KI und zur Programmierung von KI-Technologien vorgibt. Und da das Gesundheitswesen ein hochsensibler, mit intimen Daten ausgestatteter Bereich ist, werden Anwendungen der pharmazeutischen Beratung und Verarbeitung von vertraulichen Daten noch auf sich warten lassen. Die Anwendung der EU-Verordnung wird in zwei Jahren umfassend in KI-Produkten zum Tragen kommen.

Herausforderungen und Kompetenzen in der Apotheke vor Ort

Der Wunsch für die Arbeit mit KI in der Apotheke lautet, dass Angestellte sich wieder vermehrt auf ihre Kernkompetenzen der pharmazeutischen Beratung konzentrieren können. Die Herausforderungen in der öffentlichen Apotheke bleiben bestehen und können nicht durch Technologien ersetzt werden. Auch weiterhin werden Sie Ihre Kundschaft im Fokus haben. KI-Technologien werden durch die Datenverdichtung und den Personalmangel im öffentlichen Gesundheitswesen ein wichtiger Partner werden, jedoch kein Ersatz. Aber sie werden uns hilfreich bei den Megatrends der kommenden Jahre unterstützen (z. B. Überalterung der Gesellschaft, Klimawandel, zunehmende soziale Ungleichheit). Mit ihren Datenanalysen werden wir im Gesundheitswesen schneller tragfähige Lösungen finden.

Für PTA gilt es, mit Beginn der Ausbildung Kompetenzen zu erlernen, die zukunftsfähig sind. Dazu zählt der Umgang mit den erwähnten Technologien, auch am HV-Tisch gemeinsam mit der Kundschaft. Zwei wichtige Fähigkeiten sind Gesundheitskompetenz und Datenkompetenz. Die Vermittlung von vertrauenswürdigen Informationen zum Gebrauch von Arzneimitteln ist in Zeiten von Dr. Google eine wichtige Fähigkeit. Bei Fragen der Kundschaft zu im Internet gesammelten Daten hilft eine solide Wissensbasis dabei gefälschte Fakten zu identifizieren. Damit kann jede PTA ihre Kompetenzen an die Apothekenkunden weitergeben. Und so wird auch in Zeiten von KI-Technologien die Apotheke vor Ort ein unverzichtbarer Bestandteil im Gesundheitswesen bleiben.

Juliane Träber

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