Uhr hängt an einer Kette© yurii_zym / iStock / Getty Images Plus
Kinder, die unter dem Hutchinson-Gilford-Syndrom leiden, altern im Zeitraffertempo.

Hutchinson-Gilford-Syndrom

ERSTMALS WIRKSTOFF GEGEN VORZEITIGES ALTERN ZUGELASSEN

Altern gehört zum normalen Lauf des Lebens. Was aber, wenn Kinder bereits im Zeitraffertempo altern? Tritt dieser Fall ein, leiden die Kinder unter dem seltenen Hutchinson-Gilford-Syndrom. Nun wurde mit Lonafarnib erstmals ein Mittel dagegen von der EU-Kommission zugelassen. 

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Vielleicht kennen Sie den Film „Der seltsame Fall des Benjamin Button“ mit Brad Pitt in der Hauptrolle, der im Körper eines alten Mannes geboren wird und mit zunehmendem Alter körperlich immer jünger wird. Eine solche Krankheit, wie sie der Film beschreibt, gibt es zwar nicht, aber sie ähnelt einer Erkrankung, in der die Kinder frühzeitig vergreisen, sich aber geistig vollkommen normal entwickeln. Es ist die Rede von der seltenen Erkrankung Progerie, auch Hutchinson-Gilford-Syndrom (HGPS) genannt. Weltweit leben derzeit 200 bis 250 Kinder mit dieser Krankheit.

Kinder mit Hutchinson-Gilford-Progerie-Syndrom haben eine durchschnittliche Lebenserwartung von etwa 15 Jahren.

HGPS ist eine genetisch bedingte Erkrankung, bei der bei den Betroffenen ein Defekt des Zellkern-Strukturproteins Lamin A vorliegt. Dieses Protein ist nicht nur für die Strukturstabilität essenziell, sondern ihm werden auch wichtige Aufgaben beim Ablesen der Erbinformation zugeschrieben. Bei Kindern, die gesund zur Welt kommen, bildet sich Lamin A aus der Vorstufe Prälamin A. Um im Anschluss an die Kernmembran dirigiert zu werden, wird an Prälamin A ein Farnesyl-Rest angehängt, der später, an Ort und Stelle angekommen, wieder entfernt wird.

Mutationen sorgen für Abweichungen

Wie aber kommt es nun zu dieser seltenen Erkrankung? Bei HGPS kommt es aufgrund von Mutationen im Prälamin-A-Gen zu zwei wichtigen Abweichungen bei diesem Protein. Zum einen wird wesentlich verkürztes Prälamin A produziert. Dieses Protein wird aber, wie bei gesunden Kindern, mit einem Farnesyl-Rest ausgestattet und an die Kernmembran dirigiert. 

Da aber eine weitere Mutation vorliegt, kann der Farnesyl-Rest nicht mehr entfernt werden. Diese zweite Mutation bewirkt, dass ein wichtiges Enzym seine Arbeit nicht mehr richtig durchführen kann. In der Praxis bedeutet das für Betroffene, dass sich farnesyliertes verkürztes Lamin A anhäuft, das als Progerin bezeichnet wird und in der Folge dann zu Zellschäden, Problemen mit der Zellteilung und vorzeitigem Altern führt.

Behandlungsoption Lonafarnib

Nun hat die EU-Kommission mit Lonafarnib (Zokinvy®, Eigerbio Europe) erstmals einen Arzneistoff  zugelassen, der die Geschwindigkeit bremsen soll. Das Arzneimittel ist zur Behandlung von Patienten ab einem Alter von zwölf Monaten mit genetisch bestätigter Diagnose von HGPS oder progeroider Laminopathie zugelassen. 

Bei Lonafarnib handelt es sich um einen Inhibitor des Enzyms Farnesyltransferase. Er macht es möglich, dass das verkürzte Prälamin A gar nicht erst farnesyliert wird und sich somit weniger Progerin in der inneren Zellkernmembran ansammelt. Durch diesen Schritt soll es ermöglicht werden, die Zellintegrität und die normale Funktion aufrecht zu erhalten.  

Steckbrief Lonafarnib  
orale Einnahme
gastrointestinale Nebenwirkungen sehr häufig

Bremsen, aber nicht heilen

Mit diesem neuen Wirkstoff besteht nun die Möglichkeit, das Voranschreiten von HGPS zu hemmen, aber nicht zu heilen. Studienergebnisse, von denen es allerdings nur wenige gibt, belegen ebenfalls die Wirksamkeit des Arzneistoffs. 

Die Fachinformation von Zokinvy beschreibt es folgendermaßen: Beim letzten Nachbeobachtungszeitpunkt hatte sich die mittlere Lebensdauer von HGPS-Patienten, die mit Lonafarnib behandelt wurden, um durchschnittlich 4,3 Jahre erhöht. Angesichts der begrenzten Informationen in den Datensätzen könnte dieser Wert jedoch auch nur bis zu 2,6 Jahre betragen.

Quelle: Pharmazeutische Zeitung
 

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