Eine grafische Darstellung der Weltkugel mit Viren herum.© ismagilov / iStock / Getty Images Plus
Eine Pandemie ist ein globales Problem, weswegen jedes Land seinen Teil dazu beitragen sollte, eine virale Evolution zu vermeiden.

Escape-Mutationen

WAS PASSIEREN KANN, WENN ZU FRÜH GELOCKERT WIRD

Während die Impfquote steigt, lockern immer mehr Regierungen die Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Übertragungen. Auch wenn die Lockerungen lange ersehnt waren, gibt es ein Problem: Genau das könnte die Ausbreitung von Virusmutationen fördern, die gegen den Impfstoff resistent sind.

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Mehr und mehr Menschen sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Die Impfungen wecken die Hoffnung, die Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen bald hinter sich lassen zu können. Zahlreiche Regierungen lockern bereits Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Mindestabstand und Maskenpflicht, da Hochrisikogruppen in vielen Ländern bereits größtenteils geschützt sind. Doch das könnte gefährlich sein.

Davor warnt ein Forschungsteam um Simon Rella vom Institute of Science and Technology (IST) Austria anhand einer neuen Modellierungsstudie. Den Ergebnissen der Studie zufolge senkt eine schnelle und konsequente Durchimpfung der Weltbevölkerung das Risiko für resistente Stämme. Allerdings kommt es in einer Phase, in der bereits viele Menschen geimpft sind, erneut zu vermehrten Übertragungen. Und zwar, weil die Coronaregeln zu schnell aufgehoben werden. Das könnte dazu führen, dass sich eine impfstoffresistente Mutation ausbreitet.

Wie sich resistente Stämme ausbreiten

Mit einem statistischen Modell haben die Forschenden untersucht, wie sich die Impfrate und die nicht-pharmazeutischen Maßnahmen auf die Wahrscheinlichkeit auswirken, dass ein resistenter Stamm auftritt. Dabei haben sie Parameter verwendet, die der SARS-CoV-2-Übertragung realistisch ähneln. In ihrem Modell nahmen sie an, dass sich ein Virus innerhalb von drei Jahren in einer Population von zehn Millionen Menschen verbreitet. Dabei beginnen die ersten Impfungen nach einem Jahr. Sie variierten, wie schnell die Durchimpfung voranschreitet und wie stark die Übertragung durch zusätzliche Maßnahmen wie Kontaktbeschränkungen, Abstandsgebote und Maskenpflicht begrenzt wird. Die Forschenden erklären ihr Ergebnis:

„Wie erwartet haben wir festgestellt, dass eine hohe Durchimpfungsrate die Wahrscheinlichkeit des Auftretens eines resistenten Stammes senkt. Ein weiteres Ergebnis unserer Analyse ist, dass das höchste Risiko für die Etablierung resistenter Stämme besteht, wenn ein großer Teil der Bevölkerung bereits geimpft wurde, die Übertragung aber nicht kontrolliert wird.“

Die hohe Übertragungsrate sichert das Überleben des mutierten Virusstammes, während die hohe Zahl von geimpften Personen der Variante gleichzeitig einen Selektionsvorteil gegenüber dem Wildtyp einbringt. Die Wissenschaftler*innen warnen in diesem Zusammenhang:

Die Etablierung eines resistenten Stammes zu diesem Zeitpunkt kann zu mehreren Runden der Evolution resistenter Stämme führen, wobei die Impfstoffentwicklung im evolutionären Wettrüsten gegen neuartige Stämme aufholen muss.“

Die Konsequenz

Die Ergebnisse zeigen, dass die Corona-Maßnahmen wie Abstandhalten, Maskentragen und Kontaktbeschränkungen während der gesamten Impfkampagne weiter bestehen bleiben sollten. Denn wenn die Übertragung des Virus durch die Corona-Verhaltensregeln niedrig gehalten wird, könnten sich resistente Stämme nur wenig verbreiten. So würden sie keinen großen Einfluss gewinnen und von selbst wieder verschwinden.

Um die Ausbreitung resistenter Stämme noch weiter einzudämmen, seien verstärkte und weit verbreitete Tests, rigorose Rückverfolgung von Kontakten, hohe Sequenzierungsraten bei positiven Fällen und Reisebeschränkungen hilfreich, so die Forscher. Grundsätzlich seien auch ein engmaschiges Monitoring neu aufkommender Varianten sowie geeignete Gegenmaßnahmen wichtig.Eine große Rolle dabei spielt für die Forschenden der globale Zusammenhalt:

„Ohne eine globale Koordinierung könnten resistente Impfstämme in einigen Populationen eliminiert werden, in anderen jedoch fortbestehen.“

Nick Davies von der London School of Hygiene and Tropical Medicine war nicht an der Studie beteiligt, ist aber der gleichen Meinung: „Jedes Land sollte seinen Teil dazu beitragen, die Entstehung eines fruchtbaren Bodens für die virale Evolution so weit wie möglich zu vermeiden. Letztendlich ist der Umgang mit dem Auftreten eines Impfstoff-resistenten Stammes ein globales Problem, kein nationales; sobald irgendwo eine Impfstoff-Escape-Mutante auftritt, wird sie zum Problem aller.“

Quelle: Wissenschaft.de

 

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