Embryonalforschung
NEUE ERKENNTNISSE IN DER EMBRYONALEN ENTWICKLUNG
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Die Forschung an menschlichen Zellen im Reagenzglas unterliegen strengen Vorschriften. Demnach dürfen keine Untersuchungen mehr an in Reagenzgläsern befruchteten Eizellen nach dem vierzehnten Tag stattfinden. Im menschlichen Körper findet dann die sogenannte Gastrulation statt – ein entscheidender Schritt in der Embryonalentwicklung. In der dritten Schwangerschaftswoche bildet sich die dreiblättrige Keimscheibe aus, woraus sich später die verschiedenen Körperteile des Embryos entwickeln. Bisherige Kenntnisse beruhen auf zellulären Modellen.
Richard Tyser von der University of Oxford und seinem Team bot sich nun die Chance, sich genau diesen Entwicklungsschritt genauer anzusehen, völlig legal. Denn ein menschlicher Embryo von zirka 16 bis 19 Tagen aus einer ungewollten Schwangerschaft wurde der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung gestellt. Zwar nur eine Probe, der Stichprobenumfang könnte also nicht kleiner sein, aber das Team stuft den Embryo als für die menschliche Gastrulation repräsentativ ein.
Genanalysen widerlegen Modellforschung nicht
Das Team kartierte knapp 1200 einzelne Zellen, die sie verschiedenen Zelltypen zuordnen konnten, beispielsweise dem Endoderm, aus dem später der Verdauungstrakt entsteht oder dem Mesoderm, aus dem unter anderem Knochen oder Muskeln hervorgehen. Außerdem analysierten sie rund 4000 Gene pro Zelle, darunter auch aktive Y-Chromosome, sodass Tyser und sein Team eine Kontamination durch mütterliche Zellen ausschließen konnten.
Ihre Erkenntnisse verglichen die Forscher*innen mit den Modellsystemen von Mäusen, Makaken und menschlichen In-Vitro-Zellversuchen. Das Ergebnis: „Die Analyse der Genexpression bei den drei Arten ergab große Ähnlichkeiten, aber auch einige spezifische Unterschiede“. Menschen und Mäuse zeigten demnach eine ähnliche Genaktivierung. „Das deutet darauf hin, dass die Maus ein gutes Modell für die menschliche Gastrulation darstellt“, folgern Tyser und seine Kollegen.
Doch nicht alles entsprach der Theorie. So fand das Team Erythrozyten-Vorläuferzellen, sowie die entsprechend aktiven Globin-Gene. „Dies war unerwartet, da pigmentierte Blutzellen im entsprechenden Stadium bei Mäuseembryonen fehlen“, so die Forscher. „Das Vorhandensein von Zellen mit Hämoglobin und mehreren blutbildenden Vorläuferpopulationen deutet darauf hin, dass die Bildung der Blutzellen beim Menschen im Vergleich zu Mäuseembryonen im gleichen Stadium weiter fortgeschritten ist.“
Wichtig für die künftige Stammzellforschung
„Diese für Menschen spezifischen Details der Differenzierung werden eine wertvolle Ressource sein, wenn es darum geht, Ansätze zur gezielten Differenzierung menschlicher embryonaler Stammzellen zu verfeinern“, schreiben die Forscher. „Darüber hinaus werden sie helfen, experimentelle Ergebnisse zur Gastrulation von Modellorganismen wie der Maus oder in vitro Gastrulasystemen zu interpretieren.“
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Blackbox der Entwicklungsforschung
Weitere Experten bestätigen die Wichtigkeit der gewonnen Erkenntnisse über die Gastrulation. In einem beiliegenden Kommentar zur Studie heißt es daher von Alexander Goedel und Fredrik Lanner vom Karolinska Institut in Stockholm: „Eine sorgfältige Bewertung ihrer Übereinstimmung mit den entsprechenden Zelltypen in vivo ist notwendig, um festzustellen, ob solche Modelle das Versprechen halten, diese Blackbox der Embryologie zu öffnen und mechanistische Einblicke in dieses Stadium der menschlichen Entwicklung zu geben.“
Quelle: Wissenschaft.de