Auf einer Bar stehen drei Longdrink-Gläser mit Gin, Eis, Gurke und Rosmarin. Der Barkeeper öffnet gerade drei Fläschchen Tonic Water, die daneben stehen.© MaximFesenko/iStock/Getty Images Plus
Tonic Water ist als Bestandteil von Gin Tonic gehyped. Man sollte es aber auf keinen Fall mit Loperamid kombinieren.

Chinin-Wechselwirkung

WANN LOPERAMID GEFÄHRLICH WIRD

Loperamid gegen Durchfallerkrankungen kommt in der Apotheke täglich vor und ist im Allgemeinen gut verträglich. Der Tod einer jungen Frau im Oktober zeigt aber: Selbst therapeutische Dosen können gefährlich sein – wenn sie zum Beispiel mit Chinin wechselwirken.

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Das Opioid Loperamid gibt es in kleinen Packungen ohne Rezept. Hintergrund: Es wirkt fast nur im Darm, gilt also als ungefährlich genug für die Selbstmedikation von Durchfall. Immer wieder hört man jedoch, dass Loperamid durchaus zu gefährlichen Rauschzuständen oder Vergiftungen führen kann. Wie kann das sein?

Dass Loperamid keine Wirkung im Gehirn hat und damit nicht als gefährlich gilt, stimmt nicht immer. Hier spielen nämlich auch Wechselwirkungen mit Nahrungsmitteln und weiteren Medikamenten eine entscheidende Rolle. Auf diese scheinbaren Kleinigkeiten sollten Sie bei der Abgabe achten, damit Loperamid nicht zu gefährlichen Problemen führt.

Loperamid in Kombination durchaus gefährlich

Loperamid ist bei Durchfall eine der ersten Optionen in der Apotheke. Dass es gefährlich sein kann, wissen die wenigsten. Auch die 25-jährige Frau, die im Oktober an einer Loperamid-Vergiftung starb, nahm es auf Verschreibung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes gegen einen Magen-Darm-Infekt ein, ohne Böses zu ahnen.

Sie wurde nach der Einnahme müde und legte sich schlafen. Nur eine halbe Stunde später fand ihr Partner sie bewusstlos auf, der Notarzt konnte sie nicht retten. Die Menge Loperamid, die sie im Blut hatte, war nicht das Problem, sondern eine gefährliche Wechselwirkung mit großen Mengen Chinin.

Der Partner der Verstorbenen erklärte, sie habe eine große Vorliebe für Tonic Water gehabt und allein am Tag ihres Todes mindestens zweieinhalb Liter davon getrunken. Diese Menge enthält rund 170 Milligramm Chinin. Genau das war das Problem: Die Kombination aus Loperamid und Chinin führt zu einer Wechselwirkung und ist tatsächlich so gefährlich, dass man daran sterben kann. Aber warum?

Wechselwirkungen von Loperamid können schwerwiegend sein

Die Wechselwirkung von Loperamid mit Chinin beruht darauf, dass Chinin einen Mechanismus der Blut-Hirn-Schranke behindert. Das führt dazu, dass Loperamid in gefährlichen Konzentrationen ins Gehirn gelangt. Chinin hemmt den Transporter P-Glykoprotein (P-gp). Dieses Eiweiß befördert Loperamid und andere gefährliche Stoffe aktiv aus dem Gehirn, wenn sie einmal eingedrungen sind. Durch die Wechselwirkung mit Chinin kann also das eigentlich nicht gehirngängige Loperamid auch an zentralen Opioidrezeptoren wirken und eine gefährliche Atemdepression auslösen.

Die Wechselwirkung mit Chinin gilt aber nicht nur für Loperamid, sondern auch für zahlreiche andere Substrate von P-gp (siehe Kasten), die durch dessen Hemmung in ihrer Wirkung mitunter gefährlich verstärkt werden. Der Grund dafür ist, dass P-gp auch in der Darmschleimhaut zu finden ist. 2015 wurde daher das bisher rezeptfreie Chinin, welches unter anderem gegen Muskelkrämpfe wirkt, der Verschreibungspflicht unterstellt.

Arzneistoffe, die mit P-gp Wechselwirkungen eingehen

  • Loperamid,
  • orale Antikoagulanzien (Apixaban, Dabigatran, Edoxaban, Clopidogrel, Rivaroxaban),
  • zahlreiche Zytostatika sowie Methotrexat,
  • Atorvastatin, Lovastatin,
  • Colchicin,
  • Digoxin,
  • Erythromycin und Fluorchinolone,
  • Diltiazem und Losartan,
  • Propranolol,
  • Domperidon,
  • Ondansetron sowie
  • die Immunsuppressiva Ciclosporin und Tacrolimus.

All diese Stoffe wirken durch die Wechselwirkung mit Chinin verstärkt, was ebenso wie die Interaktion mit Loperamid schnell gefährlich werden kann. Viele dieser Substanzen besitzen eine geringe therapeutische Breite.

Nicht nur Chinin und Loperamid bedenken

Nicht nur Chinin kann die Wirkung von Loperamid und vielen weiteren Arzneistoffen gefährlich verstärken. Auch andere Nahrungsmittel sind Hemmstoffe von P-gp und führen zu Wechselwirkungen. Besonders die Kombination von hohen Dosen Loperamid mit Grapefruitsaft, einem starken Hemmer von P-gp, ist in entsprechenden Kreisen für seine durchaus gefährliche Rauschwirkung bekannt. Clarithromycin, Erythromycin, Verapamil und Azol-Antimykotika weisen die gleiche Wechselwirkung mit Loperamid und weiteren Substraten von P-gp auf. Um gefährliche Probleme zu vermeiden, sollten Sie bei der Beratung also stets die Augen offenhalten.

Quellen:
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-8-2018/auf-wolke-sieben-mit-loperamid 
https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2024/10/14/tod-durch-limonade 
https://www.pharmazeutische-zeitung.de/2018-05/otc-missbrauch-von-vomex-partys-und-loperamid-rausch/ 

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