Beratungsthema Schlafstörungen
ALLES FÜR EINEN GUTEN SCHLAF
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Wie viele es tatsächlich sind, um die das Sandmännchen regelmäßig einen Bogen macht, ist schwer zu beziffern. Die Angaben schwanken zwischen zehn und zwanzig Prozent der erwachsenen Bundesbürger. Das liegt vor allem daran, dass die Schlafzeiten von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind und die selbstgestellte Diagnose „Ich habe eine Schlafstörung“ oftmals gar nicht zutreffend ist.
Wie viele Untersuchungen der Schlafforschung zeigen, ist die benötigte Schlafdauer sehr individuell: Sie reicht bei Erwachsenen durchschnittlich von fünf bis neun Stunden. Eine kurze Nachtruhe muss deshalb keineswegs bereits pathologisch sein. Schließlich kann es sich bei den Betreffenden um ganz „natürliche“ Kurzschläfer handeln.
Klarheit hingegen herrscht bei der Definition dessen, was als Schlafstörungen, medizinisch Insomnien genannt, gilt: Ein- und Durchschlafstörungen, die mindestens drei Nächte pro Woche über einen Monat bestehen und bei den Betroffenen zu einer beeinträchtigten Leistungsfähigkeit oder Befindlichkeit am Tag führen. Geht das mehr als drei Monate so weiter, können die Insomnien als chronisch bezeichnet werden.
In Phasen durch die Nacht
Doch wie sieht das eigentlich aus mit dem gesunden Schlaf? Wie hat man sich eine erholsame Nacht in der Theorie vorzustellen? Wir alle durchschlafen verschiedene Phasen, die sich mehrmals – rund alle neunzig Minuten – wiederholen. Während der einzelnen Schlafzyklen sind die Hirnströme, erkennbar im Elektroenzephalogramm an der Aktivität des Gehirns, unterschiedlich stark ausgeprägt. Welchen Sinn diese Schlafphasen haben, ist bislang nicht geklärt.
In der Einschlafphase gelangen wir immer mehr in einen Zustand der Beruhigung und Entspannung: Der Pulsschlag verlangsamt sich, die Atmung wird tiefer und die Zahl der Atemzüge verringert sich. Wir gleiten nach wenigen Minuten in die Leichtschlafphase über. Die Gehirnaktivität beschränkt sich vor allem auf niedrige Frequenzen. Bewusstsein und Wahrnehmung werden geringer, die Muskulatur entspannt zunehmend. Es finden nahezu keine Augenbewegungen statt.
Die nun folgende Tiefschlafphase ist die wichtigste Schlafphase zur körperlichen und geistigen Regeneration. Wir schlafen tief und fest, weshalb viele Menschen jetzt nur sehr schwer zu wecken sind. Falls dies geschieht, finden wir nur langsam zurück ins Bewusstsein.
Zwischen diesen Phasen treten immer wieder Sequenzen mit schnellen Augenbewegungen auf, den REM-Phasen. Das steht für rapid eye movement. Diese Augenbewegungen gehen auf eine beschleunigte Gehirnaktivität zurück. In dieser Zeit verarbeiten wir vermehrt emotionale und geistige Eindrücke. Entsprechend träumen wir in dieser Phase auch am meisten.
Wer unter Schlafstörungen leidet, hat vielfach kaum oder keine Tiefschlafphasen. Damit schrumpft die Gelegenheit, im Schlaf zu erholen. Die Betreffenden ruhen zweifelsohne, können jedoch nicht ausreichend physisch und psychisch regenerieren.
Schlecht schlafen ist verschieden
Die Medizin unterscheidet unterschiedliche Formen von Schlafstörungen:
- Bei Einschlafstörungen bleiben die Betroffenen regelmäßig oder gehäuft eine halbe Stunde wach, obwohl sie eigentlich müde sind. Im schlimmsten Fall dauert es sogar mehrere Stunden, bis sich der Schlaf endlich einstellt.
- Durchschlafstörungen zeigen sich durch mehrmaliges Aufwachen während der Nacht. Der Schlafsuchende benötigt dann meist mehr als eine halbe Stunde, um wieder in den Schlaf zu finden.
- Wer sich morgens schon ein bis zwei Stunden vor dem Klingeln des Weckers im Bett wälzt und trotz Müdigkeit nicht mehr einschlafen kann, der leidet unter Früherwachen oder Ausschlafstörungen, im Volksmund „senile Bettflucht“ genannt, denn daran leiden meist Menschen ab der Lebensmitte und ältere Personen. Diese Altersgruppe hat auch vermehrt mit Durchschlafstörungen zu tun, während jüngere Menschen meist mit Einschlafstörungen kämpfen.
Was den Schlaf rauben kann
Insomnie kann eine Folge von körperlichen oder psychischen Erkrankungen sein. Diese sekundäre Form der Schlafproblematik betrifft zum Beispiel Menschen mit Herz-Kreislauf-Krankheiten, chronischen Schmerzen, Krebserkrankungen, der Einnahme bestimmter Medikamente, Depressionen, Angststörungen sowie bei einer Schlafapnoe mit kurzen Atemaussetzern während des Schlafs.
Fehlen körperliche oder psychische Hintergrunderkrankungen spricht man von primärer Insomnie. Hier können ungünstige Schlafbedingungen oder Einflüsse vorliegen, die den Schlaf behindern, wie
- nächtlicher Lärm,
- zu helles Licht in der Umgebung,
- übermäßiger Alkohol- und Kaffeekonsum,
- Nacht- oder Schichtdienst,
- zu viel Stress und Hektik tagsüber,
- Sorgen und emotionale Belastungen. Dazu passen die Ergebnisse, wie negativ sich die Corona-Pandemie auf die Nachtruhe auswirkte: Obwohl oft mehr geschlafen wurde, ging die Schlafqualität zurück und Schlafstörungen nahmen zu.
Schlaflos auf Rezept
Bei der Einnahme dieser Arzneimittel kann es Probleme mit dem Schlaf geben:
+ Antibiotika (z. B. Gyrasehemmer)
+ Antidepressiva (z.B. selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer)
+ Coffein in Grippe- und Schmerzmitteln
+ Schilddrüsenhormone
+ Antidementiva
+ Anticholinergika
+ Diuretika.
+ Blutdruckmittel (z. B. Betablocker)
+ Asthma-Mittel (z. B. Theophyllin, ß-Sympathomimetika)
+ Sympathomimetika (z.B. Pseudoephedrin)
Prekäre Folgen
Stark erhöhte Tagesschläfrigkeit, nachlassende Konzentration und Leistungsfähigkeit sind für die Schlafsuchenden äußerst belastend, jedoch leider meist noch nicht alles. Denn anhaltende Schlafstörungen zehren an physischer sowie psychischer Gesundheit und insofern auch an der Lebenserwartung. Was vor allem daran liegt, dass in schlaflosen Nächten deutlich mehr Stresshormone ausgeschüttet werden.
Das gefährdet besonders Herz und Kreislauf: Bluthochdruck, beschleunigte Arterienverkalkung oder Störungen im Glukose-Stoffwechsel sowie Übergewicht können die Folge sein. Ein gestörter Schlaf kann auch massiv auf die Psyche gehen. So leiden vierzig Prozent der Menschen mit Insomnien unter Depressionen und Angststörungen. Hintergrund ist, dass Schlafstörungen eine emotionale Dysregulation auslösen, weshalb sie inzwischen auch als psychische Risikofaktoren gelten.
Kognitive Verhaltenstherapie
Sie sollte gemäß Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Schlafmedizin (DGSM) und anderer Fachverbände als kausales Behandlungsverfahren der ersten Wahl insbesondere bei leichten Schlafstörungen eingesetzt werden. Im Rahmen dieser Therapie erlernen die Betroffenen gezielt Verhaltensweisen, durch die sie wieder Vertrauen in den eigenen Schlaf bekommen können. Die Wirksamkeit einer kognitiven Verhaltenstherapie (KVT-I) bei Insomnien ist wissenschaftlich klar belegt. Sie steigern die Lebensqualität spürbar und senken das Risiko für psychische und körperliche Folgeerkrankungen. Zudem kann sie vor einer Chronifizierung der Schlafstörung schützen.
Inhalte einer kognitiven Verhaltenstherapie
Zur kognitiven Verhaltenstherapie bei Schlafstörungen gehört immer in erster Linie auch eine Aufklärung über gesunden und gestörten Schlaf, über Schlafhygiene sowie das Erlernen des Umgangs mit Schlafstörungen. Weitere Säulen der Therapie sind das Erlernen und Praktizieren von Entspannungstechniken sowie angemessenen sportlichen Aktivitäten.
Pflanzliche Sedativa
Phytotherapeutika nehmen einen wachsenden Stellenwert bei der Therapie von Schlafstörungen ein und sind eine beliebte Alternative zu synthetischen Wirkstoffen. Das hat gute Gründe:
- Pflanzliche Schlafmittel setzen trotz ihrer beruhigenden Eigenschaften nicht die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit herab. Das ist vor allem für Berufstätige sowie für die Teilnahme am Straßenverkehr sehr bedeutsam.
- Sie besitzen kein Abhängigkeits- oder Suchtpotential und bringen deshalb keine unangenehmen Effekte beim Absetzen mit sich.
- Sie verändern das natürliche Schlafmuster, also die Schlafphasen, nicht.
Wichtig für die Selbstmedikation
Grundlegend relevant für die Therapie ist, dass die Pflanzenpräparate ausreichend hoch dosiert sind. Weiterhin sollten Sie bei der Beratung darauf achten, dass Sie einen standardisierten Extrakt mit nachgewiesener Wirksamkeit bei Schlafstörungen empfehlen. Eine wichtige Information für Ihre Kunden ist, dass bei pflanzlichen Schlafmitteln die Wirkung in der Regel erst nach einigen Tagen oder Wochen einsetzt.
Diese Drogen können Sie einzeln oder in Kombination empfehlen:
- Baldrian (Valeriana officinalis)
Extrakte aus der Baldrianwurzel empfehlen sich besonders bei Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen. Als Wirkmechanismus für die Extrakte der Wurzel werden sowohl eine agonistische Wirkung des Baldrian-Lignans Olivil auf Adenosin-A1-Rezeptoren als auch eine Beeinflussung des GABA-Rezeptor-Komplex für möglich gehalten. Als Dosis wird für den Trockenextrakt 600 Milligramm (mg) empfohlen. Dazu sollte man das Präparat mit dem Baldrianwurzelextrakt am besten eine Stunde vor dem Schlafengegen einnehmen, damit sich seine Wirkung rechtzeitig entfalten kann. Die volle Wirksamkeit haben Baldrianpräparate nach etwa zwei Wochen regelmäßiger Anwendung erreicht. - Hopfen (Humulus lupulus)
Klinische Studien zeigen für Hopfenpräparate einen sedierenden Effekt, ohne dass spezifische Inhaltsstoffe dafür direkt verantwortlich gemacht werden können. Möglicherweise verstärken sie die Wirkung der Baldrianinhaltsstoffe mit dem Hopfen meist kombiniert wird. Auch kommen Lupulon und Humulon als Wirkstoffe infrage. Sie werden im Zuge der Lagerung zu 2-Methyl-3-buten-2-ol abgebaut, einer Substanz, auf die der beruhigende Effekt möglicherweise zurückzuführen ist. - Lavendel (Lavandula angustifolia)
räparate mit dem ätherischen Öl des Lavendels bewähren sich vor allem bei Einschlafstörungen, die durch nervöse Unruhezustände hervorgerufen werden. Die Wirkung wird vor allem mit den Inhaltsstoffen Linalool und Linalylacetat in Verbindung gebracht. Hier wird eine antagonistische Wirkung an den Calcium-Kanälen der Nervenzelle angenommen. Durch den verminderten Einstrom der Calcium-Ionen sinkt die Ausschüttung erregender Neurotransmitter. Es kommt zu einer Verbesserung der natürlichen Reizfilterfunktion. Kommt es nach der Einnahme der Präparate mit dem ätherischen Lavendelöl zu Aufstoßen, kann der Kunde es direkt zum Abendessen einnehmen. - Melisse (Melissa officinalis)
Ebenso wie Baldrian und Lavendel bewährt sich auch die Melisse vor allem bei nervösen und durch Stress bedingten Problemen mit dem Einschlafen. Das Öl aus den Blättern dieser Heilpflanze wirkt sich schlaffördernd und beruhigend auf den Organismus aus – vermutlich indem es den Abbau des Neurotransmitters GABA hemmt. - Passionsblume (Passiflora incarnata)
Während das Kraut der Passionsblume als Monotherapie bei Nervosität eingesetzt wird, fördert es in Kombination mit Baldrian, Hopfen oder Melisse auch das Einschlafen. Klinische Studien zeigen eine beruhigende und angstlösende Wirkung. Im Passionsblumenkraut finden sich Umbelliferon und Cumarin sowie Vitexin, Maltol und Flavonoide – die beiden Letzteren werden für die beruhigende Wirkung der Passionsblume verantwortlich gemacht. Für sie wird eine modulierende Wirkung auf den GABA-Rezeptorenkomplex vermutet. Außerdem sollen die Wirkstoffe die Verweildauer von GABA im synaptischen Spalt verlängert, da die Wiederaufnahme in die präsynaptische Membran über den GABAB-Rezeptor gehemmt wird.
Schlaffördernde und beruhigende Heilpflanzen sind heute vielfach als Präparate mit fixen Kombinationen auf dem Markt. Denn dadurch erhöht sich die Wirksamkeit im Vergleich zu den Einzelkomponenten.
Empfehlenswerte Kombinationen sind: Baldrian und Hopfen; Baldrian, Hopfen und Melisse; Baldrian, Hopfen und Passionsblume sowie Baldrian, Melisse und Passionsblume.
Melatonin
Dieses Hormon wird von der Zirbeldrüse, einem Teil unseres Zwischenhirns, gebildet und ausgeschüttet. Dunkelheit regt seine Produktion an, Tageslicht stoppt sie. Das macht Melatonin zu einem wichtigen Regulator des Schlaf-Wach-Rhythmus. Sobald es ins Blut strömt, fahren Blutdruck, Körpertemperatur und Energieverbrauch herunter – es wird Zeit zu schlafen.
Indem es die Schlafbereitschaft beim Menschen anregt, ist Melatonin zur beliebten Abhilfe bei Schlafstörungen avanciert. Auch deshalb, weil es die Schlafphasen nicht beeinflusst und kein Abhängigkeitsrisiko birgt. Melatonin als Schlafhormon zu bezeichnen, wäre allerdings falsch, denn auch bei nachtaktiven Tieren, wie der Eule, löst die Dunkelheit die Ausschüttung von Melatonin aus. Anders als bei uns Tagschläfern macht das Nachthormon diese Tiere allerdings aktiv.
Das Hormon als Einschlafmittel zu nutzen ist nur dann sinnvoll, wenn der Schlafsuchende unter einem Melatonin-Mangel leidet. Das ist meist erst bei älteren Menschen der Fall.
Ab der Lebensmitte sinkt die abendliche Ausschüttung des Botenstoffs. Hier kann Melatonin durchaus eine wertvolle Ergänzung sein. In Deutschland ist ein verschreibungspflichtiges Retardarzneimittel für Erwachsene ab 55 Jahren mit 2 Milligramm Melatonin zugelassen. Die auf dem Markt befindlichen Nahrungsergänzungsmittel dürfen in Deutschland nicht mehr als 1 Milligramm Melatonin enthalten, da diese Menge auch über Nahrungsmittel wie Cranberrys und Pistazien in einer realistischen Menge zu konsumieren ist. Letztlich befinden sich die Präparate in einer rechtlichen Grauzone, sie werden aber zurzeit stark beworben und in der Apotheke häufig nachgefragt.
Zum Glück für den Verbraucher können Sie in der Apotheke zumindest diese wichtigen Hinweise für den Kunden mit dem Verkauf verbinden: Sinnvoll ist es mit einer geringen Dosis des Wirkstoffes zu beginnen. Welche Dosis hier geeignet ist, kann sehr unterschiedlich sein. Beginnen sollte man mit einer Dosierung von 0,5 bis 1 mg Melatonin. In der Selbstmedikation sollte Melatonin nur gelegentlich und nicht dauerhaft eingenommen werden. Als Voraussetzung für die Wirksamkeit wird Melatonin als Chronotherapeutikum zu festen Uhrzeiten am Abend eingenommen. Das gilt auch für die Wochenenden. Empfehlen Sie den Kunden, das Präparat etwa eine halbe bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen einzunehmen. Als Abstand zu der letzten Mahlzeit sollten zwei Stunden eingehalten werden. Wird das Präparat in der Nacht nachdosiert, kann der zirkadiane Rhythmen durcheinandergeraten – es kann zum Hangover kommen. Auch ist es nicht ratsam Melatonin am Tag einzunehmen.
Wann ist es wirklich zu wenig oder gar zu viel Schlaf?
H1-Antihistaminika
Zu diesen Schlafmitteln gehören die Antihistaminika der ersten Generation, die anders als jene der zweiten Generation, die Blut-Hirn-Schranke passieren und im zentralen Nervensystem verbleiben. Hier hemmen sie zentrale H1-Rezeptoren kompetitiv, worauf ihr sedierender Effekt beruht, denn Histamin hat – neben all seinen unterschiedlichen anderen Wirkungen – im Gehirn die Aufgabe eines „Wachmachers“, ähnlich wie Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin, Dopamin oder Orexin.
Die hierzulande als Schlafmittel eingesetzten rezeptfreien Histamin-Rezeptorantagonisten sind Doxylamin und Diphenhydramin. Die beiden Wirkstoffe sind zur symptomatischen Behandlung von leicht ausgeprägten akuten Ein- und Durchschlafstörungen geeignet. Ihren Einsatz sollten die Kunden auf ein bis maximal vier Wochen beschränken oder als Bedarfstherapie an ein bis zwei Nächten pro Wochen sowie bei Jetlag. Auch wenn die Wirkstoffe der Selbstmedikation zugänglich sind, sollten Schlafsuchende einiges über deren Wirkung wissen.
Die Präparate greifen in das physiologische Schlafprofil ein, vor allem stören sie den Traumschlaf. Das schränkt die Erholung im Schlaf ein. Klären Sie die Kunden darüber auf, dass die schlaffördernde Wirkung der Präparate relativ lang anhält, nämlich rund acht Stunden. Nimmt man sie erst zu später Stunde oder sogar nachts ein, kann es deshalb am nächsten Tag zu einem Hang-Over mit herabgesetzter Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit kommen. Das kann sich für Berufstätige als problematisch erweisen.
Achtung bei Doxylamin und Diphenhydramin in diesen Fällen
Da die H1-Antihistaminika an verschiedenen Rezeptoren binden können, ist bei den Wirkstoffen auch mit unerwünschten Nebenwirkungen zu rechnen (dirty-drugs). So kann sich beispielsweise die QT-Zeit verlängern, was potentiell tödliche Herzrhythmusstörungen zur Folge haben kann. Weiterhin können die klassischen anticholinergen Nebenwirkungen wie erhöhter Augeninnendruck, Mundtrockenheit, Tachykardie, Obstipation und Miktionsstörungen auftreten.
Bei Erkrankungen wie Epilepsie, Glaukom, Prostatahyperplasie, stark ausgeprägtem Asthma sowie Schwangerschaft und Stillzeit sollen diese Schlafmittel nicht eingenommen werden. Auch die Einnahme von MAO-Hemmern gilt als Kontraindikation. Da unerwünschte Nebenwirkungen verstärkt bei älteren Menschen auftraten und es bei ihnen auch zu kognitiven Beeinträchtigungen kommen kann – verbunden mit erhöhter Sturzgefahr – wurden die Substanzen auf der Priscus-Liste als inadäquat bei älteren Patienten eingestuft.
Stichwort: Schlafhygiene
Darunter verstehen Schlafforscher alles, was vor außer den verschiedenen Therapiemaßnahmen wieder zur ungestörten Nachtruhe und zu erholsamem Schlaf verhelfen kann:
+ Koffeinhaltige Getränke wie Kaffee, schwarzen Tee oder Cola vier bis sechs Stunden vor dem Zubettgehen komplett vermeiden.
+ Abends nicht zu fettreich essen. Auch Rohkost ist keine so gute Idee, weil sie schwer im Magen liegen kann. Gut sind leichte Nudel- oder Gemüsegerichte sowie Fisch.
+ Alkohol macht zwar bekanntlich müde, stört jedoch das Durchschlafen.
+ Kein anstrengender Sport am Abend. Denn er regt den Kreislauf an und kann den Schlaf stören.
+ Medienkonsum direkt vor dem Zubettgehen kann kontraproduktiv für die Schlafqualität sein. Fernseher, PC oder Handy sollten am Abend ausgeschaltet werden.
+ Schläfchen tagsüber? Okay, aber maximal eine halbe Stunde, ansonsten kann Powernapping nachts Probleme bereiten.
+ Im Schlafzimmer für frische Luft und eine Raumtemperatur von etwa 18 °C sorgen. Wichtig ist auch eine ausreichende Abdunkelung.
Nur auf Verordnung!
Verlassen wir das Terrain der verschreibungsfreien Arzneimittel stehen neben den schlaffördernden Psychopharmaka im Wesentlichen Hypnotika wie die Z-Substanzen zur Verfügung. Benzodiazepine hingegen, wie Diazepam, Nitrazepam oder Flunitrazepam, sollten bei einer chronischen Insomnie nicht eingesetzt werden. Sie dürfen nur für einen kurzen Zeitraum in extremen Situationen verordnet werden.
Dazu können Schlafstörungen aufgrund eines Todesfalles in der Familie gehören. In solchen Fällen sind sie die zuverlässigsten Schlafmittel. Die Betroffenen sollten dann über die Nebenwirkungen aufgeklärt werden: Dazu gehören unter anderem Abhängigkeit, Beeinträchtigung der Atmung und aufgrund der überwiegend langen Halbwertzeit der Überhang der sedierenden Wirkung in den nächsten Tag hinein (Hangover).
Z-Substanzen
Die drei mit dem Z am Anfang: Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon, beziehungsweise sein pharmakologisch aktives Enantiomer Eszopiclon werden als Z-Substanzen zusammengefasst. Die verschreibungspflichtigen Pyrazolopyrimidin-Wirkstoffe werden vor allem für die Therapie von mittelschweren Ein- und Durchschlafstörungen eingesetzt.
Z-Substanzen wirken ähnlich wie Benzodiazepine, deshalb auch die Bezeichnung Benzodiazepin-Agonisten: Sie binden an den Benzodiazepin-Bindungsstellen des GABAA-Rezeptor-Komplexes und verstärken so die Wirkung des körpereigenen beruhigenden Botenstoffs Gamma-Aminobuttersäure (GABA): GABA sorgt dafür, dass sich die Chlorid-Kanäle öffnen und sich der Chlorid-Einstrom erhöht.
Infolgedessen kommt es zur Hyperpolarisation der Zelle, die einer Erregung entgegenwirkt. Dieser sedierende Effekt der Substanzen verbessert das Ein- und Durchschlafen. Allerdings erzwingen sie den Schlaf nicht, sind also wenig hilfreich, wenn man hellwach ist. Raten Sie Ihren Kunden, diese Schlafmittel etwa eine halbe Stunde vor dem Zubettgehen einzunehmen und zwar dann, wenn sie bereits eine gewisse Müdigkeit verspüren.
Die Z-Substanzen weisen einige Vorteile gegenüber den Benzodiazepinen auf:
- Rascher Abbau (Zolpidem 3-4 Std.; Zopiclon 5-6 Std; Eszopiclon 7-8 Std.), sodass es am nächsten Morgen nicht zum Hangover kommt.
- Keine Atemdepression.
- Deutlich geringerer Wirkungsverlust im Laufe der Einnahme.
Die Einnahme sollte gemäß Beipackzettel nur über einen Zeitraum von maximal vier Wochen erfolgen. Für das Enantiomer Eszopiclon kann der Behandlungszeitraum vom Arzt auf sechs Monate ausgedehnt werden.
Auskunftspflicht bei Schlafstörungen?
Schlafstörungen können die Leistungsfähigkeit massiv herabsetzen. Das muss Arbeitgebern jedoch nicht zwingend gemeldet werden. Das gilt allerdings nur solange, wie die Auswirkungen keine potentielle Gefährdung darstellen. Beispielsweise kann in Berufen mit Fahrgastbeförderung und regelmäßigen Autofahrten wie etwa bei Bus- und Taxifahrern das Verschweigen der Schlafstörung durchaus eine Kündigung rechtfertigen.
Orexin-Rezeptor-Antagonisten
Auf dieser Arzneistoffgruppe ruht die Hoffnung viele Schlafsuchender. Seit fast einem Jahr ist nun Daridorexant, ein dualer Orexin-Rezeptorantagonist (DORA) in Deutschland bei Schlafstörungen von Erwachsenen, die länger als drei Monate anhalten, zugelassen. Beim Orexin handelt es sich um ein Neuropeptid, das im Gehirn synthetisiert wird und dort als Wachmacher fungiert. Es konnte beobachtet werden, dass bei vielen Patienten, die unter Narkolepsie leiden, weniger Orexin im Gehirnwasser nachweisbar ist, als bei Nichtbetroffenen. Es wird auch ein Verlust an Orexin-Neuronen diskutiert.
Als Wirkungsweise für den in Deutschland zugelassenen Arzneistoff Daridorexant sowie für die in den USA auf dem Markt befindlichen Arzneimittel mit den Wirkstoffen Suvorexant und Lemborexant wird angenommen, dass sie kompetitiv und reversibel die Orexinrezeptoren der beiden Subtypen OX1 und OX2 hemmen. Dadurch wird die wachmachende Wirkung der Neuropeptide Orexin A und B im Hypocampus aufgehoben. Die DORA weisen somit einen völlig neuartigen Wirkungsmechanismus unter den Schlafmitteln auf.
Als Kontraindikation für den Einsatz der DORA gilt die Indikation Narkolepsie. Ansonsten gelten sie als wirksam und nebenwirkungsarm. Hangover, Abhängigkeit und ein Rebound-Effekt beim Absetzen sollen bei den neuen Wirkstoffen nicht auftreten. In den Zulassungsstudien zeigte sich Daridorexant auch für die Langzeitbehandlung als geeignet. Dies muss sich nun auch im klinischen Alltag bestätigen.
Schlafstörung und Schlafmittel
Grundsätzlich lösen Schlafmittel die Probleme einer chronischen Insomnie nicht, sondern verbessern lediglich die Symptomatik während der Einnahme. Deshalb gilt bei allen Ein- und Durchschlafmitteln die Überlegung, was tun, wenn die empfohlene Einnahmedauer überschritten ist?
Experten, wie der Leiter der Schlafmedizin und Facharzt für Innere Medizin, Pulmologie und Pathophysiologie an der Charité Professor Dr. med. Ingo Fietze raten davon ab, eine erfolgreiche schlafmedizinische Therapie danach abzubrechen. Denn die chronische Schlafstörung bedürfe –ebenso wie Bluthochdruck oder Diabetes – einer dauerhaften Medikation. Eine chronische Therapie sei hier sinnvoller, als dauerhaft schlecht zu schlafen und die damit einhergehenden gesundheitlichen Folgen zu tragen.