Bakterien bekämpfen
ALLES ÜBER ANTIBIOTIKA UND ANTIBIOTIKA-RESISTENZEN
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Erstmals half Penicillin 1941 einem Engländer, der durch einen kleinen Kratzer eine Blutvergiftung erlitten hatte. Leider starb der Mann später, weil es nicht gelungen war, genug Penicillin herzustellen. Denn die Entdeckung war ein Zufallsfund.
Ein Schimmelpilz namens Penicillium notatum wuchs auf einer Bakterienkultur und ließ diese absterben. Der Biologe Alexander Fleming isolierte die verantwortliche Substanz und nannte sie Penicillin. Das war 1928 – der Beginn der Antibiotika-Therapie.
Antibiotika im Überblick
Haben Sie noch den Überblick über die verschiedenen Wirkstoffgruppen der Antibiotika und wie wir sie einsetzen? Hier kommt eine Zusammenfassung.
Antibiotika mit Beta-Lactam-Ring
Penicilline, Cephalosporine, Monobactame und Carbapeneme sind Beta-Lactam-Antibiotika. Sie besitzen ein gemeinsames Strukturelement: die aus zwei Ringen bestehende Beta-Lactam-Struktur. Sie ähnelt einem der Grundbausteine von Murein, einem Bestandteil der Zellwand. Die Beta-Lactam-Struktur blockiert die Herstellungsenzyme für Murein.
Die Farbe zeigt den Unterschied
Je nachdem, wie Bakterien mit der Färbemethode nach Hans Christian Gram unter dem Mikroskop aussehen, teilt man sie ein in grampositiv und gramnegativ.
Grampositive Bakterien besitzen eine dicke Schicht eines Peptidoglycan-Komplexes namens Murein in ihrer Zellwand, der sich anfärben lässt. Die Mureinschicht gramnegativer Bakterien ist dünn und wird von einer zusätzlichen Lipidmembran abgeschirmt, wodurch sich das Murein nicht anfärben lässt. Da viele Antibiotika den Zellwandaufbau stören, wirken sie unterschiedlich stark auf die beiden Gruppen.
Grampositive Keime sind unter anderem Streptokokken, Staphylokokken, Listerien und Enterokokken. Gramnegativ sind Campylobacter, Pseudomonas, Legionellen, Salmonellen und viele Keime unseres Darm-Mikrobioms. Innerhalb der Gruppen kann sich der Zellwandaufbau nochmals unterscheiden, was die Wirkprofile der Antibiotika erklärt.
Die genannten Antibiotika wirken gut gegen grampositive Bakterien. Da gramnegative Bakterien aber wenig Murein besitzen, sind sie gegen sie schlecht wirksam. Die älteste Substanz der Penicilline, Penicillin G oder Benzylpenicillin, ist nicht säurestabil und musste injiziert werden. Erst eine kleine Veränderung im Molekül zu Penicillin V beziehungsweise Phenylmethoxypenicillin machte die Einnahme möglich. Die weiter veränderten Substanzen Meclocillin, Piperacillin, Amoxicillin, Ampicillin und Flucloxacillin wirken deutlich breiter, teils auch gegen gramnegative Keime. Penicilline kommen zum Einsatz gegen alltägliche Erkrankungen wie
- Scharlach,
- Angina,
- Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündung
- und Bronchitis.
Auch Cephalosporine besitzen den wirksamkeitsbestimmenden Beta-Lactam-Ring. Sie werden in Untergruppen eingeteilt:
- Gruppe 1, zu der gängige Substanzen wie Cefaclor, Cephalexin und Cefadroxil gehören, wirkt gegen grampositive Keime.
- Die Substanzen der Gruppe 2 wie Cefuroxim können auch gramnegative Keime recht gut bekämpfen.
- Gruppe 3 mit Cefpodoxim und Cefixim wirkt noch besser gegen gramnegative Bakterien, aber dafür schwächer gegen grampositive.
Von den Monobactamen ist in Deutschland nur Aztreonam zugelassen, und zwar zur Inhalation. Wie die Carbapeneme Imipenem, Meropenem und Ertapenem kommt es nur in besonderen Fällen zum Einsatz. Beta-Lactam-Antibiotika besitzen eine große therapeutische Breite, ihr Interaktionspotenzial ist gering. Allerdings kommen starke allergische Reaktionen vor, die vom Beta-Lactam-Ring ausgehen und daher oft die ganze Stoffgruppe betreffen.
Glycopeptide
Die Glycopeptid-Antibiotika Vancomycin, Oritavancin, Teicoplanin und Dalbavancin hemmen nicht die Enzyme, die Murein herstellen, sondern binden dafür notwendige Vorstufen. Alle diese Glycopeptide müssen gespritzt werden und wirken nur gegen grampositive Bakterien, allerdings auch gegen einige Problemkeime wie Clostridium difficile. Dieses Bakterium kann lebensbedrohliche Durchfälle auslösen und ist schwer zu behandeln.
Die genannten Antibiotika gelten zum Teil als Reserveantibiotika, die nur mit strenger Indikationsstellung gegen Keime eingesetzt werden sollen, die gegen die gängigen Antibiotika resistent sind. Bei allen Glycopeptiden sind schwere Nebenwirkungen auf Nieren und Ohren möglich.
Vancomycin galt lange als letzte Hoffnung zur Behandlung von lebensbedrohlichen Infektionen durch grampositive Kokken. Diese Hoffnung endete allerdings 1987, als Vancomycin-resistente Enterokokken in den Krankenhäusern auftraten.
Fosfomycin kommt in der Praxis oft als orale Einmalgabe bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen vor. Seine Besonderheit: Es kann im Gegensatz zu vielen anderen Antibiotika die Blut-Hirn-Schranke überwinden. Parenteral gegeben wirkt es gegen viele grampositive und gramnegative Keime, indem es ein Enzym hemmt, das sehr frühe Vorstufen des Mureins herstellt. Das macht Fosfomycin äußerst wirkungsvoll.
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Aminoglycoside
Leitsubstanz ist das Streptomycin, das wie sein Verwandter Paromycin nur noch in besonderen Fällen eingesetzt wird. Die neueren Substanzen Gentamicin, Tobramycin und Amikacin sind unentbehrlich bei schweren Infektionen. Besonders gut wirken sie bei einer Blutvergiftung (Sepsis), weil sich in den Infektionsherden kaum Sauerstoff befindet und die dort wachsenden anaeroben Bakterien sehr empfindlich auf die Wirkstoffe reagieren.
Ähnliches gilt für Mykobakterien, die zum Beispiel Tuberkulose auslösen. Die Substanzen werden gespritzt, Neomycin und Kanamycin sowie Gentamicin zudem lokal angewendet. Allen gemeinsam ist bei parenteraler Anwendung die geringe therapeutische Breite und die Möglichkeit einer irreversiblen Schädigung der Sinneszellen im Ohr.
Makrolid-Antibiotika
Ihr gemeinsames Strukturelement ist ein Lactonring mit glykosidisch gebundenen Zuckern, das Makrolid. Zu dieser Gruppe gehören Erythromycin, Roxithromycin, Clarithromycin, Azithromycin, Spiramycin und Fidaxomicin. Sie binden an die Ribosomen der Bakterienzelle und stören so die Proteinsynthese. Alle Substanzen besitzen ein breites Wirkspektrum gegen grampositive und gramnegative Bakterien, aber auch gegen Mykoplasmen, Clamydien, Gonokokken und Borrelien.
Auch Clindamycin stört die Proteinsynthese bei grampositiven und einigen gramnegativen Bakterien. Nach Zahnbehandlungen kommt es häufig zum Einsatz, um eine gefährliche Herzinnenhautentzündung durch ins Blut gelangte Staphylokokken aus der Mundhöhle zu verhindern. Es dringt gut in Gewebe, sogar bis in Knochen und Gelenke ein, löst aber auch gelegentlich Darmentzündungen aus.
Azithromycin reichert sich in entzündetem Gewebe an und hat eine sehr lange Halbwertzeit. Fidaxomicin wirkt gut gegen Clostridium difficile, mit Spiramycin behandelt man Toxoplasmose in der Schwangerschaft. Diese Infektion kann das Ungeborene töten.
Vorsicht ist geboten bei der Einnahme weiterer Medikamente. Die Makrolide verlängern das QT-Intervall am Herzen, was in Kombination mit anderen Arzneimitteln Herzrhythmusstörungen begünstigen kann.
Tetracycline
Die Tetracycline Doxycyclin, Tetracyclin, Minocyclin und Oxytetracyclin sind eng verwandt mit den Glycylcyclinen Tigecyclin und Eravacyclin. Alle binden am Bakterienribosom. Besonders gut wirken die Tetracycline gegen Propionibakterien, die Auslöser der Akne, aber auch gegen Borellien, Yersinien, Mykoplasmen, Cholera-Vibrionen, Chlamydien und einige Protozoen.
Bei den Glycylcyclinen ist die Anwendung auf komplizierte Infektionen begrenzt. Tetracycline werden oral, Glycylcycline parenteral angewendet. Alle Substanzen können fototoxisch wirken und Leber-, Knochen- und Zahnschäden auslösen. Bei der Abgabe zur Einnahme sollte der Hinweis auf Wechselwirkungen mit mehrwertigen Kationen wie Calcium, Magnesium, Aluminium und Eisen nicht fehlen.
Oxazolidinone
Eine relativ neue Substanzklasse stellen die Oxazolidinone Linezolid und Tedizolid dar. Sie unterbrechen eine besonders frühe Phase der Proteinsynthese. Die Substanzen werden nur angewandt bei schweren oder komplizierten Infektionen. Beide hemmen zudem die Monoaminooxidase (MAO), was bei der Kombination mit Arzneistoffen und Lebensmitteln beachtet werden muss.
Chinolone
Ciprofloxacin, Levofloxacin, Moxifloxacin, Norfloxacin, Delafloxacin und Ofloxacin gehören zu den Chinolonen. Sie stören die bakterielle DNA-Synthese, indem sie an die dafür nötigen Enzyme binden. Bei dieser Stoffklasse kommen Unverträglichkeiten häufig vor, ebenso Muskel- und Gelenkbeschwerden, Aneurysmen und eine gewisse Neurotoxizität. Außerdem verlängern sie das QT-Intervall.
Alle sind gut gewebegängig und daher bei Knochen- und Prostatainfektionen geeignet. Ihr Einsatz sollte heute wegen hoher Resistenzgefahr und der starken Nebenwirkungen eher vermieden werden. Ihre Berechtigung haben die Chinolone gegen komplizierte Infektionen oder gegen Milzbrand und einige Problemkeime. Bei der Abgabe sollten Sie auf einen notwendigen zeitlichen Abstand zu mehrwertigen Kationen hinweisen.
Sulfonamide
Sulfonamid-Antibiotika wie Sulfamethoxazol, Sulfadiazin und Sulfadioxin finden sich fast immer in Kombinationspräparaten mit Diamidopyrimidinen (Trimethoprim, Pyrimethamin). Ein gängiges Beispiel ist Cotrimoxazol, die Kombination von Sulfamethoxazol und Trimethoptim. Beide Substanzen behindern in Bakterien die DNA-Neubildung. Bei vielen Infektionen ist die Therapie mit Sulfonamiden wegen hoher Resistenzquoten nicht mehr empfehlenswert, sie wirken aber gegen Toxoplasmose und einige Malaria-Erreger.
Nitroverbindungen
Auch die Nitroverbindungen Metronidazol, Nitrofurantoin und Nitroxolin schädigen die DNA der Bakterienzelle. Besonders gegen Trichomonaden ist Metronidazol gut wirksam. Nitrofurantoin kommt bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen zum Einsatz, genau wie (selten) Nitroxolin.
Andere Antibiotika
Zu guter Letzt seien noch ein paar Exoten erwähnt.
- Lefamulin ist eine recht neue Substanz, die die bakterielle Proteinsynthese an einem anderen Angriffspunkt als andere Antibiotika hemmt.
- Chloramphenicol dagegen ist ein älterer Hemmstoff der Proteinsynthese, dessen hohe Resistenzquoten und hämatotoxisches Potenzial dafür gesorgt haben, dass es nur noch lokal eingesetzt wird.
- Daptomycin zerstört die Zellmembranen von grampositiven Keimen und wird nur in speziellen Fällen verabreicht, und zwar parenteral.
- Eine Sonderstellung kommt Colistin zu. Besonders gegen den gefürchteten Keim Pseudomonas aeruginosa wirkt die Substanz gut, indem sie die Zellmembran schädigt. Es ist eine Option, wenn andere Antibiotika nicht mehr wirken.
Warum versagen Antibiotika?
Der häufigste Grund für ein Therapieversagen ist eine Resistenz des Bakteriums. Bereits 1945 warnte Alexander Fleming vor der Gefahr, dass leichtfertiger Einsatz seiner Entdeckung zu Resistenzen führen und Penicillin damit seine Wirkung verlieren könnte. 58 Jahre später wissen wir: Er hatte recht. Antibiotikaresistenzen kosten heute weltweit jedes Jahr rund 1,3 Millionen Menschen das Leben.
Resistenzen können auf verschiedenen Wegen entstehen. Bakterien vermehren sich schnell und bei jedem Kopiervorgang der DNA sind spontane Mutationen möglich, auch solche, die eine Unempfindlichkeit gegen ein Antibiotikum auslösen. Dies geschieht rein zufällig. Ist das Antibiotikum in der Umgebung vorhanden, überleben nur die Bakterien mit einer entsprechenden Mutation und vermehren sich weiter.
Antibiotikaresistenzen kosten heute weltweit jedes Jahr rund 1,3 Millionen Menschen das Leben.
Das Tückische: Bakterien können genetische Informationen über ringförmige DNA-Moleküle, sogenannte Plasmide, untereinander austauschen. Teilweise funktioniert die Informationsübertragung sogar zwischen Bakterien verschiedener Arten. Es braucht also nur ein einziges resistentes Bakterium, um ein Antibiotikum auszuschalten.
Sie knacken den Ring
Bei den Beta-Lactam-Antibiotika tragen Resistenzgene der Bakterien häufig Informationen für Enzyme, die den Lactam-Ring aufspalten – Lactamasen – und so das Antibiotikum komplett unwirksam machen. Mit dem Zusatz von Lactamasehemmern versucht man diese Enzyme zu blockieren. Amoxicillin wird wegen ähnlicher Pharmakokinetik mit Clavulansäure kombiniert, Ampicillin mit Sulbactam.
Die Carbapeneme sind gegen Lactamasen stabil, aber mittlerweile wurden auch Carbapenemasen beobachtet. Manche Resistenzgene enthalten Transportproteine, die Schadstoffe aktiv aus der Bakterienzelle entfernen. Bei Vancomycin und anderen Glycopeptiden verändern resistente Bakterien Mureinvorstufen so, dass sie nicht mehr durch die Antibiotika abgefangen werden, oder sie verdicken ihre Zellwand. So entstehen Vancomycin-resistente Staphylococcus aureus (VISA)-Stämme, die große Probleme bereiten können.
Er hat es geahnt …
Schon Alexander Fleming gab den Rat, Penicillin überlegt einzusetzen. Ein Satz in seiner Nobelpreisrede lautet: „Wenn ihr Penicillin nutzt, benutzt genug davon.“ Zu geringe Konzentrationen oder zu kurze Anwendung begünstigen Resistenzen. Niedrige Mengen Wirkstoff töten nicht genug Bakterien, sondern erlauben ihnen, Resistenzgene zu entwickeln und untereinander auszutauschen.
Ein weiterer Problemkeim ist der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Viele Menschen tragen ihn unbemerkt in ihrer Nasenschleimhaut. Bei geschwächten Personen verursacht MRSA gefährliche Infektionen, die schwer zu behandeln sind und sich zum Beispiel in Kliniken rasch ausbreiten. Nur wenige Antibiotika wie Vancomycin, die Cephalosporine Ceftarolin und Ceftobiprol, Fosfomycin, Tigecyclin, Delafloxacin und Linezolid können hier noch helfen. Ganz heikel wird es, wenn mehrere Resistenzen zusammenkommen.
Problematische Rückstände
Ein großes Problem sind in diesem Zusammenhang auch Medikamentenrückstände. Ein Pilotprojekt der AOK zeigte kürzlich Mängel an vielen Produktionsstandorten auf, die hohe Mengen Antibiotika in die umliegenden Gewässer freisetzten. Dieses Umfeld befeuert die Entstehung von Resistenzen. Auch wenn die Herstellung von Antibiotika oft in Fernost stattfindet, breiten sich die resistenten Erreger durch Reisen und den Warenverkehr schnell global aus.
Antibiotika wurden oft auch Tierfutter beigemischt, um in Mastbetrieben die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Der vorbeugende Einsatz ist in der EU zwar seit 2006 verboten, allerdings dürfen ganze Tierbestände bereits bei wenigen erkrankten Tieren mit Antibiotika behandelt werden.
Der zunehmende Einsatz von Reserveantibiotika bereitet hier Sorge. Seit Anfang 2023 gilt ein neues Gesetz, die Mengen an für Tiere verwendeten Antibiotika sind rückläufig. Es ist höchste Zeit, denn der Verzehr behandelter Tiere kann zur Resistenzbildung genauso beitragen wie Rückstände in mit Gülle gedüngten Böden.
Wichtige Regeln für die Therapie
Auch in der Humanmedizin besteht Einsparpotenzial. Kliniken verabreichen oft Antibiotika vor oder während einer Operation, was nicht immer sinnvoll ist. Auch bei akuten Atemwegs- und Harnwegsinfektionen sind Antibiotika an der Tagesordnung. Das führt zur Ausbreitung resistenter Stämme von Staphylococcus aureus, Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa, Enterococcus faecalis, Klebsiella und Streptococcus pneumoniae. Die WHO fordert dringend ein Umdenken und gibt Handlungsanweisungen, die den Antibiotikaverbrauch bis 2030 um 20 Prozent senken sollen.
Patienten sollten Antibiotika
- nur auf ärztliche Verordnung und
- genau nach Anweisung einnehmen,
- die Therapie nicht eigenmächtig ab- oder unterbrechen,
- Reste niemals in der Kanalisation entsorgen
- und die Arzneimittel nicht teilen
- oder an andere Personen weitergeben.
Ärzten wird ein verantwortungsvoller Umgang nahegelegt: Bagatellerkrankungen wie Erkältungen oder einfache Harnwegsinfekte sollten nicht mit Antibiotika behandelt werden. Diese Erkrankungen werden in den meisten Fällen ohnehin von Viren verursacht, Antibiotika haben hier keinen Effekt. Treten resistente Keime auf, muss eine Meldung an die zuständigen Behörden erfolgen. Die Politik ist zur Erstellung konkreter Maßnahmenkataloge aufgefordert, die genau festlegen, nach welchen Kriterien welche Antibiotika einsetzt werden sollen.
Abwarten spart Antibiotika
Untersuchungen zeigten: Gaben Ärzte ein Antibiotika-Rezept an Patienten mit akuten Atemwegserkrankungen heraus und baten sie, es erst nach zwei Tagen einzulösen, nahmen nur 29 Prozent der Betroffenen das Arzneimittel tatsächlich ein. Mit der Behandlung zufrieden waren 79 Prozent. Die Strategie des Abwartens bei akuten Atemwegsinfekten könnte also Antibiotika einsparen.
Warum Antibiotika sparen?
Wäre es nicht viel klüger, neue Wirkstoffe zu entwickeln? Das ist nicht so einfach. Zum einen entstehen Resistenzen immer schneller, teilweise schon zwei bis drei Jahre nach der Markteinführung. Zum anderen ist die Entwicklung neuer Antibiotika für die Hersteller wenig lukrativ, denn ein Antibiotikum wird nur kurz angewendet. Außerdem stufen die Behörden neue Wirkstoffe meist erstmal als Reserveantibiotika ein, so werden sie nur in ausgewählten Fällen verordnet. Die Verdienstmöglichkeiten sind also gering und die Entwicklungskosten können nicht gedeckt werden.
Die WHO berichtet, dass sich derzeit nur 27 neue, gegen kritische Keime wirksame Antibiotika weltweit in klinischen Studien befinden. Nur vier Substanzen verfügen über neue Wirkmechanismen, nur zwei zielen auf hochresistente Erreger.
Es braucht dringend Anreize für die Pharmaforschung, um die Entwicklung voranzutreiben. Die EU will zukünftig Gutscheine an Unternehmen vergeben, die neue Antibiotika entwickeln. Mit diesen kann dann der Patentschutz für ein anderes Medikament verlängert oder diese Option verkauft werden.
Die Bemühungen um neue Wirkstoffe sind vielfältig: Bodenproben aus aller Welt werden auf Bakterien untersucht, die neuartige Antibiotika produzieren. Altbewährte Wirkstoffe wie das Herzmedikament Amiodaron zeigen in Studien antibakterielle Wirkungen, genau wie aus Holzabfällen gewonnene Substanzen.
Eines ist sicher: Es wird höchste Zeit. Die WHO-Vertreterin Valeria Gigante mahnt: „Wenn wir nicht sofort handeln, laufen wir Gefahr, in eine Ära vor der Einführung von Antibiotika zurückzufallen, in der verbreitete Infektionen tödlich verlaufen.“ Das könnte bedeuten, dass ein kleiner Kratzer – wie 1941 – eine tödliche Blutvergiftung auslöst.