Antikörper-Infusion
APOTHEKEN BEGLEITEN ANTIKÖRPERTHERAPIEN: VON DER HERSTELLUNG BIS ZUR SELBSTINJEKTION
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Bestimmt hatten Sie schon mal einen Fertigpen oder eine Fertigspritze auf dem HV-Tisch Ihrer Apotheke liegen, die einen unaussprechlichen Wirkstoff beinhaltete. Ustekinumab, Mirikizumab, Vedolizumab, Ixekizumab und viele mehr sind mittlerweile auf dem deutschen Arzneimittelmarkt zu finden. Es handelt sich dabei um Antikörpertherapien. Bisher waren diese erkennbar an der Endung „-mab“. Diese Nomenklatur befindet sich aktuell im Umbruch.
Ihre Wirkmechanismen sind oft komplex und vielseitig. Auch die Anwendung ist enorm beratungsintensiv. Zudem handelt es sich um hochpreisige Artikel. Und sie müssen gekühlt werden. Neben den ganzen alltäglichen Aufgaben in einer Apotheke fällt es hierbei besonders schwer, den Überblick zu behalten und sich mit solchen neuartigen Therapien zu beschäftigen.
Antikörper: Infusion oder Injektion?
Antikörpertherapien finden zum Beispiel Anwendung bei Autoimmunerkrankungen, Krebs oder Infektionskrankheiten. Im Regelfall werden sie als Infusion oder Injektion verabreicht.
Begonnen wird häufig mit der intravenösen Therapie. Hier erhält der Patient oder die Patientin in vorgegebenen Rhythmen eine festgelegte oder individuelle Menge des Antikörpers als Infusion in die Armvene. Dazu muss er oder sie also regelmäßig in der Praxis erscheinen, um auf die Therapie eingestellt zu werden. Die Infusionen sorgen im besten Fall für ein schnelles Ansprechen auf die Antikörper-Therapie und dadurch für eine schnelle erste Symptomlinderung.
Ist diese Induktionsphase erfolgreich abgeschlossen, spricht der Patient oder die Patientin also auf die Therapie an, kann sie zu Hause fortgesetzt werden. In der Erhaltungsphase kann mithilfe von Fertigpens und Fertigspritzen zu Hause selbst injiziert werden.
Im Falle der Antikörper-Injektion liegen also Fertigpens oder Fertigspritzen zur Selbstinjektion vor. Diese können in den Apotheken als Fertigarzneimittel erworben werden. Besonders bei solchen beratungsintensiven Arzneiformen sollten die Apotheken ihr Können beweisen und die Kunden und Kundinnen über die Anwendung ausführlich aufklären. Die meisten pharmazeutischen Unternehmen bieten zu ihren Antikörper-Präparaten kostenlose Demo-Applikatoren zu Schulungszwecken an.
Antikörper: Herstellung in der Apotheke
Auch bei der Applikation von Antikörper-Infusionen kann den Apotheken eine große Rolle zuteilwerden. Denn die Infusionen muss man vor ihrer Anwendung herstellen oder vielmehr verdünnen. Dies sollte unter kontrollierten und validierten aseptischen Bedingungen stattfinden, damit die physikalische, chemische und mikrobiologische Qualität gesichert ist. Was genau bedeutet das bei der Herstellung?
Antikörper-Infusionen
Die Herstellung oder Verdünnung einer sterilen Lösung muss in Apotheken unter Reinraumbedingungen stattfinden. Es muss also eine Reinraumstruktur vorhanden sein, in welche validierte Prozesse eingebettet sind. In solch einer Struktur können Sie als pharmazeutisches Personal die Antikörper nach Anleitung des Herstellers herstellen.
Gearbeitet wird unter einem Laminar-Air-Flow-System. Alles, was in dieses System eingeführt wird, muss zuvor sterilisiert worden sein. Die Wirkstoffe liegen in der Regel gekühlt in Vials mit einem Elastomer-Stopfen vor. Entweder als Lyophilisat (gefriergetrockneter Kuchen) oder bereits gelöst als Konzentrat.
Bei ersterem muss der Kuchen zunächst in sterilem Wasser gelöst werden. Dabei gehen Sie sehr behutsam vor, damit der Kuchen und der Wirkstoff nicht durch Erschütterungen beschädigt werden. Es empfiehlt sich, das Wasser langsam über die Glaswand in das Vial laufen zu lassen. Liegt der Wirkstoff gelöst vor, findet eine Inprozesskontrolle statt. Sie untersuchen die Lösungen auf ihre
- Farbe,
- Klarheit,
- Unversehrtheit der Primärbehältnisse,
- Verfallsdatum, gegebenenfalls Aufbrauchfrist
- und Partikelfreiheit.
Wurde die Inprozesskontrolle bestanden, entnehmen Sie die vom Hersteller des Antikörpers oder vom Arzt oder der Ärztin vorgegebene Menge an Lösung aus dem Vial. Diese überführen sie in das entsprechende Trägermaterial für die Infusion. Angewendet werden hier zum Beispiel 0,9-prozentige Kochsalzlösung oder 5-prozentige Glucoselösung. Diese Lösungen kann Ihre Apotheke als bereits vorsterilisierte Beutel in verschiedenen Volumina beziehen.
Oft werden die fertigen Infusionsbeutel für die vollständige Homogenität noch einmal vorsichtig geschwenkt. Im Anschluss kennzeichen Sie den fertigen Beutel korrekt (nach § 14 ApoBetrO).
Im letzten Schritt der Herstellung prüfen Sie den applikationsfertigen Antikörper erneut. Sie kontrollieren unter anderem
- ob der Name und der Wirkstoff auf der Verordnung zu dem auf dem Beutel passen,
- ob das Produkt unversehrt ist
- und ob die Lagerbedingungen korrekt angegeben sind.
Hat ein Apotheker oder eine Apothekerin die fertige Zubereitung freigegeben, kann sie nun in die Arztpraxis zur Infusion geliefert werden.
Reinraumlabore in der Apotheke organisieren
Die tatsächliche Herstellung von Antikörper-Infusionen ist für erfahrene Rezeptur-PTA mit der entsprechenden Schulung einfach zu meistern. Die große Aufgabe und Verantwortung bei der Arbeit unter aseptischen Bedingungen liegen eher in der Einhaltung der strengen Vorgaben.
Neben Herstellanweisungen, Herstellprotokollen und Gefährdungsbeurteilungen müssen einige weitere Strukturen aufgebaut und gelebt werden. So ist ein umfangreiches Qualitätsmanagement von großer Wichtigkeit. Dieses muss klare Arbeitsanweisungen und Standard Operation Procedures (SOP) beinhalten und sich zum Beispiel um Abweichungen und Nichtkonformitäten und die entsprechenden Maßnahmen dazu kümmern. Die Mitarbeitenden der Apotheke müssen regelmäßig und ausreichend geschult werden und ihre Kenntnisse nachweisen.
Auch logistisch und organisatorisch bringt die Herstellung von Antikörper-Infusionen einige Herausforderungen für die Apotheke mit sich. Hier geht es vom Einkauf geeigneter Materialien über die Logistik im Prozess bis hin zur Verteilung der fertigen Produkte in die Arztpraxis.
Bedeutung der Antikörper-Herstellung für die Apotheke
Die oben genannten Punkte sind sicherlich nur ein Auszug der Aspekte, die bei der Herstellung von Antikörper-Infusionen in der Apotheke beachtet werden müssen. Sie zeigen aber ganz klar, dass die Apotheke und alle Angestellten, die an der Herstellung mitwirken, eine besonders große Verantwortung tragen. Immerhin geht es hier um Arzneiformen, die dem Patienten oder der Patientin direkt in die Vene appliziert werden.
Hat eine Apotheke es geschafft, solche komplexen Strukturen aufzuziehen und diese zu leben, handelt es sich bei der Herstellung von parenteralen Zubereitungen wie Antikörper-Infusionen um ein gutes Geschäft. Abgerechnet wird nach Hilfstaxe Anlage 3. Viele herstellende Apotheken haben hierfür ganze Abteilungen, denn die Abrechnung gestaltet sich manchmal genauso komplex wie die Herstellung selbst.
Obwohl der Großteil der Apotheken keine parenteralen Zubereitungen herstellt, ist es im Hinblick auf die rasant steigenden Zahlen neuartiger Therapieformen wichtig, am Ball zu bleiben und nicht den Überblick zu verlieren. Besonders bei den Selbstinjektionen zu Hause kann die Vor-Ort-Apotheke die Therapie durch eine gute Beratung unterstützen.
Quellen:
https://www.akdae.de/fileadmin/user_upload/akdae/Arzneimitteltherapie/AVP/vorab/20220913-mAbs-Nomenklatur.pdf
https://www.deutschesapothekenportal.de/download/public/dialog/schwerpunktthemen/dap_dialog_44_schwerpunktthema.pdf
Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung Aseptische Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia Stand der Revision: 14.05.2024; https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Praktische_Hilfen/Leitlinien/Parenteraliaherstellung/LL_Parenteralia.pdf
Kommentar zur Leitlinie der Bundesapothekerkammer zur Qualitätssicherung Aseptische Herstellung und Prüfung applikationsfertiger Parenteralia Stand der Revision: 14.05.2024; https://www.abda.de/fileadmin/user_upload/assets/Praktische_Hilfen/Leitlinien/Parenteraliaherstellung/LL_Parenteralia_Kommentar.pdf