Albicidin
PFLANZLICHER KRANKHEITSERREGER LIEFERT NEUEN ANTIBIOTIKA-KANDIDATEN
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Bei der Bakterienart Xanthomonas albilineans handelt es sich um einen bekannten Schädling, der im Zuckerrohranbau zu erheblichen Problemen führen kann. Mit Hilfe der Substanz Albicidin schwächt der Erreger die Pflanze und ermöglicht so seine Ausbreitung im pflanzlichen Organismus.
Doch genau dieser Stoff scheint eine erhebliche antibakterielle Wirkung aufzuweisen. So konnten verschiedene Forschungsarbeiten zeigen, dass eine Albicidin-Lösung viele Mikroben abtötet, die beim Menschen zu Infektionen führen würden. Eine gute Nachricht in Zeiten multiresistenter Keime und zunehmenden Antibiotikaversagens.
Albicidin hemmt DNA-Gyrase
Doch warum gibt es den Stoff nicht schon lange in Apotheken zu kaufen? Bislang war über die Wirkung lediglich bekannt, dass sie mit der Hemmung eines Enzyms zusammenhängen könnte, das nur in Pflanzen und Bakterien vorkommt. Ein internationales Team mit Beteiligung von Forschenden der TU Berlin untersuchte nun tiefgefrorene Protein-DNA-Komplexe und konnte so sichtbar machen, wie genau Albicidin in den pflanzlichen und bakteriellen Stoffwechsel eingreift.
Das Protein Albicidin ist in der Lage eine L-Form auszubilden und sich zwischen das Enzym DNA-Gyrase und die DNA zu schieben. DNA-Gyrase ist ein Enzym, das nur in Bakterien und Pflanzen, nicht aber im Menschen vorkommt. So verhindert Alcidin einen wichtigen Schritt der Protein-Biosynthese, nämlich das erneute Zusammensetzen der DNA-Stränge nach dem Ableseprozess und damit die Vermehrung der Bakterienzellen. Die Wissenschaftler*innen beschreiben dieses Phänomen wie die Blockade zweier Zahnräder durch einen sperrigen Gegenstand – so kommt alles zum Stillstand.
Hintergrundinformationen zur DNA-Gyrase
Damit das Ablesen der DNA korrekt abläuft, muss sie zerschnitten, aufgedreht und nach dem Ablesevorgang rasch wieder zusammengefügt werden. Diese Schritte übernimmt das Enzym DNA-Gyrase. Es kommt nur in Bakterien- und Pflanzenzellen vor, eine selektive Hemmung dieses Schrittes hätte demnach keine Auswirkungen auf die menschliche Proteinbiosynthese
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Neuer Wirkmechanismus birgt Potenzial
Der Vorteil von Albicidin: Im Gegensatz zu anderen antibiotischen Wirkstoffen handelt es sich hier um einen völlig neuen Wirkmechanismus. Daher hegen die Forschenden die Hoffnung, dass sich Albicidin und mögliche Derivate auch gegen multiresistente Erreger einsetzen ließe. „Außerdem liegt nahe, dass Albicidin es aufgrund der Art der Wechselwirkung für Bakterien schwierig macht, eine Resistenz zu entwickeln”, sagt Co-Autor der Studie Dmitry Ghilarov von der Jagiellonian Universität in Krakau und dem John Innes Centre in Norwich. „Jetzt, da wir die Struktur verstehen, können wir versuchen, diese Bindungstasche weiter auszunutzen und die Substanz weiter zu modifizieren, um seine Wirksamkeit und die pharmakologischen Eigenschaften zu verbessern”, erklärt Ghilarov.
Erste Tests synthetischer Substanzen, die auf der Ursubstanz Albicidin beruhen, zeigten bereits Erfolge gegen Risikoerreger – und das in niedrigen Konzentrationen. Wann klinische Studien folgen werden, ist noch unklar, aber Ghilarov ist optimistisch: „Wir glauben, dass dies einer der aufregendsten neuen Antibiotika-Kandidaten seit vielen Jahren ist.”
Quelle: wissenschaft.de