Eine digitale Illustration eines Bakteriums, auf dem mehrere Viren sitzen.© Christoph Burgstedt/ iStock / Getty Images Plus
Hoffnung gegen Antibiotikaresistenzen: Bakteriophagen sind Viren, selbst unschädlich, die Bakterien zerstören.

Bakteriophagen

VIREN GEGEN ANTIBIOTIKA-RESISTENTE BAKTERIEN, PASSGENAU GEZÜCHTET

Multiresistente Keime sind nach wie vor ein großes Problem. Doch eine Lösung ist in Sicht: passgenau gezüchtete Bakteriophagen, die die Aufgaben von Antibiotika übernehmen und Bakterien bekämpfen. Das Prinzip ist schon lange bekannt. Jetzt gibt es neue Wege, sie gezielt herzustellen.

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33 000 Menschen sterben jedes Jahr innerhalb der Europäischen Union an Multiresistenten Erregern (MRE), gegen die kein Antibiotikum mehr hilft. Sie sind daher nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO eine der zurzeit größten gesundheitlichen Bedrohungen.

Einer der Hoffnungsträger sind Bakteriophagen – die natürlichen Feinde der Bakterien. Der Natur nach sind sie Viren. Es gibt Millionen davon und jeder ist spezialisiert auf ein bestimmtes Bakterium.

Was machen Bakteriophagen?

Das funktioniert so: Bekanntermaßen nutzen Viren ja lebende Zellen (zum Beispiel Bakterien) für ihre Vermehrung, indem sie ihre DNA in diese einschleusen. Im Bakterium vermehren sich die Viren schnell. Am Ende platzt die Zelle auf und neue Viren treten aus, um weitere Zellen zu infizieren.

Dabei stirbt die Zelle ab. Indem also Bakteriophagen sich in einer bestimmten Art von Bakterien vermehren, greifen sie diese an und vernichten sie. Sie wirken wie ein spezifisches Antibiotikum.

„Enormes Potenzial für personalisierte Therapie“

Gil Westmeyer, Professor für Neurobiological Engineering an der Technischen Universität München (TUM) und Direktor für synthetische Biomedizin am dortigen Helmholtz Zentrum, betont das „enorme Potenzial für eine personalisierte Therapie von bakteriellen Infektionskrankheiten“.

Die Krux: Bisher war es nicht möglich, die Phagen auf effiziente Weise gezielt und reproduzierbar herzustellen: „Genau dies sind aber die entscheidenden Kriterien für eine erfolgreiche Produktion von Pharmazeutika.“

Westmeyers Team hat ein neues Verfahren entwickelt, mit dem sich kontrolliert Bakteriophagen für therapeutische Zwecke herstellen lassen. Genauer gesagt hat die Grundlage der Technik eine Gruppe Studierender der TUM und der Ludwig-Maximilians-Universität erarbeitet und erhielt dafür auch schon einen Wissenschaftspreis. Aus dieser Gruppe ging ein Start-up hervor: Die Firma „Invitris“, die sich genau mit dieser Herstellungsweise beschäftigt und die eine Plattform für Bakteriophagen-basierte Medikamente entwickelt.

Neu entwickelte Nährlösung für Bakteriophagen

Dreh- und Angelpunkt ist eine spezielle Nährlösung, die Bakteriophagen „schmeckt“ und in der sie sich vermehren. Sie besteht eigentlich nur aus einem E-coli-Extrakt ohne lebende Zellen. Und das ist genau der Unterschied zu den bisher verwendeten Herstellungsverfahren zur Bakteriophagen-Gewinnung: Traditionell wurden sonst nämlich Zellkulturen aus potenziell infektiösen Bakterienstämmen verwendet.

Doch in der zellfreien Nährlösung kann man sehr gut Bakteriophagen herstellen. Alles, was man dafür braucht, ist das Erbgut – sozusagen die nackte DNA der gewünschten Viren. Die enthält den Bauplan für die Bildung der Bakteriophagen. Gibt man die DNA in die Nährlösung, die die molekularen Bausteine und Enzyme des E.coli-Bakteriums enthält, fügen sich die Proteine dem Bauplan entsprechend zusammen. Und innerhalb weniger Stunden entstehen tausende identischer Kopien. Kontaminationen durch bakterielle Toxine oder andere Bakteriophagen, die in Zellkulturen möglich waren, sind bei diesem Verfahren ausgeschlossen.

Genetisches Archiv wäre ein Traum

In einer Probe aufs Exempel nahm man Proben eines Patienten, der an einer antibiotikaresistenten Hautinfektion litt. Das klappte: In der zellfreien Nährlösung gedieh die Bakteriophagen-Version prächtig und konnte anschließend erfolgreich gegen die MREs eingesetzt werden.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass es möglich ist, zellfrei wirksame Bakteriophagen für eine personalisierte Medizin herzustellen, mit der sich auch Infektionen mit multiresistenten Keimen therapieren lassen“, zeigte sich Westmeyer begeistert.

Ideal sei das übrigens mit einem genetischen Archiv, in dem in Zukunft die DNA relevanter Bakteriophagen gespeichert werden könne. Im Bedarfsfall könne man mithilfe dieses Archivs in der Nährlösung dann schnell vollständige und passende Bakteriophagen herstellen, ihre Wirksamkeit testen und dann in geeigneten Kombinationen anwenden. Noch sei das zwar Grundlagenforschung – diese habe aber Potenzial für die klinische Testung.

Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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