Zellbiologie
LEBER VERHARRT IM VORSCHULALTER
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Was wären wir nur ohne unsere Leber? Dieser bis zu zwei Kilogramm schwere Lappen, der im rechten Oberbauch unter dem Zwerchfell liegt, dient uns wie eine kleine, niemals müde werdende chemische Fabrik. Sie scheidet (giftige) Stoffe aus, stellt Gallensäuren für die Fettverdauung zur Verfügung, speichert überschüssige Glucose und gibt sie bei Bedarf wieder ab. Außerdem dient sie als Produktionsstätte für wichtige Proteine, wie beispielsweise die Gerinnungsfaktoren.
Bei so viel Arbeit könnte man meinen, die Leber ermüdet schnell und hinkt mühevoll ihrer Zellregeneration hinterher – aber mitnichten.
Zellregeneration auch ohne Schäden
Klar, beschädigte Zellen werden rasch repariert oder ersetzt. So viel war auch bislang über Leberzellen bekannt. Doch wie sieht es mit dem Regenerationszyklus unbeschädigter Zellen aus? Und nimmt diese im Alter ab?
Ein Team um Paula Heinke von der Technischen Universität Dresden untersuchte die Leberzellen von 33 Menschen zwischen 20 und 84 Jahren – und zwar mit einer ganz besonderen Methode: Die Radiokarbondatierung wird eigentlich in der Archäologie genutzt, um mittels C14-Zerfalls das Alter von Proben wie Steinen oder Knochen zu nutzen. Doch das geht auch mit Zellmaterial, auch wenn der C14-Gehalt vergleichsweise gering ist, mit hoher Genauigkeit. „Durch den Vergleich der Werte mit dem atmosphärischen Radiokohlenstoff können wir rückwirkend das Alter der Zellen bestimmen“, sagt Olaf Bergmann, ein Kollege Heinkes.
Und das überraschende Ergebnis? Das ganze Leben hindurch werden die Leberzellen blitzschnell erneuert. „Die Leber bleibt im Durchschnitt unter drei Jahre alt – egal, ob man 20 oder 84 Jahre alt ist“, sagt Bergmann. Die Teilungsrate nimmt mit dem Alter noch nicht einmal besonders ab. Während es mit 20 Jahren 19 Prozent sind, konnten die Forschenden bei Älteren eine Rate von noch 17 Prozent feststellen. „Das spricht dafür, dass unsere Leber ein hochgradig regeneratives Organ ist, in dem die meisten Zellen im Laufe des menschlichen Lebens immer wieder erneuert werden“, konstatieren die Forschenden. „Die Leber bleibt das ganze Leben lang ein junges Organ.“
Kennen Sie sich aus mit Leberwerten?
Im Alter verändert sich etwas im Zellkern
Die meisten unserer Zellen verfügen über einen doppelten Chromosomensatz. Doch einige tragen mehr DNA in sich. Diese polyploiden Zellen gibt es auch in der Leber. Und sie nehmen anteilsmäßig im Alter zu, im Alter können sie bis zu 40 Prozent der Zellen stellen. Das Besondere: „Als wir typische Leberzellen mit den DNA-reicheren Zellen verglichen, fanden wir grundlegende Unterschiede in ihrer Erneuerung“, sagt Bergmann. „Typische Zellen erneuern sich etwa einmal im Jahr, während die DNA-reicheren Zellen bis zu einem Jahrzehnt in der Leber verbleiben können.“ Die Leber wird also im Schnitt nicht „älter“, aber bei einem/einer 75-Jährige*n sinkt der Anteil der jungen Zellen auf 67 Prozent. Wohingegen ein 25-jähriger Mensch noch über 84 Prozent verfügt. „Obwohl polyploide Leberzellen deutlich länger leben als diploide, ist der größte Teil aller Hepatozyten jung – unabhängig vom Alter wurden mehr als die Hälfte unserer Leberzellen erst im letzten halben Jahr geboren“, berichten die Forschenden.
Doch polyploide Zellen sind trotzdem anfälliger, können eine genomische Instabilität oder Chromosomenfehler aufweisen. Dies könnte eine Erklärung darstellen, warum sich Leberkrankheiten wie Leberzirrhose oder Tumoren trotzdem im Alter häufen.
Ihre neue Methode zur Bestimmung des Zellalters möchten die Forschenden nun auch auf andere Organe übertragen. Das nächste Ziel: das Herz.
Quelle: Scinexx