Wimpernserum
EIN KOSMETIKUM, SAGTE DIE FIRMA. EIN ARZNEIMITTEL, SAGTE DAS BFARM.
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Nichts da, befand das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Der Hersteller M2Beauté Cosmetics hatte sein Serum als geeignet zur Wimpernverlängerung beworben, und tatsächlich fand sich in ihm der Wirkstoff Methylamido-Dihydro-Noralfaprostal (MDN) – seines Zeichens ein neuer synthetischer Stoff aus der Gruppe des Prostaglandinderivate. Einmal täglich auf dem oberen Lidrand am Wimpernansatz aufgetragen, sollte es zu dichteren und längeren Wimpern führen. Ein Kosmetikum sagte die Firma. Ein Funktionsarzneimittel, sagte das BfArM.
Dazu muss man wissen: Das BfArM bezog sich bei seiner Einstufung von MDN auf den in seiner Molekularstruktur weitgehend identischen Wirkstoff Bimatoprost (BMP), der in Deutschland als Arzneimittel zugelassen und unter dem Namen Lumigan® in Augentropfen zur Behandlung des Glaukoms vertrieben wird. Und für ein Arzneimittel gelten nun einmal andere Regeln. Teure Vorab-Studien sind für die Inverkehrbringung erforderlich, verschreibungspflichtig ist es dann auch und in die Freiwahl darf es schon einmal gar nicht.
Wo ist die Grenze zwischen Arzneimittel und Kosmetikum?
Der Hersteller ging verständlicherweise auf die Barrikaden, denn die Klassifizierung bedrohte das Geschäftsmodell. Er machte geltend, dass die pharmakologische Wirkung des betreffenden Produktes nicht nachgewiesen worden sei und berief sich auf eine bestimmte EU-Richtlinie. Aus der ergab sich, dass der Begriff Arzneimittel keine Stoffe erfasse, deren Wirkung sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktion beschränkte, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein – wie es in etwas umständlichem Juristendeutsch heißt.
Der Fall ging erst zum Verwaltungsgericht Köln, dann zum EuGH. Das deutsche Gericht wollte wissen, ob ein Produkt, das die physiologischen Funktionen beeinflusst, aber keine gesundheitsfördernde Wirkung hat, als Arzneimittel im Sinne dieser Bestimmung eingestuft werden kann, wenn es das Aussehen verbessert, ohne schädliche Eigenschaften zu haben. In seinem Urteil schafft der EuGH Klarheit:
Ein Produkt, das die physiologischen Funktionen beeinflusst, kann nur dann als Arzneimittel eingestuft werden, wenn es konkrete, der Gesundheit zuträgliche Wirkungen hat.
Insofern genügt auch eine „Verbesserung des Aussehens“, die durch die Steigerung des Selbstwertgefühls oder des Wohlbefindens einen mittelbaren Nutzen herbeiführt, wenn sie die Behandlung einer anerkannten Krankheit ermöglicht. Und jetzt kommt’s: Dagegen könne ein Produkt, das das Aussehen verbessert, ohne schädliche Eigenschaften zu haben, und das keine gesundheitsfördernden Wirkungen hat, nicht als Arzneimittel im eigentlichen Sinne eingestuft werden.
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Immer eine Einzelfallprüfung
Haben Sie’s verstanden? Hier noch einmal zusammengefasst: Ob ein Produkt der Gesundheit zuträglich ist, kann nicht abstrakt beurteilt werden, ohne den spezifischen Gebrauch dieses Produktes zu berücksichtigen – übrigens jeweils in Einzelfallprüfung. „Die bloße Tatsache, dass ein Produkt das Aussehen verbessert, ohne schädliche Eigenschaften zu haben, reicht nicht für die Annahme aus, dass es gesundheitsfördernde Wirkung hat.“ Also entspricht es nicht der Definition des Funktionsarzneimittels.
Das entscheidende Kriterium für die Einstufung als Funktionsarzneimittel: Ein solches kann, auch wenn keine Krankheit vorliegt, zu therapeutischen Zwecken verschrieben werden. Für das genannte Wimpernserum gilt: Es verbessert das Aussehen, ohne schädliche Eigenschaften zu haben und besitzt keine gesundheitsfördernden Wirkungen. Also kein Arzneimittel!
Quelle: Pharmazeutische Zeitung