Ältere Frau mit kurzen, grauen Haaren tröstet älteren Mann im Klinikbett. © Yuri Arcurs Peopleimages.com / iStock / Getty Images Plus
Eine Patientenverfügung, Betreuungsverfügung oder Vorsorgevollmacht entlastet Angehörige in schweren Stunden.

Vorsorge

WIE EINE PATIENTENVERFÜGUNG ENTLASTET

„Du weißt ja Bescheid, wie ich es gerne hätte, wenn es mit mir mal zu Ende geht. Du kümmerst dich dann um alles, du bist ja mein Kind!“ Im Zweifelsfall bringt solch ein Satz nichts. Zumindest nicht dem Kind. Eine Patientenverfügung kann Angehörige entlasten.

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Schon viele Menschen fanden sich plötzlich in der Situation wieder, für einen Angehörigen, sei es Mutter, Vater, Ehepartner oder eine andere nahestehende Person, entscheiden zu müssen, wie eine ärztliche Behandlung ablaufen soll. Die betreffende Person konnte plötzlich aufgrund eines Unfalls, einer Erkrankung oder eines sonstigen Ereignisses nicht mehr ihren Willen frei äußern und damit auch selbst nicht mehr entscheiden, welcher Art die Behandlungen und Therapien sein sollten.

Für viele Menschen scheint es immer noch ausreichend zu sein, dass man doch der Ehepartner oder das leibliche Kind des oder der Betroffenen ist. Leider weit gefehlt. Rechtlich sieht das Ganze vollkommen anders aus, und Angehörige erkennen oftmals zu spät, dass sie kaum das Recht auf Einflussnahme haben, sofern keine entsprechend eindeutigen Patientenverfügung seitens der infrage kommenden Person vorliegen.

Aber ich bin doch verwandt!

Nach aktueller Rechtsprechung hat ein Angehöriger nicht automatisch das Recht, über eine medizinische Behandlung eines nicht mehr entscheidungsfähigen Verwandten zu entscheiden. Dass diese oder dieser Verwandte im Vorfeld einmal eine mündliche Aussage darüber getroffen hat, reicht nicht aus. Das Vorliegen einer Patientenverfügung, einer Betreuungsverfügung und einer Vorsorgevollmacht entbindet alle Beteiligten von der Notwendigkeit, die Wünsche eines betroffenen Menschen eindeutig belegen zu müssen.

Die in Leipzig ansässige Vorsorgegenossenschaft DIPAT sagt dazu: „Allein durch ein Verwandtschaftsverhältnis oder einen bestimmten Familienstand ergibt sich keine automatische Entscheidungsmacht oder priorisierte Berufung durch das Betreuungsgericht. Daher ist es immer und unbedingt ratsam, für den Fall der eigenen Einwilligungsunfähigkeit eine Betreuungsverfügung zu verfassen. In dieser wird das Gericht gebeten, eine bestimmte Person zum Betreuer für den Ausstellenden zu bestellen. Spricht kein eindeutiger Grund dagegen, folgt das Betreuungsgericht diesem Wunsch.“ Das bedeutet allerdings, dass der gewünschte Betreuer, zum Beispiel ein Kind des zu Betreuenden, geschäftsfähig sein muss, um zum Beispiel auch einen Mietvertrag kündigen oder ein Konto eröffnen zu können.

Wie kam es zur Entscheidung für solche Verfügungen?

Bereits im Jahr 1976 mehrten sich die Rufe nach einer Regelung, die dem Tod geweihten Personen ein humanes Sterben nach ihren eigenen Wünschen ermöglichte. Damit sollten der unmenschlich ausufernden Anwendung medizinischer Techniken begegnet und einem menschenwürdigen Sterben der Weg geebnet werden. Die „Initiative für humanes Sterben nach Wunsch der Sterbenden“ wandte sich damals in einem Zeitungsaufruf an Bürgerinnen und Bürger: „Die gnadenlose Apparatur der rein technischen Lebensverlängerung ist auf Wunsch jedes Betroffenen auszuschalten. Nicht länger dürfen durch sie der erlösende Tod nur noch hinausgezögert und somit das Menschenrecht auf einen schmerzlosen und menschenwürdigen Tod verletzt werden.“

Ärztinnen und Ärzte haben nicht das Recht, subjektiv darüber zu entscheiden, ob der Zustand eines Patienten oder einer Patientin bezüglich der Lebenswürdig- oder -unwürdigkeit an die Stelle des Patientenwunsches gesetzt werden kann. Dies ist ein absolutes Verbot und gilt im Guten wie im Schlechten.

Es dauerte zwar noch ein bisschen, aber heutzutage kann jeder Mensch mittels der Patientenverfügung darüber entscheiden, welche medizinischen Maßnahmen an ihm vorgenommen werden sollen. Das kann natürlich bedeuten, dass durch baldiges Ausschalten lebenserhaltender Maschinen und sonstiger Maßnahmen das Leben verkürzt wird, aber für viele Menschen hat die Vorstellung, nur noch an Maschinen zu „hängen“ und nicht mehr selbstbestimmt und aktiv leben zu können, keinerlei Bedeutung unter dem Aspekt der Lebensqualität.

Für Ehe- oder eingetragene Lebenspartner gibt es eine „kurze“ Lösung

Zwar ist es auch für legalisierte Verbindungen wie Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft ratsam, dass die Beteiligten Patientenverfügungen ausstellen. Es gibt jedoch seit dem 1. Januar 2023 eine Lockerung gemäß Paragraf 1358 BGB: das Ehegattennotvertretungsrecht. Dieses regelt, wie weit die Entscheidungsbefugnis für einen erkrankten Ehemann oder eine erkrankte Lebenspartnerin hinsichtlich medizinischer Entscheidungen gehen darf. Allerdings ist die Gültigkeit auf sechs Monate beschränkt und bedeutet nicht, dass eine Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung überflüssig ist. Nach Ablauf dieser Frist bestimmt nämlich ein Richter am Betreuungsgericht die weitere Vorgehensweise und wer künftig die Interessen des zu Betreuenden vertreten wird.

Worauf ist zu achten?

Es gibt feine, aber bedeutsame Unterschiede zwischen Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Mit der Patientenverfügung, die sich an den behandelnden Arzt richtet und für die Situation relevant ist, in der sich der Patient aller Wahrscheinlichkeit nach im unmittelbaren Sterbeprozess befindet, bestimmt man, welche medizinischen Maßnahmen vorgenommen werden sollen und welche zu unterbleiben haben.

Die Vorsorgevollmacht benennt eine vom Vollmachtgeber bestimmte konkrete Person, die ihn in finanziellen, die Wohnung und die Vertretung vor Behörden betreffenden oder mit Geltung über den Tod hinausreichenden Entscheidungen vertreten darf. Es macht also durchaus Sinn, sowohl eine Patientenverfügung als auch eine Vorsorgevollmacht zu erstellen, um weitestgehend sicher sein zu können, dass nach dem eigenen Willen entschieden wird, wenn man selber nicht mehr aktiv entscheiden kann.

Viele Menschen glauben, es sei erforderlich, die Patientenverfügung notariell beglaubigen zu lassen. Dem ist nicht so. Es reicht ein privatschriftlich ausgefüllter Musterwahltext, der je nach Wunsch individuell per Ankreuzen konkretisiert wird. Ort und Datum müssen noch ergänzt werden, und die Unterschrift macht das Dokument rechtsgültig. Verstärkt wird die Gültigkeit, wenn noch ein Zeuge, zum Beispiel der Hausarzt, unterschreibt. Eine notarielle Beurkundung steht jedoch jedem offen und bestärkt die Verbindlichkeit des Willens des Betroffenen zusätzlich.

Absolute Verbindlichkeit

Sollte eine Patientenverfügung nicht dem Willen von Angehörigen entsprechen, so hat diese dennoch im Falle einer Entscheidungsnotwendigkeit absoluten Vorrang. Angehörige können die Verfügung auch nicht anfechten oder für ungültig erklären lassen. Das gilt im Übrigen auch für Pflegekräfte, die sich vielleicht schon länger um den Patienten gekümmert haben, aus religiösen oder anderen Gründen den Patientenwillen nicht respektieren wollen oder aussagen, der Patient habe vor Kurzem erst eine ganz andere Meinung geäußert. Die Patientenverfügung ist und bleibt verpflichtend.

Es kann jeden Menschen jederzeit treffen, dass er sich plötzlich nicht mehr äußern kann. Von daher ist es unbedingt erforderlich, beizeiten daran zu denken, welche Verfügungen und Vollmachten erstellt werden sollten. Am besten bespricht man dieses Thema mit dem Hausarzt, der dazu sicher noch nützliche Hinweise geben kann. Nur so ist man auf der sicheren Seite bezüglich des eigenen humanen Sterbens.

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