Übelkeit
FRAUENÄRZTE FORDERN LEITLINIE ZUM SCHWANGERSCHAFTSERBRECHEN
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Eigentlich reicht sie allein völlig aus, die morgendliche Übelkeit, mit dem der Körper im ersten Trimenon auf die Schwangerschaftshormone reagiert. 85 Prozent der Frauen haben damit zu kämpfen, etwa die Hälfte davon muss sich zusätzlich übergeben. Doch es geht noch übler.
Bei Emesis gravidarum, dem Schwangerschaftserbrechen, ist die Bezeichnung „Übelkeit“ nicht mehr angebracht. Das Krankheitsbild ist von einem sehr flauen Gefühl im Magen, ständigem Brechreiz von morgens bis abends sowie von Geschmacks- und Geruchsstörungen begleitet. Experten fordern eine Leitlinie mit der klaren Empfehlung zur frühzeitigen Therapie.
Mehr als Morgenübelkeit
In bis zu zwei Prozent der Schwangerschaften ist das Erbrechen so stark ausgeprägt, dass es eine stationäre Behandlung mit Infusionstherapie unumgänglich macht. „Ein wichtiges Ziel muss es sein, Symptome frühzeitig zu behandeln, um schwere Formen dieser Hyperemesis gravidarum und Klinikeinweisungen zu vermeiden sowie negative Auswirkungen auf Mutter und Kind zu reduzieren“, informierte Dr. Wolfgang Paulus, Leiter der Beratungsstelle für Reproduktionstoxikologie an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Ulm, beim Fortbildungskongress des Berufsverbandes der Frauenärzte in Düsseldorf.
„Die Lebensqualität der Betroffenen leidet enorm.“
Doxylamin und Pyridoxin gegen starke Übelkeit
Das Problem: Es gibt in Deutschland keine offizielle Leitlinie zu dem Thema. Paulus hält aber eine Therapie auch in weniger ausgeprägten Fällen für gerechtfertigt, „denn die Lebensqualität der Betroffenen leidet enorm“.
Die gängige Wirkstoffkombination bei Schwangerschaftsübelkeit besteht aus jeweils 10 Milligramm (mg) Doxylamin und Pyridoxin und ist rezeptpflichtig. Dabei blockiert Doxylamin Histaminrezeptoren im Brechzentrum, während Pyridoxin (Vitamin B6) die Spiegel von Estrogen, Progesteron und des Schwangerschaftshormons HCG reguliert.
Embryotox.de, die von der Berliner Charité gestaltete, angesehene Webseite über Schwangerschaftsgifte, führt die beiden Wirkstoffe Doxylamin und Pyridoxin mit einem grünen Label als „Mittel der Wahl“ auf und stuft den Erfahrungsumfang als „sehr hoch“ und „hoch“ ein. Zudem wird die Wirkstoffkombi schon lange von amerikanischen Leitlinien empfohlen.
„Ein wichtiges Ziel muss es sein, Symptome frühzeitig zu behandeln, um schwere Formen dieser Hyperemesis gravidarum und Klinikeinweisungen zu vermeiden sowie negative Auswirkungen auf Mutter und Kind zu reduzieren.“
Das Problem mit Dimenhydrinat und Meclozin
Im Off-Label-Use wird auch Dimenhydrinat genutzt. Die Anwendung darf während der Schwangerschaft nur unter strenger Abwägung erfolgen, denn der Wirkstoff – ein Salz aus dem Antihistaminikum Diphenhydramin und Theophillin – kann kontraktionsfördernd wirken. Im dritten Trimenon und bei vorzeitiger Wehentätigkeit, so Embryotox, ist die Einnahme von Dimenhydrinat zu vermeiden.
Hingegen: Der Wirkstoff Meclozin wird empfohlen. Leider ist er in Deutschland nicht mehr erhältlich und nur noch über Auslandsapotheken zu beziehen.
Ingwer unproblematisch für Schwangere
Die Berliner Experten weisen auch auf die probate und ungefährliche Droge des Ingwerwurzelstocks hin: Das gepulverte Rhizom kann in allen Phasen der Schwangerschaft in üblicher Dosierung eingenommen werden.
Es steht seit langer Zeit ein Fertigpräparat zur Verfügung, obwohl paradoxerweise in der offiziellen Monographie von der Einnahme während der Schwangerschaft abgeraten wird – aus Vorsichtsgründen. Man hofft, dass sich das bei der anstehenden Überarbeitung der Monographie ändern wird.
Geringeres Risiko für Fehlgeburten
Übrigens: Die Ursachen für das Schwangerschaftserbrechen sind noch nicht ganz geklärt. Womöglich sind erhöhte Progesteron- und Estrogenspiegel sowie Konzentrationsspitzen von ß-HCG schuld. Letzteres wird in der äußeren Hülle der Fruchtblase, dem Chorion, gebildet.
Ab dem zweiten Trimenon übernimmt die Plazenta die Aufgaben des HCG, das dann allmählich absinkt. Das könnte auch der Grund sein, warum die Übelkeit ungefähr um diese Zeit nachlässt – erklärt aber nicht das Phänomen der anhaltenden Übelkeit und des Erbrechens.
Ein ganz kleiner Trost bleibt zum Schluss: Studien zeigen, dass Frauen mit Übelkeit ein deutlich geringeres Risiko für Fehlgeburten haben als Schwangere ohne entsprechende Beschwerden. Und: Bei Kindern von Müttern mit Emesis gravidarum ergibt sich keine erhöhte Anomalierate.
Quelle: Pharmazeutische Zeitung