R-CPD
RÜLPSEN IST WICHTIG – WAS, WENN MAN NICHT AUFSTOSSEN KANN?
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Was beim Baby noch niedlich erscheint und mit Streicheln und Klopfen bewusst gefördert wird, um Bauchschmerzen zu verhindern, ist Erwachsenen eher unangenehm: aufstoßen. Das gilt vor allem, wenn einem statt eines kleinen Bäuerchens ein großer Rülpser in der Öffentlichkeit entfährt.
Noch unangenehmer als sich für diesen Fauxpas entschuldigen zu müssen, können jedoch die körperlichen Auswirkungen selbst sein. Zumindest dann, wenn man ständig aufstoßen muss. Denn das ist ein Anzeichen für die Refluxkrankheit, die häufig mit schmerzhaftem Sodbrennen einhergeht.
Es gibt jedoch auch das entgegengesetzte Krankheitsbild: Menschen, die nicht aufstoßen können. Ein Überblick.
Welchen Sinn Rülpsen hat
„Rülpsen ist ganz normal“, sagt Ulrich Tappe, Vorsitzender des Berufsverbandes Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands. Das Aufstoßen dient dazu, überschüssige Luft oder Gase aus dem Magen und dem oberen Verdauungstrakt freizusetzen. Damit soll der Druck im Magen verringert werden, der etwa durch das Schlucken von Luft oder das Trinken von kohlensäurehaltigen Getränken entstanden ist. „Eine Luftentwicklung im Magen selbst ist extrem selten“, sagt der Mediziner.
„Eine Luftentwicklung im Magen selbst ist extrem selten.“
Unangenehm wird es jedoch, wenn der Muskel, der den Zugang zum Magen verschließt, geschwächt ist, und man ständig aufstoßen muss. Dann fließen auch immer wieder Magensäure und andere Mageninhaltsstoffe in die Speiseröhre zurück, was die empfindliche Schleimhaut dort reizt. Die Folge ist ein brennendes Gefühl hinter dem Brustbein, das sich bis zum Hals erstrecken kann – kurz: Sodbrennen.
Ist Rülpsen ungesund?
Unterm Strich gibt Experte Ulrich Tappe Entwarnung: „Rülpsen ist harmlos.“ Schmerzen – und damit auch Sodbrennen – allerdings sollte man auf jeden Fall ernst nehmen und ärztlich abklären lassen.
R-CPD: Eine bislang eher unbekannte Krankheit
Doch es existiert quasi auch das umgekehrte Krankheitsbild. Das Problem ist nicht, zu viel rülpsen zu müssen, sondern es gar nicht erst zu können. Diese Unfähigkeit aufzustoßen, heißt in der Medizin Retrograde cricopharyngeale Dysfunktion, kurz: R-CPD. Sie geht auf eine Fehlfunktion der oberen Speiseröhrenmuskeln zurück und kann schon bei Kindern und Jugendlichen auftreten.
R-CPD steht für Retrograde cricopharyngeale Dysfunktion. Der Musculus cricopharyngeus, auch unterer Rachenschnürer genannt, entspannt und öffnet sich nicht bei Druckreizen aus der Speiseröhre.
Die Luft findet dann keinen Weg hinaus – mit Folgen: „Die Betroffenen leiden unter einem geblähten Bauch, Übelkeit mit Schwindel oder Schmerzen in der Brust, vor allem nach dem Essen“, schildert Alexander Mainka, leitender Oberarzt an der Klinik für Audiologie und Phoniatrie an der Charité in Berlin. Hinzu kommen störende Geräusche in der Brust oder auch vermehrt Blähungen.
Das Problem – neben dem körperlichen Unwohlsein: Wer bei sich feststellt, dass diese Beschwerden im Zusammenhang mit dem Essen stehen, neigt vielleicht dazu, Mahlzeiten in der Gesellschaft anderer zu vermeiden. „Diese Erkrankung schließt also einen Mechanismus des sozialen Rückzugs mit ein, was die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt“, sagt Alexander Mainka.
Die Betroffenen haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, weil die richtige Diagnose über viele Jahre nicht gestellt werden konnte. „Erst seit etwa fünf Jahren gibt es R-CPD überhaupt auf dem Radar der Schulmedizin“, so der Mediziner.
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Betroffene können nur wenig selbst tun
Die Möglichkeiten, diese Fehlfunktion durch eigenes Ess- und Trinkverhalten in den Griff zu bekommen, sind jedoch begrenzt. „Grundsätzlich ist es nicht so, dass man die Beschwerden durch eine bestimmte Diät wirksam aufheben kann“, so der Mediziner.
Man kann sie allerdings etwas lindern, indem man kohlensäurehaltige Getränke vermeidet oder die Nahrung auf mehrere kleine Portionen verteilt. Die Notwendigkeit, im Magen Druck abzulassen, besteht jedoch weiterhin. „Und wenn dieser Mechanismus kaum oder gar nicht funktioniert, sind die Probleme da – mehr oder weniger ausgeprägt.“
R-CPD behandeln
Doch es gibt Behandlungsmöglichkeiten. Etwa mit dem Nervengift Botulinumtoxin, umgangssprachlich als Botox bezeichnet. Unter Vollnarkose kann es in den oberen Schließmuskel der Speiseröhre gespritzt werden. Dieser befindet sich unmittelbar hinter dem Kehlkopf und ist mit der Technik einer klassischen Kehlkopfspiegelung gut erreichbar.
Laut Mainka bewirkt das Nervengift nicht nur eine vorübergehende Erschlaffung des Muskels: In vielen Fällen kann es sogar dazu führen, dass der Druckausgleich der Speiseröhre dauerhaft wieder funktioniert. „Etwa 80 Prozent der Patienten sprechen auf eine Botox-Injektion an“, so der Mediziner. Rund zwei Drittel von ihnen erleben auch nach einem halben Jahr noch eine spürbare Besserung der Beschwerden. „Das bedeutet, dass man eine gute Chance hat, mit einer einmaligen Behandlung das Problem auch nachhaltig zu verbessern.“
Wie viel Rülpsen ist „normal“?
Doch ganz gleich, ob man meint, zu viel oder zu wenig aufzustoßen: Wer schon lange darunter leidet, aber auch, wer plötzlich auftretende Probleme oder Schmerzen hat, sollte auf jeden Fall ärztliche Hilfe suchen, raten die Experten. Im Fall der R-CPD empfiehlt Alexander Mainka, einen Hals-Nasen-Ohren-Arzt oder einen Facharzt für Phoniatrie und Pädaudiologie aufzusuchen.
Quelle: dpa