Kindgerecht behandeln
RUND UMS OHR
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Vielleicht kennt es noch der ein oder andere aus der Kindheit? Ohrenschmerzen sind alles andere als angenehm. Sie können an ver- schiedenen Stellen im Ohrbereich entstehen. Im Außenohr (vor dem Trommelfell) oder im Mittelohr (hinter dem Trommelfell). Bis zum 4. Geburtstag hatten zirka 80 Prozent aller Kinder mindestens eine Mittelohrentzündung. Eine klare Abgrenzung, welcher Bereich genau betroffen ist, ist für die passende Behandlung äußerst wichtig.
Verschiedene Arten Ist der äußere Gehörgang betroffen, sprechen wir von einer Otitis externa, einer Gehörgangentzündung. Am häufigsten entstehen die Schmerzen durch eine Entzündung, seltener durch eine Verletzung im Bereich des offenen Gehörgangs. Die Gehörgangentzündung ist meist äußerst schmerzhaft, einseitig und selten mit Fieber verbunden. Bei der Mittelohrentzündung, Otitis media, entstehen die Schmerzen hinter dem Trommelfell. Dies kann akut und vorübergehend auftreten wie zum Beispiel durch den Druckunterschied bei einem Flugzeugstart.
Bedeutender ist hingegen die Mittelohrentzündung durch Viren oder Bakterien. Sie kann ein- oder beidseitig vorkommen. Da bei Säuglingen nur eine sehr dünne Knochenmembran das Mittelohr von den Hirnhäuten trennt, kann sie leichter als bei Erwachsenen zu einer Hirnhautentzündung führen. Deshalb sollten Säuglinge und junge Kleinkinder beim Verdacht auf eine Mittelohrentzündung immer zum Kinderarzt geschickt werden.
Ursachen Die äußere Gehörgangentzündung tritt oft nach dem Baden und vor allem langem Tauchen auf. Deshalb wird sie auch Schwimmbad-Otitis genannt. Das feucht-warme Milieu kann zu bakteriellen Infektionen führen. Auch verschiedene Fremdkörper können Auslöser sein. Kleine Gegenstände, wie Perlen, die die Kinder sich in die Ohren stecken, sowie Wattestäbchen können durch häufiges Rein- und Rausnehmen eine Reizung im Außenohr herbeiführen. Eine Mittelohrentzündung kann erst einmal ohne erkennbaren Grund auftreten.
Die Spontanheilungsrate ist sehr hoch. Meist ist jedoch ein Atemwegsinfekt vorausgegangen, durch den die Belüftung des Mittelohrs gestört wurde. Da bei Kleinkindern die Ohrtrompete noch sehr kurz ist, entsteht hier schneller eine Infektion als bei Erwachsenen. Zwischen dem Trommelfell und dem Innenohr befindet sich die sogenannte Paukenhöhle, die normalerweise mit Luft gefüllt ist. Wenn aber der natürliche Abfluss über die Nase verstopft ist, kann sich die Paukenhöhle mit Sekret füllen – der sogenannte Paukenerguss. In manchen Fällen ist das Sekret eitrig und die Entzündung so ausgeprägt, dass das Trommelfell platzt und sich der Eiter aus dem Ohr ergießt.
Anfangs sind 70 Prozent der Mittelohrentzündungen viral, nach 48 Stunden sind 70 Prozent bakteriell bedingt. Deshalb sollte man möglichst, natürlich nach Abklärung durch den Kinderarzt, in den ersten 48 Stunden auf Antibiotika verzichten. Wenn eine Mittelohrentzündung häufiger auftritt, kann ein generelles Belüftungsproblem zum Beispiel durch ungünstig sitzende Polypen oder eine stark vergrößerte Rachenmandel vorliegen.
Wann hilft Glycerol? Bei der Entzündung des äußeren Gehörgangs tritt meist keine Spontanheilung ein. Hier benötigen fast alle kleinen Patienten eine antibakterielle Therapie. Da die Unterscheidung zur Mittelohrentzündung auch nicht immer ganz einfach ist, sollte eine ärztliche Untersuchung erfolgen. Meist werden antibakterielle und/oder analgetische Ohrentropfen verordnet. Wenn innerhalb von zwei Tagen keine eindeutige Besserung auftritt, die Schmerzen eher zunehmen, Fieber hinzukommt oder Eiter aus dem Ohr läuft, sollte erneut ein Arzt aufgesucht werden.
Der sogenannten Schwimmbad-Otitis kann entgegengewirkt werden, wenn nach dem Schwimmen oder Tauchen glycerolhaltige Ohrentropfen verabreicht werden. Aufgrund der großen Wasseraufnahmefähigkeit von Glycerol und der osmotischen Wirkung wird das Wasser aufgenommen und dem geschwollenen Gewebe entzogen. Auch die prophylaktische Behandlung ist möglich. Bei Verdacht auf Fremdkörper im Ohr des Kindes sollte ein Kinder- oder Ohrenarzt besucht werden, um diesen fachmännisch zu entfernen und Schlimmeres zu verhindern.
Je nach Alter Mittelohrentzündungen bei Säuglingen werden immer systemisch antibiotisch behandelt. Bei schlechtem Zustand und hohem Fieber kann es notwendig sein, dass der Säugling eine intravenöse Behandlung in der Klinik bekommen muss. Kinder ab dem ersten Lebensjahr mit hohem Fieber, starken Schmerzen oder Sekret im Ohr werden in der Regel ebenfalls mit oralen Antibiotika behandelt. Bei Kindern ab dem zweiten Lebensjahr mit Mittelohrentzündung ohne hohes Fieber kann man die ersten 48 Stunden abwarten.
Die Behandlung sollte zunächst mit abschwellenden Nasentropfen und gegebenenfalls mit Ibuprofensaft oder -zäpfchen oder Paracetamol erfolgen Die starken Schmerzen sind meist ein Hinweis auf verstopfte Belüftungsgänge. Sobald diese wieder frei sind, nehmen auch die Schmerzen ab. Generell gilt, dass bei einer Mittelohrentzündung keine Tropfen ins Ohr gegeben werden, da das Trommelfell wie eine Wand fungiert und auf der anderen Seite, sprich im Innenohr, nichts ankommt. Meist bildet sich ein Paukenerguss nach einigen Tagen oder Wochen von selbst zurück.
Zur schnelleren Abheilung gibt man gerne dreimal täglich Apis D6, welches Flüssigkeiten aus Hohlräumen löst, in Kombination mit dreimal täglich Kalium chloratum D6. Auch pflanzliche Mittel, die die Nasennebenhöhlen befreien und Schleim abtransportieren, eignen sich hier. Hilft das alles nichts und ein chronischer Paukenerguss (mehr als ca. 6 Monate) liegt vor, besteht die Möglichkeit Paukenröhrchen ins Trommelfell zu setzen. Nutzen und Risiken sollten mit dem behandelnden Kinderarzt besprochen werden.
Wann zum Arzt?
Bei schwerem Krankheitsverlauf, also starken Schmerzen trotz Analgetika-Gabe, bei Fieber über 39 Grad, bei auslaufendem Ohr, bei beidseitigen Ohrenschmerzen oder bei besonderen Patientengruppen, wie Säuglingen und Kleinkindern unter zwei Jahren, Patienten mit Fehlbildungen, zum Beispiel einer Gaumenspalte, oder Patienten mit schwerer Grunderkrankung, wie Herzfehler, Mucoviszidose, Immundefekte oder unter Chemotherapie, müssen Sie immer zum Arztbesuch raten.
Das gute, alte Zwiebelsäckchen Neben dem antibiotisch und analgetisch wirksamen warmen Zwiebelsäckchen, das solange auf dem Ohr oder in der Umgebung des Ohres bleiben kann, wie es warm ist, kann man auch gekochte und zerstampfte Kartoffeln oder Kamillenblüten nehmen. Warm sollte es vor allem sein. Auch Belladonna- und Aconitum-Globuli können im Wechsel gegeben werden. Außerdem eignen sich Sambucus, Echinacea, Capsicum und Sanguinaria. Aconitum und Levisticum gibt es in Form von Ohrentropfen, das Fläschchen sollte vor der Anwendung immer in der Hand oder in der Hosentasche angewärmt werden. Des Weiteren ist Kauen und Schlucken wichtig, um den Lufteintritt zum Mittelohr zu verbessern und für einen Druckausgleich zu sorgen.
Komplikationen sind möglich Bei der Mittelohrentzündung kann es gerade bei den Kleinen zu Folgeerkrankungen führen, wenn diese nicht rechtzeitig behandelt wird. Durch Flüssigkeitsansammlung kann es zu Hörstörungen kommen. Bei dauerhafter Hörstörung kann die Sprachentwicklung beeinträchtigt sein. Des Weiteren kann sich eine Mittelohrentzündung ausbreiten auf die Hirnhäute (Meningitis), auf die Knochen (Mastoiditis) oder aufs Innenohr, was zu Taubheit führen kann. Diese Fälle erfordern eine sofortige Einweisung ins Krankenhaus.
Wann kann man abwarten? Zusammengefasst kann man sagen, dass man bei Kindern über sechs Jahren, bei geringen Schmerzen oder Druckgefühl, bei Schmerzen, die nach Analgetika-Gabe verschwinden oder bei einseitigen Ohrenschmerzen, die weniger als 24 Stunden andauern, abwarten kann. In der Zeit des „Watchful-Waitings“ bieten sich zur Überbrückung und Linderung abschwellende Nasentropfen, Ibuprofen und ein Zwiebelsäckchen an.
Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 01/2022 ab Seite 24.
Stefanie Berhausen, Apothekerin, Ayurveda-Gesundheitsberaterin, Meditations- und Yogalehrerin