Rezeptur – Mischen possible
REZEPTUR FÜR KINDER GLEICH KINDERLEICHT? PROBLEMATISCHE SUSPENSIONEN
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Eigentlich sollte das einer der schönsten Momente im Leben eines Paares sein: die Geburt ihres Kindes. In den meisten Fällen gibt es nichts zu beanstanden und die Mutter darf mit ihrem Kind nach zwei Tagen nach Hause. Doch leider läuft nicht immer alles wie geplant. Manchmal ist das kindliche Herz ist nicht so ausgebildet wie es sein sollte und der neue Erdenbürger betritt mit Herzinsuffizienz die Welt.
Was vor ein paar Jahren ein Todesurteil oder mit vielen Einschränkungen verbunden war, können wir heute größtenteils medikamentös stabilisieren. Ist der erste Schrecken verflogen und hat sich die Situation stabilisiert, werden die kleinen Patientinnen und Patienten nach Hause entlassen. Jetzt kommt die Apotheke ins Spiel.
Kommunikationstipp: Bedenken Sie…
…dass es für die frischgebacken Eltern ein Schock ist, wenn ihr Kind herzkrank zur Welt kommt. Sie haben Angst, sind traurig. Oft kommt hinzu, dass sie länger im Krankenhaus bleiben müssen als geplant, zu Hause vielleicht noch große Geschwister warten oder Mutter und Kind getrennt werden müssen, weil am Entbindungs-Krankenhaus keine Kinderklinik angeschlossen ist. Haben Sie Nachsicht, wenn die Eltern Ihnen gegenüber gestresst auftreten. Vermitteln Sie Ihnen das Gefühl, dass sie bei Ihnen in guten Händen sind.
Augen auf bei pädiatrischen Rezepturen
Vielen ist sicherlich schon aufgefallen, dass die Auswahl bei Medikamenten für Kinder beschränkt ist; was die Dosis und die Darreichungsform angeht, haben wir schon gar keine Varianz. Zum Glück gibt es ja die Möglichkeit der individuellen Rezepturen. Sie sind gerade für die Kleinsten überlebenswichtig. Aber ist „pädiatrische Rezeptur“ ein Synonym für „kinderleicht“? Mitnichten! Jetzt fängt die Arbeit erst an.
Mit diesem Artikel möchte ich Sie sensibilisieren, gerade bei Rezepturen genauer hinzuschauen, lieber eine Meinung mehr einzubeziehen und auch, wenn man einen neuen Stammkunden gewonnen hat, nicht aufzuhören nach Verbesserung zu suchen und für Korrektur offen sein. Wir mussten selbst Korrektur erfahren und das möchte ich hier weitergeben.
Bisoprolol für herzkrankes Baby
Es ist eine typische Situation: Anruf für die Rezeptur. Die frischgebacken Eltern werden mit ihrem kleinen Baby, leider herzkrank, nach Hause entlassen und möchten gerne Rezepturen vor bestellen. Die Rezepte erhalten sie allerdings erst nach dem Abschlussgespräch in der Klinik.
Da ihnen klar ist, dass die Apotheke Zeit braucht um die Rezepturen herzzstellen, fotografieren sie die Fläschchen und Gefäße aus dem Krankenhaus ab und schicken die Bilder vorab an die Apotheke. Unter anderem ist eine Bisoprololfumarat-Suspension dabei. Dies verwundert mich direkt, denn sonst wird dieser Wirkstoff immer verkapselt – aber warum nicht. Denn je jünger das Kind ist, desto leichter lässt sich eine kleine Portion Flüssigkeit verabreichen. Einfacher als größere Mengen aufgelöster oder suspendierter Pulver.
Problem: Bisoprolol als Substanz? Die Zeit drängt.
Der Wirkstoff Bisoprololfumarat ist über den Großhandel nicht lieferbar. Wir können ihn auch nicht mehr schnell direkt über die Hersteller beschaffen, denn es ist Freitagabend und sie sind nicht mehr zu erreichen. Die Suspension aus dem Krankenhaus reicht nur noch für zwei Gaben, also müssen wir schnell eine Lösung suchen.
Nach kurzer, aber intensiver Beratung mit der diensthabenden Apothekerin haben wir uns entschieden, die Suspension aus einem Fertigarzneimittel herzustellen. Wir verwenden die Tabletten mit den wenigsten Hilfsstoffen ohne Filmüberzug.
Doch hier erst einmal die Zusammensetzung laut des vorliegenden Rezeptes:
Die Rezeptur
Bisoprololfumaratlösung 0,5 mg/ml mit Aroma 20 Milliliter (ml):
● Bisoprololfumarat 10 Milligramm (mg)
● Saccharose (kristallin) 5,0 Gramm (g)
● Kaliumsorbat 0,03 g
● Zitronensäure (wasserfrei) 0,014 g
● Himbeer-Aroma 1 Tropfen
● Wasser, gereinigtes zu 20 Milliliter (ml)
Vorbereitung und Herstellung
Die Rezeptur weist zwei Schwierigkeiten auf. Einmal der Wirkstoff, der nur als Fertigarzneimittel vorliegt. Die zweite ist die Kombination von Milliliter- und Gramm-Angaben in einer Rezeptur. Da es sich um eine Zuckerlösung handelt, kann man nicht davon ausgehen, dass ein Milliliter gleich einem Gramm ist. So entschlossen wir uns zur Herstellung in einem ausreichend großen Messzylinder.
- Als erstes wurden alle festen Bestandteile außer dem Zucker mit entsprechendem Korrekturfaktor auf der Analysenwaage abwiegen und in den Messzylinder überführen
- Den Zucker auf der technischen Waage abwiegen und ebenfalls in den Messzylinder geben
- Wasser leicht erwärmen und einen Teil zugeben, Messzylinder verschließen und leicht schütteln, bis sich alle Bestandteile gelöst haben
- Den Wirkstoff aus dem Fertigarzneimittel zugeben
- Das restliche Wasser zu 20 ml ergänzen, erneut schütteln
Unschöne Beobachtungen
Eigentlich hätten die Tabletten sich rasch auflösen sollen, da sie keinen Überzug haben. Das taten sie aber nicht. Also ließen wir den Messzylinder stehen, mit dem Hintergedanken, dass die Tabletten aufquellen und dann beim Aufschütteln zerfallen.
Dass das nur mäßig funktionierte, zeigte sich beim Abfüllen der Suspension: Immer wieder musste etwas in den Zylinder zurückgeschüttet werden, um wirklich alle Partikel aufzususpendieren und in das Abgabegefäß zu überführen.
Diese Rezeptur mussten wir unbedingt nachbesprechen. Vor allem beschäftigte uns die Frage, warum die Krankenhausapotheke in der Lage war, diese Suspension herzustellen, und wir nicht.
Mehr aus der Serie "Rezeptur - Mischen possible":
Im Team zur Problemlösung
Zu Versuchszwecken stellten wir die Lösung noch einmal her und kamen zu dem Schluss: So geht das nicht. Denn wenn der Wirkstoff so stark sedimentiert, ist unklar, ob die Dosisgleichheit gewährleistet ist.
Also setzten wir uns mit der Klinikapotheke in Verbindung. Die Kollegen dort waren durchaushilfsbereit. Unsere Probleme konnten sie sich aber nicht erklären. Sie stellen regelmäßig Suspensionen her, auch mit Bisoprololfumarat, allerdings als reinen Wirkstoff.
Da dieser ja nicht über den Großhandel zu beziehen war, riefen wir bei verschiedenen Herstellern an und fragten nach. Schließlich kam heraus, dass es Bisoprololfumarat durchaus als Rezeptursubstanz gibt, dieser aber den Krankenhäusern vorbehalten ist für den Fall von Versorgungsengpässen. Das war ein Gesichtspunkt, den wir nicht in Betracht gezogen hatten. Trotzdem brauchten wir eine Lösung, um das Baby mit seinem Medikament versorgen zu können.
Eltern mit einbeziehen
Wir suchten das Gespräch mit den Eltern unseres kleinen Kunden und legten ihnen unsere Bedenken dar. Die Suspension muss so stark geschüttelt werden, um den Bodensatz zu lockern, dass sie uns nicht zufriedenstellte. Nachdem wir den Eltern das Für und Wider erklärt hatten, einigten wir uns darauf, bei Bisoprolol-Verordnungen Kapseln herzustellen. Sie werden geöffnet, auf dem Löffel suspendiert und direkt gefüttert. So kommt es zu keinem Bodensatz, die Stabilität ist gewährleistet und wir müssen auch nicht konservieren.
Erst waren die Eltern nicht begeistert davon, für ihr Kind eine doch relativ große Menge Pulver aufzulösen. Aber die Dosisgleichheit bei der Kapselherstellung war dann doch der ausschlaggebende Punkt.
Fazit des Suspensions-Problems
Dieses Beispiel hat gezeigt: Nicht immer können wir feste Zubereitungen in flüssige übersetzen. Manchmal müssen tüfteln und ausgiebig diskutieren. In diesem Sinne ist es nur empfehlenswert, in einem Team zu arbeiten, welches im Idealfall aus pharmazeutisch-technischen Assistenten und Apothekern besteht, denn so kann jeder etwas zur Problemlösung beitragen.
Festzuhalten ist: Nicht alles, was Klinikapotheken in der Medikamentenherstellung leisten, ist auf die öffentliche Apotheke eins zu eins übertragbar. An uns ist es, eine Lösung zu finden, die für den Kunden (hier das Kind) und die Medikamentengeber (die Eltern) praktikabel und sicher ist. Es lohnt sich und man gewinnt treue Kunden.