Eine Frau hält sich die Brust und greift mit der anderen Hand nach ihrem Notfallspray, das auf einem Tisch liegt© AntonioGuillem / iStock / Getty Images Plus
Der Griff zum Notfallspray ist für Asthmatiker ein lebensnotwendiger Schritt - was, wenn es nicht mehr wirkt?

Neuer Signalweg

KÖRPEREIGENE CANNABINOIDE GEGEN ASTHMA

Bei einem Asthmaanfall ziehen sich die Bronchien oft so stark zusammen, dass ein Ausatmen unmöglich ist. Forscher aus Bochum sind nun einem körpereigenen Cannabinoid auf der Spur, das einen neuen Weg zur Behandlung der Lungenerkrankung darstellen könnte.

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Asthmakranke kennen das Problem: Ihre Inhalationsmedikamente lassen nach längerer Anwendung oft in ihrer Wirkung nach. Dabei können diese lebensrettend sein – Grund genug, dass die Abteilung für Systemphysiologie der Ruhr-Universität Bochum unter der Leitung von Prof. Dr. Daniela Wenzel einen alternativen Signalweg erforschte, der über körpereigene Cannabinoide zu einer Weitstellung der Bronchien führen kann. Denn Asthma geht offenbar auch mit einem Mangel dieser Cannabinoide einher, der als Ursache der Erkrankung infrage kommen könnte.

Obstruktive Lungenerkrankungen sind weltweit die dritthäufigste Todesursache. Zu ihnen gehören die chronisch-obstruktive Lungenerkrankung COPD, aber auch Asthma bronchiale. „Asthma ist zwar ein entzündlicher Prozess, aber fatal ist vor allem die Engstellung der Bronchien“, erklärt Anna Simon, Erstautorin der Studie. „Darum interessieren wir uns besonders für die Regulation dieser Engstellung.“

Auf der Spur des Prostaglandins E2

Das bekannteste körpereigene Cannabinoid ist Anandamid, das die Bronchien zweifelsfrei erweitert. Um den genauen Mechanismus dahinter aufzuklären, setzten sich die Wissenschaftler*innen auf dessen Spur: Schnell zeigte sich, dass die zwei bekanntesten Rezeptoren für Anandamid (CB1 und CB2) bei dieser Regulation keine Rolle spielen.

Denn der Signalweg geht anders: Er führt über ein Enzym – die sogenannte Fettsäureamid-Hydrolase, kurz FAAH vom englischen Wort fatty acid amide hydrolase. FAAH baut Anandamid ab. Dabei entsteht Arachidonsäure, die wiederum zu Prostaglandin E2 umgebaut wird. Von Prostaglandin E2 weiß man, dass es die Bronchien weitstellen kann, denn es wirkt über bestimmte Rezeptoren und führt zu einem Anstieg des Botenstoffs cAMP (Cyclisches Adenosinmonophosphat). Genau darauf zielen auch bewährte Inhalationsmedikamente gegen Asthma. Das Ziel ist also dasselbe, der Weg allerdings ein anderer.

Der Anstieg des cAMP in Bronchien und Flimmerepithel nach einer Anandamid-Gabe ließ sich nachweisen. Auch bei speziell gezüchteten, asthmakranken Mäusen führte die Gabe von Anandamid zu einer Weitstellung der Bronchien. Die Forscher*innen wiesen nun nach, dass die asthmatischen Tiere über weniger Anandamid und andere Endocannabinoide in ihrem Bronchialsystem verfügen als gesunde. Daraus folgerten sie: „Es könnte also sein, dass dieser Anandamid-Mangel einer der Ursachen für die Erkrankung Asthma bronchiale ist“, so Daniela Wenzel.

Von Eigentherapie mit pflanzlichem Cannabis wird abgeraten

Wer nun glaubt, sein Asthma mit dem Drehen von Cannabis-Zigaretten selbst kurieren zu können, den warnt Frau Wenzel ausdrücklich. Man könne nämlich keine direkten Rückschlüsse aus den Erkenntnissen über körpereigene Cannabinoide auf die pflanzliche Variante ziehen. Welche weiteren Inhaltsstoffe sich neben den bekannten Cannabinoiden sonst noch in den Pflanzen befinden, sei völlig unklar: „Die Pflanzen enthalten mitunter auch schädliche Stoffe.“

Man hofft allerdings, dass die Erkenntnisse dieser neuen Studie richtungsweisend zu einem besseren Verständnis dieser körpereigenen Stoffe führen könne – was dann wiederum in einigen Jahren zu neuen Therapiemöglichkeiten für Lungenerkrankungen führen könne.

Quelle: informationsdienst wissenschaft

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