Igel im Wald auf Laub© Coatesy / iStock / Getty Images Plus
Bei Igeln fanden Forscher häufig den MRSA-Stamm mecC-MRSA.

Mikrobiologie

MRSA TUMMELT SICH AUF IGELN

Multiresistente Keime gibt es wohl schon länger als gedacht. Gensequenzierungen legen nahe, dass ihre Entstehung lange vor den ersten Antibiotika zu datieren ist. Stattdessen könnte ein kleiner Waldbewohner der Ursprung sein.  

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Der übermäßige Gebrauch von Antibiotika setzt Bakterien jeden Tag einem massiven Selektionsdruck aus: Nur wer sich anpasst, überlebt – nur wer resistent ist, hat im Wirt Mensch eine Überlebenschance. Folgerichtig existieren immer weniger Therapieoptionen gegen immer mehr multiresistente Bakterienstämme. Der wohl bekannteste Kandidat ist der multiresistente Staphylokokkus aureus (MRSA) – ein Problemkeim, der vor allem in Krankenhäusern zu intensivmedizinischen Behandlungen führt.

Die Theorie ist nicht neu. Neu ist jedoch: MRSA könnte es schon weit länger geben als Penicillin. Ist die Annahme, dass sich das multiresistente Bakterium durch unseren unreflektierten Antibiotikagebrauch im Nutztier oder Menschen selbst entwickelt hat, gar falsch? 

Stachlige Haut, muntere Mutation

Ein internationales Forscherteam sequenzierte und analysierte mehr als 1000 Staphylokokkus aureus-Isolate von Igeln. Besonders häufig fanden sie den MRSA-Stamm mecC-MRSA und fokussierten sich im Folgenden auf diese Resistenzgene und möglichen Entwicklungsszenarien. „Mithilfe der Sequenzierungstechnologie haben wir die Gene, die den mecC-MRSA-Bakterien ihre Antibiotikaresistenz verleihen, bis zu ihrem ersten Auftreten zurückverfolgt und festgestellt, dass es sie offenbar bereits im 19. Jahrhundert gegeben hat“, berichtet Seniorautor Ewan Harrison von der University of Cambridge. Klinische Anwendung fanden Antibiotika erst in der Ära Paul Ehrlichs und Alexander Flemings, also im 20. Jahrhundert. „Aus unserer Studie geht hervor, dass nicht der Einsatz von Penicillin für das anfängliche Auftreten von MRSA verantwortlich war, sondern ein natürlicher biologischer Prozess. Wir glauben, dass sich MRSA dann später durch direkten Kontakt auf Nutztiere und Menschen ausgebreitet hat“, so der Wissenschaftler. 
 

Nicht der Igel, sondern ein Hautpilz trägt Schuld

Nach den Ergebnissen der Forschenden gehen also tatsächlich einige der aktuellen resistenten Stämme auf das Konto der Stacheltiere. Doch so richtig kann man ihnen die Schuld auch nicht zuschieben. Denn bei Igeln ist der Hautpilz Trichophyton erinacei weit verbreitet. Dieser produziert antimikrobielle Substanzen, um sich vor Bakterien zu schützen – ganz nach dem Wirkprinzip von beispielsweise Penicillin. Weitere Untersuchungen der Forscher konnten zeigen, dass sich Methicillin-empfindliche Stämme von den antibakteriellen Substanzen vertreiben lassen, resistente MRSA-Stämme wachsen munter weiter. „Wir glauben deshalb, dass sich die MRSA-Stämme beim Überlebenskampf auf der Haut von Igeln entwickelt haben“, sagt Harrison.
 

Antibiotika trotzdem – oder gerade deshalb – sparsam anwenden!

Auch wenn Igel das traurige Image tragen, unhygienisch und ein „Brutplatz zahlreicher Keime“ zu sein, besteht keinerlei Grund, sich vor einer Übertragung zu fürchten. Die direkte MRSA-Übertragung von Tier zu Mensch gilt als selten. 
Stattdessen folgern die Wissenschaftler aus ihren Ergebnissen viel eher eine Mahnung für uns Menschen: „Wir müssen bei der Verwendung von Antibiotika vorsichtig sein. Es gibt ein großes ‚Reservoir‘ in der Tierwelt, in dem antibiotikaresistente Bakterien überleben können – und von dort aus ist es nur ein kleiner Schritt, bis sie von Nutztieren aufgenommen werden und dann den Menschen infizieren“, sagt Co-Autor Mark Holmes von der Universität Cambridge. „Wildtiere, Nutztiere und Menschen sind alle miteinander verbunden: Wir teilen uns ein Ökosystem. Es ist nicht möglich, die Entwicklung der Antibiotikaresistenz zu verstehen, wenn man nicht das gesamte System betrachtet“, sagt der Wissenschaftler abschließend. Denn erst durch die Antibiotika-Ära konnten sich die resistenten Keime massiv ausbreiten und auf Mensch und Nutztier übergehen. Ein rationaler Gebrauch bleibt also das Gebot der Stunde.

Quelle: www.wissenschaft.de
 

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