Pergamentpapier und Feder© FotoDuets / iStock / Getty Images

Mythen im Check

MACHT CORTISON DIE HAUT DÜNN?

Die meisten haben diesen Beratungstipp schon einmal gegeben: „Wenden Sie die Cortisoncreme nicht zu lange an, sonst wird die Haut dünn.“ Schließlich gilt Hautatrophie als bekannte Nebenwirkung von Glucocorticosteroiden. Was ist dran?

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Der Vorläufer unseres heutigen Papiers war das Pergament. Die Hautatrophie heißt auch Pergamenthaut, denn sie ähnelt dem mittelalterlichen Schreibblatt: Sie ist trocken, spröde und messbar dünner als gesunde Haut, sie wirkt knittrig und die Adern scheinen durch. Typischerweise tritt eine Hautatrophie im Alter auf, aber auch Medikamente wie Zytostatika und Cortison können sie auslösen. Denn Cortison hat nicht nur entzündungshemmende, sondern auch antiproliferative Eigenschaften. Indem es die Zellteilung hemmt, unterdrückt es Immunreaktionen. So wachsen aber auch Hautzellen langsamer nach.

Cortison ist nicht gleich Cortison Corticoide gibt es als Tabletten, Inhalatoren, Cremes und mehr. Außerdem haben die einzelnen Wirkstoffe unterschiedliche Wirkstärken, so ist Clobetasol stärker wirksam als Mometason und Prednicarbat stärker als Prednisolon. Auch die Therapiedauer unterscheidet sich – sie reicht von Einmalapplikationen wie bei der Triamcinolon-Injektion zu Beginn der Heuschnupfensaison über die Einnahme in akuten Entzündungsphasen bis hin zum Dauergebrauch. Entsprechend ist das Risiko für eine Hautatrophie bei niedriger Dosierung, Kurzzeittherapie, lokaler Injektion oder Inhalation geringer als bei hohen Dosen, Dauergebrauch, systemisch oder direkt auf der Haut.

50 Jahre alte Angst Die Fachinformationen fast aller Corticoid-Präparate führen die Hautatrophie als mögliche Nebenwirkung auf. Das beruht jedoch teilweise auf historischen Erkenntnissen. Cortison wurde erstmals 1955 synthetisch hergestellt. In den 1960er- und 70er-Jahren kamen einige sehr stark wirksame Corticoide auf den Markt, die auch starke Nebenwirkungen auslösten. Die verbreitete Angst vor Cortison geht oft noch auf diese Ära zurück. Dabei haben Wirkstoffe neuerer Generationen ein günstigeres Wirkungsprofil, die antiphlogistischen Eigenschaften überwiegen die antiproliferativen Effekte deutlich.

Beruhigende Studie Eine australische Studie untersuchte die Hautatrophie durch topische Corticoide. Die Forscher verglichen Kinder mit Neurodermitis oder Schuppenflechte, die Cortison cremten, mit Kindern, die nichtentzündliche Hauterkrankungen hatten und kein Cortison erhielten. Die Eltern aus der Cortisongruppe sollten ihre Kinder zwei- bis dreimal täglich mit einem stark wirksamen Präparat eincremen. Klangen die Beschwerden ab, sollten sie weitere drei Tage zweimal täglich eine mäßig starke Salbe nutzen. Unterstützend erhielten die Kinder feuchtigkeitsspendende und hauterweichende Pflegeemulsionen.

Nach dem Abheilen, was durchschnittlich über zehn Monate dauerte, maßen die Wissenschaftler die Hautdicke. Die behandelten Hautstellen unterschieden sich nicht von den unbehandelten und die Cortison-Gruppe nicht signifikant von der Kontrollgruppe. Sie können unsichere Kunden also beruhigen. Empfehlen Sie zu einer corticoidhaltigen Creme oder Salbe vorbeugend eine feuchtigkeitsspendende Wasser-in-Öl-Basispflege mit Emollenzien wie Glycerol und einen guten Sonnenschutz. Dann brauchen sich Ihre Kunden keine Sorgen über Nebenwirkungen zu machen.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2021 auf Seite 100.

Gesa Van Hecke, PTA/Redaktion

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