Säuglinge und Kleinkinder
IBUPROFEN ODER PARACETAMOL?
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Schmerzen bei Kindern sind schwer zu erkennen und richtig einzuschätzen, vor allem bei Kleinkindern und Säuglingen, die sich noch nicht eindeutig äußern können. Nicht immer ist überhaupt klar, ob Schmerzen der Grund für ihr Unwohlsein sind oder doch andere Ursachen. Eltern sind oft darüber verunsichert, wie stark das Kind unter den Schmerzen leidet und wo diese genau herrühren. Kleinkinder projizieren Schmerzen aller Art in den Bauch, selbst wenn sie an ganz anderen Körperstellen lokalisiert sein sollten. Im Zweifelsfall sollten Eltern ihre Kinder immer dem Kinderarzt vorstellen. Je jünger diese sind, umso schneller.
Schmerzen einschätzen Um die Schmerzintensität zu ermitteln, beobachtet und bewertet man das Verhalten der Kinder. Bei Säuglingen und Kleinkindern setzen Ärzte die KUS-Skala (Kindliche Unbehagen- und Schmerzskala) ein. Damit beurteilen sie verschiedene Zeichen wie Weinen, den Gesichtsausdruck, oder die Beinhaltung und bewerten diese mithilfe eines Punktesystems. Bei Kindern ab drei Jahren hilft die Visuelle Analog-Skala (VAS). Dafür erhalten die Kinder ein Lineal mit einer Zahlenskala von 0 (schmerzfrei) bis 10 (stärkste vorstellbare Schmerzen) oder mit fotografierten Gesichtern oder Smileys, die unterschiedlich grimassieren (Lachen bis Weinen). Das Kind ordnet seine Schmerzen dann selbst ein.
Schmerztherapie in der Selbstmedikation Allerdings ist die Schmerzintensität subjektiv und schwer vergleichbar. Letztendlich gilt es, Angaben von Kindern - wenn vorhanden - ernst zu nehmen, adäquat mit den geeigneten Mitteln zu behandeln und den Erfolg der Therapie immer wieder zu überprüfen. Mittel der Wahl bei Kindern sind Paracetamol und Ibuprofen. Beide Wirkstoffe werden bei leichten bis mäßig starken Schmerzen eingesetzt. Acetylsalicylsäure (ASS) ist hingegen bei Kindern ohne ärztliche Überwachung nicht geeignet, da es in sehr seltenen Fällen das lebensgefährliche Reye-Syndrom auslösen kann.
Paracetamol Vorteil von Paracetamol ist, dass der Wirkstoff schon lange in der Kinderheilkunde etabliert und ohne Altersbeschränkung rezeptfrei erhältlich ist. Allerdings müssen Eltern penibel auf die Dosierung achten, da eine zu hohe Dosis aufgrund des geringen kindlichen Körpergewichts zu lebensbedrohlichen Leberintoxikationen führen kann. Die Dosierung von Paracetamol erfolgt alters- beziehungsweise gewichtsabhängig mit 10 bis 15 Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht (mg/kg KG) als Einzeldosis bei einer Tagesmaximaldosis von bis zu 60 mg/kg KG.
Bei Säuglingen und kleinen Kindern ist die rektale Anwendung von Zäpfchen gängig. Paracetamol steht dafür in verschiedenen Dosierungen zur Verfügung: 75 mg ab drei kg, 125 mg ab sieben kg und 250 mg ab 13 kg, wobei die Dosierungsintervalle gewichtsabhängig sind. Einige Hersteller drucken als praktische Hilfe für die Eltern die Dosierungsempfehlungen bereits auf den Umkarton. Während Säuglinge Suppositorien meist akzeptieren, werden diese mit zunehmendem Alter immer unpopulärer und damit schwieriger einzuführen. Alternativ lässt sich Paracetamol als Saft applizieren.
Der bietet auch den Vorteil, dass man die Dosis besser an das jeweilige Körpergewicht des Kindes anpassen kann. Außerdem kann man in der Hausapotheke ein Präparat für mehrere Geschwisterkinder verschiedener Altersstufen gleichzeitig vorrätig halten. Paracetamol-Saft schmeckt allerdings etwas bitter. Da vor allem kleine Kinder sehr empfindlich auf den Geruch und Geschmack einer Flüssigkeit reagieren, sollten Eltern ihrem Kind möglichst immer einen Saft vom gleichen Hersteller anbieten – vorausgesetzt, dieser hat zuvor bei den Kleinen Zuspruch gefunden. Zudem gibt es Paracetamol als Direktgranulat mit Erdbeer-Vanille-Geschmack (250 mg ab 17 kg, 500 mg ab 32 kg).
Praxistipps
Suppositorien applizieren
Die rektale Gabe wird leichter, wenn man die Zäpfchen mit etwas Wasser anfeuchtet oder kurz in der Hand erwärmt. Ein leichtes Zusammendrücken der Pobacken vermeidet, dass das Suppositorium herausrutscht. Bewährt hat sich, das Zäpfchen mit dem stumpfen Ende voran in den After zu schieben.
Säfte applizieren
Am genauesten und einfachsten gestaltet sich die Applikation eines Schmerzsaftes mit einer Dosierspritze. Zum einen lässt sich mit ihr die notwendige Dosis sehr gut abmessen und entleeren, zudem verweigern die Kleinen die Flüssigkeit seltener. Denn der häufig unangenehme Geschmack wird in der Dosierspritze weniger stark als bei der Gabe per Löffel oder Messbecher wahrgenommen. Besprechen Sie bei der Abgabe des Saftes immer den Umgang mit der Dosierspritze: Es ist wichtig, die Flüssigkeit seitlich in die Wangentasche möglichst hinter die Backzähne zu spritzen, um einen Würgereiz zu vermeiden.
Ibuprofen Alternativ ist bei Säuglingen ab drei Monaten die Gabe von Ibuprofen möglich. Ibuprofen wirkt vergleichbar gut (eventuell etwas besser) analgesierend und fiebersenkend und zusätzlich entzündungshemmend. Das ist bei Infektionen, die mit Entzündungen einhergehen, wie beispielsweise bei schmerzhaften Mittelohr- und Halsentzündungen, von Nutzen. Weiterer Vorteil von Ibuprofen gegenüber Paracetamol ist seine größere therapeutische Breite, so dass das Risiko von Überdosierungen geringer ist. Zudem haben die Überdosierungen in der Regel keine so gravierenden Konsequenzen wie bei Paracetamol.
Bei Säuglingen ab drei Monaten kann zwischen Zäpfchen (60 mg) und Saft (zweiprozentig) gewählt werden. Zäpfchen mit 120 mg sind für Kinder ab zwei Jahren und der vierprozentige Saft für Säuglinge ab sechs Monaten vorgesehen. Ibuprofen-Saft steht in verschiedenen Geschmacksrichtungen (Erdbeere, Himbeere, Orange; je nach Hersteller) zur Verfügung. Entsprechende gewichtsabhängige Dosierungen sind - wie bei den Paracetamol-Säften - meist schon auf dem Umkarton kenntlich gemacht. Sollten die Kinder mit zunehmendem Alter die immer größere erforderliche Flüssigkeitsmenge nicht akzeptieren, kann man ab sechs Jahren auf Schmelztabletten (200 mg) zurückgreifen. Sie sind auch eine gute Wahl für ältere Kinder, die keine Tabletten schlucken können.
Weitere Optionen Bei Schmerzen ist nicht nur an ein Schmerzmittel zu denken. Beispielsweise erfordert die Behandlung einer Mittelohrentzündung immer abschwellende alpha-Sympathomimetika wie Xylometazolin oder Oxymetazolin, da sie eine Belüftung des Mittelohrs und ein Abfließen des Schleims ermöglichen. Zahnende Kinder profitieren auch von Zahnungsgelen mit entzündungshemmendem Kamille-Extrakt, die zusätzlich ein Lokalanästhetikum wie Lidocain enthalten. Säuglinge sollten diese Gele allerdings nicht direkt vor dem Stillen erhalten, da nicht nur ihr Gaumen, sondern auch ihre Zunge betäubt werden kann. So kann das Kind nicht richtig trinken. Darüber hinaus können Sie bei Zahnungsschmerzen auch homöopathische Zäpfchen, Tropfen oder Globuli empfehlen, zum Beispiel mit Chamomilla oder Belladonna.
Diesen Artikel finden Sie auch in die PTA IN DER APOTHEKE 11/2021 ab Seite 98.
Gode Chlond, Apothekerin