Zwei Personen in Rettungsdienst-Bekleidung üben eine Herzdruckmassage an einer Puppe in Größe eines Säuglings.© Mihajlo Maricic/iStock/Getty Images Plus
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, für ihre Notfälle brauchen Rettungsdienst-Mitarbeitende spezielle Schulungen.

HeldenStärker

KINDERNOTFALL: FORTBILDUNG FÜR RETTUNGSDIENST SOLL PFLICHT WERDEN

Ein Kindernotfall kann jederzeit eintreten. Unfälle, Vergiftungen oder Krankheiten erfordern schnelles Handeln. Für Mitarbeitende im Rettungsdienst ist Fortbildung zum Thema Kindernotfälle bisher keine Pflicht. Das kostet Kinderleben. Ein Verein will das jetzt ändern.

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Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Ein Kindernotfall erfordert nicht nur sofortiges Handeln, es muss auch das Richtige getan werden. Spezielle Rettungsfahrzeuge für Kindernotfälle gibt es vor allem auf dem Land nicht, die Mitarbeitenden im Rettungsdienst arbeiten mit der Standardausstattung, die eben hauptsächlich für Erwachsene ausgelegt ist. Auch eine Fortbildung zum Thema Notfälle bei Kindern ist keine Pflicht.

Der Verein HeldenStärker e.V. setzt sich dafür ein, dass auch für Kindernotfälle eine regelmäßige Fortbildung alle im Rettungsdienst verpflichtend wird. Die Entstehung des Vereins hat einen sehr traurigen Hintergrund.

Ein Kindernotfall ist keine Routine

„Wer einmal Rettungskräfte während eines Kindernotfalls im Einsatz erlebt hat und zusehen musste, wie sie um ein kleines Leben kämpfen, vergisst es nie.“

Dieser Satz findet sich auf der Webseite des Vereins HeldenStärker e.V. Der Verein aus dem Kreis Bergstraße setzt sich dafür ein, dass ein Kindernotfall zum Standardrepertoire im Rettungsdienst gehört. Mit der Reformierung des Rettungsdienstgesetzes soll eine Pflicht zur Fortbildung speziell für Notfälle bei Kindern eingeführt werden.

Der Sohn von Stefanie Seeger, der ersten Vorsitzenden des Vereins, verstarb 2017 im Alter von zweieinhalb Jahren nach einem Fieberkrampf. Die Rettungskräfte waren nicht ausreichend für einen solchen Kindernotfall vorbereitet. Ein traumatisierendes Erlebnis, das sich nicht wiederholen soll.

Was macht einen Kindernotfall so besonders?

Es sind viele Faktoren, die nicht zur Standardausbildung im Rettungsdienst gehören. Im Schnitt nur alle fünf bis sechs Wochen kommt eine Einsatzkraft mit einem Kindernotfall in Kontakt. Die häufigsten Gründe sind Unfälle, Verletzungen, Vergiftungen und besonders bei kleinen Kindern und Babys Atemprobleme.

Bei der Behandlung eines Kindernotfalls muss es mindestens genauso schnell gehen wie bei einem Erwachsenen. Aber wenn die Routine durch regelmäßige Fortbildung für Notfälle bei Kindern im Rettungsdienst fehlt, kostet das letztlich Kinderleben.

Was man bei einem Kindernotfall (nicht nur) im Rettungsdienst wissen muss

  1. Kinder haben engere Nasengänge und Atemwege. Der Kehlkopf sitzt viel höher und gekippt, was ihn anfälliger für Blockaden macht. Die Luftröhre ist kürzer (nur 4 Zentimeter bei einem Neugeborenen) und die Zunge im Verhältnis größer. Überstreckt man den Kopf eines Babys, wie man es bei Erwachsenen gelernt hat, blockiert man die Atemwege! Bei Babys gilt also: den Kopf immer in neutraler Position belassen. Das muss man bei einem Kindernotfall aber erst einmal wissen.
  2. Blutverluste sind extrem gefährlich. Schon 100 bis 200 Milliliter bei einem Kind mit 10 Kilogramm Körpergewicht können lebensbedrohlich sein, denn das ist schon fast ein Viertel der gesamten zirkulierenden Blutmenge. Kinder verbrauchen mehr Sauerstoff und zeigen später Schocksymptome. Also ist bei einem Kindernotfall nicht nur schneller Hilfe nötig, Probleme zeigen sich auch noch später und haben schwerere Folgen.
  3. Kinder kühlen schneller aus als Erwachsene. Ihre Körperoberfläche ist im Verhältnis zur Körpermasse größer, also muss man hier bei einem Kindernotfall besonders auf Wärmezufuhr achten. Ein Baby kann durch Unterkühlung rasch unterzuckern und dann das Bewusstsein verlieren.
  4. Die Flüssigkeitsräume stehen in einem anderen Verhältnis zueinander. Je jünger das Kind, desto mehr Flüssigkeit befindet sich im Extrazellularraum. Das bedeutet, dass Kinder mehr Flüssigkeit zur Ausscheidung harnpflichtiger Substanzen benötigen als Erwachsene und insgesamt empfindlicher sind gegen Elektrolyt- und Flüssigkeitsverluste. Ein Durchfall kann also recht schnell zu einem Kindernotfall werden.
  5. Kinder können manchmal noch nicht genau sagen, wo das Problem liegt. Sie haben oft Angst oder wehren sich. Rettungskräfte müssen bei einem Kindernotfall zudem auch erst einmal die eigene Hemmschwelle überwinden, die bei Kindern viel höher liegt. Ein Kindernotfall zählt zu den Einsätzen mit der höchsten psychischen Belastung.

Alle Punkte, die einen Kindernotfall zu etwas Besonderem machen, kann man in Schulungen regelmäßig trainieren. Solange das aber noch nicht Pflicht ist, müssen die Mitarbeitenden im Rettungsdienst eine Fortbildung zum Thema Notfälle bei Kindern meist selbst organisieren und aus eigener Tasche bezahlen.

Der Verein HeldenStärker e.V. bietet Schulungen an und finanziert diese mit Spendengeldern, damit ein Kindernotfall in Zukunft besser behandelt werden kann.

Quellen:
https://www.heldenstaerker.de/
https://www.hessenschau.de/gesellschaft/versorgungsluecke-kindernotfall-rettungskraeften-fehlen-oft-fachkenntnisse--v2,kindernotfaelle-100.html
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/leben-und-gesellschaft/kinder-fieberkrampf-notfallmedizin-versorgungsluecke-92414
https://www.barmer.de/unsere-leistungen/leistungen-a-z/apps-skills/kindernotfall-app

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