Duftbäumchen Auto© Dmitry Alferov / iStock / Getty Images

Pflanzliche Inhaltsstoffe

DÜFTE, DIE DIE WELT BEDEUTEN

In der Weihnachtszeit schwelgen Menschen gerne in Erinnerungen. Oft holen Gerüche dann vergangene Momente auf eine intensive Weise ins Hier und Jetzt. Und was ist es, das da so nach Mandarine oder Nelke duftet? Ätherische Öle!

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Die Weihnachtsfeiertage werden seit jeher idealisiert: Alles muss perfekt sein. Die Familie muss sich verstehen, das Essen muss schmecken und das Haus muss bis in den letzten Winkel vor Glanz erstrahlen. Schon in der Vorweihnachtszeit füllen Weihnachtsmärkte, Geschenkewünsche und Weihnachtsfeiern unsere Terminkalender. Die Erwartungen stehen leider oft im Gegensatz zur angepriesenen Besinnlichkeit dieser Zeit. Unruhe, Schlafstörungen und andere Stresserkrankungen sind die Folge. An Weihnachten selbst kann es durch das viele Essen schnell mal zu Magen-Darm-Verstimmungen kommen. Ätherische Öle können in diesen Fällen Abhilfe schaffen. Dabei sollte neben ihrer innerlichen Wirkung auch der ausströmende Duft nicht unterschätzt werden.

Aromatherapie Viele der Einzelsubstanzen, aus denen sich ätherische Öle zusammensetzen, erfüllen die Voraussetzungen um Riechsinneszellen zu aktivieren: Sie sind flüchtig, lipophil und nicht schwerer als 300 Dalton. Dabei müssen nicht alle Komponenten der Öle erkannt werden. In der Regel reichen einige Hauptbestandteile aus, um das Öl direkt zu identifizieren. An den Riechhaaren lösen die Einzelsubstanzen elektrische Aktionspotentiale aus, welche an verschiedene Zentren des Gehirns weitergeleitet werden. Unter anderem wird auch das limbische System angesteuert, was die emotionale Komponente erklärt, die bei bestimmten Gerüchen eintritt.

Wichtige Öle und ihre wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe:
+ Kümmelöl: Carvon und Limonen
+ Melissenöl: Citral und Citronellal
+ Fenchelöl (bitter): trans-Anethol und Fenchon
+ Fenchelöl (süß): trans-Anethol Anisöl: trans-Anethol

Je nach Bereich des zentralen Nervensystems, den ein Duftstoff ansteuert, löst er reflektorisch Reaktionen an verschiedenen Zielorganen aus – beispielsweise erregt er das Atmungszentrum, setzt Hormone frei oder aktiviert den Magen-Darm-Trakt. Die Riechsinneszellen befinden sich nicht nur in der Nase. Sie wurden auch im Magen-Darm-Trakt, an der Leber oder auch im Herzen gefunden. Somit kann auch die Einnahme einer Kapsel zur Aktivierung von Riechsinneszellen direkt am Organ führen, nachdem der Inhalt der Kapsel über die Blutlaufbahn im ganzen Körper verteilt wurde. Trotzdem ist es die sinnvollste Variante, auch die Riechsinneszellen in der Nase bei der Therapie einzubeziehen.

Besinnliche Weihnachtszeit Dies gilt auch, wenn man Präparate zur Beruhigung einnimmt. Um trotz des stressigen Tagesablaufs die Nerven zu behalten und um eine ruhige Nacht zu garantieren stehen verschiedenen Präparate mit ätherischen Ölen zu Verfügung. Obwohl für den letztendlichen Effekt in der Regel mehrerere Komponenten zusammenspielen, greifen wir uns hier die Wirkungsweise der ätherischen Öle heraus. Auch wenn das Gefühl der Beruhigung subjektiv ist, gibt es vorläufig nachgewiesene Therapieerfolge.

Lavendelöl, seine Einzelsubstanz Linalool und Melissenöl mit der Einzelsubstanz Citral aktivieren den GABAA-Rezeptor und hemmen so die neuronale Erregung. Auch der Magen-Darm-Trakt wird während der Feiertage besonders in Anspruch genommen. Viel Essen und wenig Bewegung fördern Unwohlsein. Wenn der nachmittägliche Spaziergang nicht mehr ausreicht, können ätherische Öle helfen, vorzugsweise als Kapseln oder Tropfen. Bei der Auswahl der galenischen Zubereitung ist nur zu beachten, welche Form der Kunde bevorzugt; die Applikationsform verbessert oder verschlechtert die Wirkung nicht. Im Magen-Darm-Trakt angekommen, setzt die Wirkung schnell ein: Die ätherischen Öle haben reizende Eigenschaften, der Verdauungstrakt erkennt sie als potenziell gefährliche Substanzen und erhöht die Sekretion von Magensäure und Gallensaft.

Eingedampft
Gerüche spielen bei ätherischen Ölen eine nicht zu unterschätzende Wirkung. Indem sie verschiedene Bereiche im zentralen Nervensystem ansprechen, beeinflussen sie reflektorisch auch andere Organe. Lavendelöl, Linalool und Citral im Melissenöl wirken nachweislich sedativ durch die Blockade neuronaler Erregung.

Ätherische Öle mit Wirkung auf den Magen-Darm-Trakt können auf drei Arten wirken: Stomachika sind appetitanregend und verdauungsfördernd, da sie die Magensäuresekretion anregen. Cholagoga sind galletreibend. Und Carminativa sind blähungstreibend, indem sie spasmolytisch auf die Darmmuskulatur und durchblutungsfördernd auf die Darmschleimhaut wirken, außerdem reduzieren sie Gärungsgase, indem sie das Darmmikrobiom beeinflussen.

Die Darmmotilität steigt, gleichzeitig erschlafft die glatte Muskulatur. Somit wirken ätherische Öle auf mehreren Ebenen: Die vermehrte Sekretion von Magensäure und Gallensaft beschleunigt den Abbau von Nahrung und desinfiziert gleichzeitig den Magen. Die erschlaffende glatte Muskulatur wirkt Koliken entgegen. Die gewünschte verdauungsfördernde Wirkung ist also ein Nebeneffekt, der entsteht, weil der Körper die therapeutischen Dosen des Öls als Gefahr fehlinterpretiert. Die Einnahme reiner ätherischer Öle kann allerdings tatsächlich schädlich sein und zu Magenreizung, Kopfschmerzen oder Erbrechen führen – das sollte man nicht unterschätzen.

Den Artikel finden Sie auch in DIE PTA IN DER APOTHEKE 12/2021 ab Seite 52.

Manuel Lüke, Apotheker und Lehrer für Gefahrstoffkunde

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