Muscarin
ZUBEREITUNG MACHT HARMLOSE PILZE GIFTIG
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Die gute Nachricht: Der Fliegenpilz ist gar nicht so ein giftiger Pilz wie bisher angenommen. Die schlechte: Einige, dem Champignon ähnelnde Pilze sind bei der Ernte noch kein Problem. Erst bei der Zubereitung werden sie zu giftigen Pilzen. Grund dafür ist das Alkaloid Muscarin.
Forschende der Universität Jena und des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie haben eine neue Studie zu Muscarin veröffentlicht. Sie erklären, wie der giftige Stoff in den Pilz kommt.
Zubereitung macht Pilze giftig
Das Team um Professor Dirk Hofmeister von der Uni Jena hat herausgefunden, dass besonders der Rinnigbereifte Trichterling und die Risspilze Muscarin in harmlosen Vorstufen speichern. Bei der Ernte handelt es sich also gar nicht um giftige Pilze.
Erst beim Schneiden, Kochen oder der Verdauung setzt ein Enzym das Muscarin aus der Vorstufe 4‘-Phospho-Muscarin frei und die Pilze werden giftig. Eine Methode von Pilzen, um sich vor Tierfraß zu schützen. Das Tückische ist, dass der Rinnigbereifte Trichterling nicht umsonst als „Falscher Champignon“ bezeichnet wird. Statt des schmackhaften Vertreters wandert aufgrund von Verwechslungen nicht selten ein giftiger Pilz in den Sammelkorb.
Muscarin, bekannt vom Fliegenpilz
Vor rund 150 Jahren entdeckten Forscher das Muscarin erstmals. Das Alkaloid kommt in vielen giftigen Pilzen vor. Seinen Namen hat es vom lateinischen Namen des giftigen Pilzes, aus dem es zuerst isoliert wurde: dem Fliegenpilz (Amanita muscaria).
Später fand man heraus, dass der Fliegenpilz gar nicht wegen Muscarin so giftig ist, denn der Pilz enthält nur wenig davon. Andere Stoffe sind dafür verantwortlich, dass er als ein Sinnbild eines giftigen Pilzes gesehen wird.
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Giftige Pilze sorgen für Dauerfeuer am Rezeptor
Muscarin wirkt an Acetylcholin-Rezeptoren des parasympathischen und zentralen Nervensystems, ebenso wie Nicotin. Die beiden Alkaloide binden aber an verschiedene Rezeptor-Typen. Muscarin, zum Beispiel aus giftigen Pilzen, wirkt an fünf Subtypen des Muscarin-Rezeptors.
Allen gemeinsam ist die Tatsache, dass Muscarin im Gegensatz zum natürlichen Liganden Acetylcholin nicht abgebaut werden kann. Der Verzehr giftiger Pilze führt also zu einer Dauerstimulation am Muscarinrezeptor. Es kommt zu
- vermehrter Speichel- und Schweißsekretion,
- Erbrechen,
- Durchfall,
- Kreislaufzusammenbruch und
- schließlich zu einer Lähmung des Herzens.
All diese Effekte beruhen auf der Dauerstimulation der Rezeptoren durch Muscarin aus den giftigen Pilzen.
So wirken giftige Pilze an den Subtypen der Muscarinrezeptoren
- M1: im zentralen Nervensystem und in exokrinen Drüsen; Dauererregung
- M2: am Herzen, besonders im Sinus- und AV-Knoten; Stimulation senkt Puls und Herzleistung
- M3: an glatten Muskeln wie den Bronchien, in exokrinen Drüsen und den Belegzellen des Magens; Stimulation erhöht Schweiß-, Tränen- und Speichelsekretion und Insulinausschüttung und sorgt für Kontraktion glatter Muskeln
- M4 und M5: im zentralen Nervensystem; Funktionen sind weitgehend unerforscht
Die Studie aus Jena soll dabei helfen, giftige Pilze besser zu identifizieren und Notfallmedizinern bessere Behandlungsmöglichkeiten eröffnen. Denn trotz aller Warnungen verzehren jedes Jahr Menschen giftige Pilze. Dann kommt es auf schnelle Hilfe an.
Quellen:
https://idw-online.de/de/news841910%0b
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/anie.202417220
https://flexikon.doccheck.com/de/Muskarinrezeptor